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Dieter Holliger, Chef der Regionalpolizei aargauSüd, über zunehmende Gewaltbereitschaft, die Zusammenarbeit mit der Kantonspolizei und warum er in den Ferien am liebsten den Flieger nimmt.
Dieter Holliger: Einerseits wegen des Falls selbst. Über längere Zeit kam es zu Einbruchdiebstählen in Geschäfte – sogar in unmittelbarer Nähe unseres Polizeipostens. Dass uns da quasi einer auf der Nase herumtanzt und wir seiner einfach nicht habhaft werden, fanden wir natürlich schon ziemlich unverfroren.
Dass – neben der Kantonspolizei – auch eine Patrouille von uns dabei war, als der Täter nach einem Alarm in einem Coiffeurgeschäft verhaftet werden konnte. Die Einbruchserie hat in jener Nacht geendet.
Das ist systembedingt. Wir sind zuständig für die lokale Sicherheit, den Verkehr und für alle verwaltungspolizeilichen Aufgaben in der Region. Gleichzeitig aber auch ein unterstützendes Element der Kantonspolizei. Wir sind bei Ereignissen sehr schnell vor Ort, oft vor der Kapo, und machen die Erstintervention. Die Kapo übernimmt dann die weiteren Ermittlungen sowie die Rapportierung an die Staatsanwaltschaft. Dadurch sind wir wieder frei für Interventionen. Das Bild in der Bevölkerung ist aber manchmal schon ein anderes.
Dieter Holliger (58) ist seit 2005 Chef der Regionalpolizei aargauSüd. 1981 absolvierte er die Polizeischule bei der Kantonspolizei Aargau, danach war er auf dem Bezirksposten Aarau und der Mobilen Einsatzpolizei, ab 1994 bei der Kapo in Reinach. Der dreifache Familienvater wohnt im Wynental.
Viel Leute wissen nicht, dass Regionalpolizisten und Kantonspolizisten in der ganzen Schweiz die gleiche Grundausbildung haben. Viele haben wohl noch das Bild des alten Dorfpolizisten im Kopf. Also jene Zeiten, als der Gemeinderat bei Bedarf irgend jemandem eine Pistole in die Hand drückte und ihn zum Polizisten ernannte. Das war theoretisch möglich bis 2003, dann hat die Bestimmung geändert. Aus unserer Region besuchen die Aspiranten die interkantonale Polizeischule Hitzkirch. Dort machen sie nach zehn Monaten Grundausbildung die Berufsprüfung und bekommen daraufhin den Fähigkeitsausweis.
Teilweise. Wenn man einen Aspiranten sucht, melden sich eigentlich genug Leute. Aber einen ausgebildeten Polizisten zu finden, ist schwieriger. Der Arbeitsmarkt bei der Polizei ist relativ stark ausgetrocknet.
Dass ich morgens nie weiss, was am Tag passieren wird. Das ist das Spannende. Das Erfüllende ist, wenn wir jemandem helfen oder eine Straftat aufklären können. Darüber freut man sich auch nach vielen Dienstjahren noch und es erfüllt einen auch mit einem gewissen Stolz.
Undifferenzierte Äusserungen gegenüber uns und das dauernde Hinterfragen unserer Arbeit. Wenn Personen uns kritisieren, bevor sie sich überhaupt Gedanken gemacht haben, warum es soweit gekommen, weshalb diese oder jene Situation eingetreten ist. Das macht mir zu schaffen. Ich habe jedes Jahr 30 bis 40 Beschwerdebriefe gegen Bussen oder das Vorgehen von Polizisten, die ich beantworten muss.
Natürlich hats solche Leute schon immer gegeben. Aber ja, ich finde, es hat zugenommen, gerade im Bereich der Ordnungsbussen. Früher haben die Leute eine Busse eher zur Kenntnis genommen, heute wird schon sehr vieles hinterfragt.
