Reinach steht mit einer Sozialhilfequote von 4,3 Prozent an fünftoberster Stelle im Kanton. Günstiger Wohnraum und die wirtschaftliche Entwicklung im Oberwynental tragen dazu bei.
Die Gemeinde Reinach fällt auf, weil sie in der weiteren Region den höchsten prozentualen Anteil an Sozialhilfeempfängern ausweist. Dies spiegelt sich auch in der Gemeinderechnung. Im Jahr 2012 hatte Reinach Sozialausgaben von brutto 3,5 Millionen Franken. Netto verblieben 847 000 Franken.
Im Jahr 2012 (die aktuellsten Zahlen im schweiz. Vergleich) haben in Reinach 344 Personen – 198 Fälle – materielle oder immaterielle Hilfe in Anspruch genommen. Auf die 8200 Einwohner bezogen, spricht die Statistik von einer Sozialhilfequote von 4,3 Prozent. Nur Mellikon (5,3%), Aarburg (5,2%), Spreitenbach (4,9%), Neuenhof (4,6%) liegen vor Reinach. Die Fallzahlen des Regionalen Sozialdienstes Oberwynental (RSDO) dürften für 2014 voraussichtlich etwas rückläufig ausfallen.
Thomas Etter, der Leiter RSDO, sagt dazu: «Diese Quote muss man im Zusammenhang mit der Einwohnerzahl und der Bevölkerungsstruktur sehen.» In Reinach sind von den 8200 Einwohnern 3124 oder 38,3 Prozent Ausländer. Von den 344 Personen, die Hilfe erhalten, sind 48 Prozent Schweizer und 52 Prozent Ausländer. Ähnlich gelagert ist im Oberwynental 2012 die Gemeinde Menziken. 140 Fälle (210 Personen) sind gemeldet, die Quote liegt bei 3,8 Prozent. Menziken hat 5618 Einwohner, davon 3637 Schweizer und 2081 Ausländer (37,04%). Auch Burg, die dritte Gemeinde, welche dem Regionalen Sozialdienst Oberwynental angeschlossen ist, hat eine Quote von 3,2 Prozent, berechnet auf die 966 Einwohner (33,9% Ausländer).
Für Stellenleiter Thomas Etter und die Sozialarbeiterin Sandra Alvarez gibt es verschiedene Gründe, die dazu führen, dass im Oberwynental viele Schweizer und Ausländer auf Hilfe angewiesen sind: In Reinach und Menziken hat es relativ viele günstige Wohnungen im Vergleich zu andern Regionen. Dank der regen Bautätigkeit werden auch wieder ältere Wohnungen frei. «Und Reinach ist gut erschlossen», sagt Etter, «Einkaufsmöglichkeiten, medizinische Versorgung, Schulen, eine gute Erschliessung mit dem öffentlichen Verkehr.»
Reinach ist als Wohngebiet durchaus anziehend und bietet auch Personen mit kleinem oder zu kleinem Budget Wohnmöglichkeiten. Das Oberwynental ist zudem wirtschaftlich keine Boomregion, wenn auch viele kleinere KMU gut positioniert sind. Mit dem Rückzug von grossen Industriebetrieben ist es für schlecht qualifizierte Arbeitnehmer schwierig geworden, eine Anstellung zu finden.
Sandra Alvarez sagt denn auch: «Ein häufiger Grund für finanzielle Schwierigkeiten, die mit dem Gang aufs Sozialamt enden, ist Arbeitslosigkeit.» Wenn die Taggelder der Arbeitslosenkasse nicht mehr fliessen, wenn die Leute keine Stelle mehr finden, alleinerziehend sind oder aus gesundheitlichen Gründen arbeitsunfähig sind, dann bleibe ihnen häufig nur noch der Gang aufs Sozialamt.
Nebst der Existenzsicherung ist die Wiedereingliederung in die Arbeitswelt für die Mitarbeiter des Sozialdienstes zentral. Daher gelte in jedem Fall der Grundsatz: «Wer Hilfe erhält, hat auch Pflichten.» Dazu gehören zum Beispiel die Mitwirkungs- und Meldepflicht, die intensive Arbeitssuche und die Annahme einer zumutbaren Arbeit. Dabei hilft auch die «Pforte Arbeitsmarkt» mit RAV, IV und Sozialdienst.
Die Klienten müssen in jedem Fall mitwirken, so zum Beispiel ihre Familien- und Vermögensverhältnisse in aller Ehrlichkeit offenlegen. «Sie müssen kooperieren und sich an die Anordnungen halten», sagt Etter. Der Sozialdienst knüpfe Sozialhilfe an Bedingungen und prüfe vor jeder Auszahlung den Anspruch. «Wir schütten nicht das Füllhorn der Steuerzahler aus.» Die Beiträge werden nach kantonalen Richtlinien berechnet. «Es soll immer eine förderliche Entwicklung der von Armut betroffenen Personen möglich sein», sagt Alvarez, «das Ziel ist die Selbstständigkeit.» Wer nicht kooperiere oder ehrlich sei, wer gegen Auflagen verstosse, dem würden die Leistungen gekürzt. Da kontrolliere der Sozialdienst genau. Zudem wird darauf geachtet, dass Beiträge im Rahmen des Möglichen zurückbezahlt werden.
Gibt es auch Erfolgsgeschichten? «Ohne Erfolge würde ich nicht hier arbeiten», sagt Alvarez. Immer wieder würden Leute das Ziel erreichen, wieder eigenständig zu leben. Allerdings nie alle, das zeigen die Zahlen der Langzeitklienten.