Die Kriminalitätslage wird in erster Linie von der Kapo betreut. Wir spüren das aber in den Bereichen Streit/Drohung oder häusliche Gewalt. Hier stellen wir fest, dass die ausländische Beteiligung überproportional ist. Vergangenes Jahr hatten wir 102 Interventionen wegen häuslicher Gewalt. In unserer Region macht der Anteil der ausländischen Bevölkerung rund ein Drittel aus, bei den Interventionen sind es aber schätzungsweise zwei Drittel.
Nicht nur. Der günstige Wohnraum zieht sozial oder wirtschaftlich Schwache an. Deren Probleme sind dann halt zum Teil vielfältig – Jobsuche, Geldmangel, manchmal Alkoholmissbrauch. Das führt zu Zündstoff. Deshalb kommt es bei uns ein bisschen häufiger vor als zum Beispiel im Freiamt oder im Fricktal. Die steigende Zahl der Fälle hat aber sicher auch mit der Sensibilisierung der Bevölkerung zu tun. Vor allem Drittpersonen rufen häufiger an.
In etwa einem Drittel der Fälle hat die Kantonspolizei den Fall weiterbearbeitet. Das heisst nichts anderes, als dass es zu strafbaren Handlungen gekommen ist. Die übrigen zwei Drittel waren einfach verbale Streitereien oder leichte Tätlichkeiten, bei denen kein Strafantrag gestellt worden ist. In jedem Fall, ganz egal was ist, muss die Polizei einen Bericht erstellen. In dem Sinne gibt es auch keinen Fehlalarm.
Die zunehmende Gewaltbereitschaft. Allgemein in der Bevölkerung, aber auch gegenüber uns. Es gab früher schon Querulanten, aber die hat man mit der Zeit gekannt. Heutzutage ist die Bereitschaft, Polizisten verbal oder auch körperlich anzugreifen, recht gestiegen – auch von sehr jungen Leuten, oft unter Alkoholeinfluss. Das macht mir Sorgen.
Die jungen Polizisten werden heute natürlich psychologisch geschult. Trotzdem, häufige solche Erlebnisse können gerade jungen Polizisten schon den Job verleiden.
Das Umfeld ausserhalb vom Polizeiberuf ist sehr wichtig, Familie, Freunde, Vereinstätigkeit. Wenn ich Ferien habe, will ich möglichst raus aus der Region, mit dem Flieger irgendwo hin, wo ich abschalten kann. Das ist mir wichtig. Auch nach über 30 Jahren Polizeitätigkeit beschäftigen mich gewisse Fälle noch nachts im Bett.
Ich persönlich habe den Polizeipsychologen noch nie gebraucht. Aber wir können den Dienst der Kapo in Anspruch nehmen.
Dass eine gewisse Nähe, bedingt durch die Bürogemeinschaften in Unterkulm und Reinach, verloren geht. Wir haben eine gute Zusammenarbeit.
Wie es im Wynental aussehen wird, wissen wir noch nicht. Der Regierungsratsentscheid soll im zweiten Quartal fallen.
Je nachdem, auf welchen Standort sich die Kapo konzentrieren wird, haben wir möglicherweise rein räumlich nicht mehr alle Platz. Dann wird die politische Behörde der Regionalpolizei überlegen müssen, ob wir noch beide Standorte beibehalten.
Aktuell sind wir vier in Unterkulm und elf in Reinach.
Ich würde mir schon wünschen, dass die Kapo noch eine Ansprechperson in Unterkulm und in Reinach hat. Nicht dass wir Personen, die ein Anliegen für die Kapo haben, wegschicken müssen.
Ich denke, in der Wahrnehmung der Menschen hier oben schon. Der Bürger verbindet die Polizei natürlich mit einem Polizeiposten. Wir werden wohl erste Anlaufstelle für die Bürger sein, ja. Von uns wird dann natürlich auch erwartet, dass wir kompetent Auskunft geben können. Und das erwarte ich auch von meiner Belegschaft. Ich will nie hören, dass einer sagt, das gehe uns nichts an, das sei Sache der Kapo.