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Aargau
Wyna/Suhre
Die Hauptverantwortlichen für die Rettung und den Wiederaufbau des Reinacher Museums erinnern sich.
«Es hat ‹gläderet›; man kann sich das kaum vorstellen», sagt Ursula Rüesch von der Vereinigung Museum Schneggli. Nach dem Mittag auf dem Weg zur Arbeit hat sie es gesehen, und statt zur Arbeit fuhr sie zum Gemeindehaus. Der Zug sei noch durchgefahren; sie aber dachte an Kostbarkeiten im Haus, darunter die Aargauer Sonntagstracht ihrer Mutter und viele andere Leihgaben wie antike Möbel oder Patchworkdecken: «Was sage ich den Besitzern, wenn die Sachen verbrannt sind?»
So weit kam es nicht, die Exponate konnten gerettet werden, obwohl der Brand am Freitag, 13. August 1999, ausgehend von einem Brand im Werk der Firma Voco Draht AG, das Dachgeschoss des Museums zerstörte. 20 Jahre später erinnern sich einige der Protagonisten.
Martin Hoffmann, Zimmermann und Spezialist für historischen Holzbau, zu der Zeit an der Scheune des Schlosses Hallwil an der Arbeit, erinnert sich, wie die Freundin eines Lehrlings gemeldet habe, Reinach gehe unter. «Man sah schwarzen Rauch über Reinach», und dies aus dem Seetal. Er weiss noch um die Diskussionen vor Ort mit Gemeindeammann Martin Heiz und Architekt Hans Marti, die in unmittelbare konkrete Aktionen mündeten: Noch während gelöscht wurde, baute man Abstützungen. «Es war ein Riesenpuzzle», sagt Hoffmann. Er dachte bereits an den Wiederaufbau, die Rekonstruktion. Wie aber sollte das gehen ohne Pläne?
«Wir versuchten aufgrund der Balken, aus dem Stegreif wieder zu den Massen zu kommen», erzählt er. In den Hallen der Vereinigten Schreinereien hat man die Bruchstücke zusammengestellt, «wie bei Flugzeugwracks». Fotos wurden gesucht; meist war die gleiche Ecke drauf mit einem Redner an einer Ausstellung. Dann aber seien Sonnenuntergangsfotos aufgetaucht, die geholfen hätten. Als der Brandschutt weg war, kam es zu bauhistorisch interessanten Entdeckungen: Das Schneggli (Turm 1688, Rest 1793) war mal ein höchst nobler Fachwerkbau mit kecken roten Balken und Malereien. Und heute gefällt der Dachstock mit Balken aus Reinacher Mondholz.
Joe Habermacher, damals Kommandant der Feuerwehr Reinach, die mit Wehren benachbarter Gemeinden und Betriebe im Einsatz war, erreichte der Alarm auf dem Weg zu einer Feuerwehrtagung in Schinznach. Er erinnert sich an den Ursprung des Feuers bei der Voco AG, da habe es getrieft von Öl. Die Belegschaft habe versucht, mit Löschgeräten den Brand zu löschen. Erfolglos. Das Problem: Man hat den Vorgesetzten nicht gleich gefunden und so wertvolle Zeit verloren: «So nahm die Geschichte ihren Lauf.» Befördert durch Biswind und Sonnenschein.
Für Feuerwehrmann Christoph Giger heute Gemeinderat in Beinwil am See, war der Tag des Brandes der Tag vor seiner Hochzeit. Dass es am Abend des 13. August 1999 später wurde, verhinderte freilich den Festtag nicht, und seinen Hochzeitstag wird er nie vergessen. Wie wohl niemand, der dabei war, diesen Brand vergessen wird. Für Vizeammann Karl Schrag, den Präsidenten der Baukommission, begann damit die Arbeit erst.
Einen Rückschlag bewirkte der Sturm Lothar am 26. Dezember 1999, der das Notdach abdeckte. «Das Haus war wieder komplett versoffen», sagt Martin Hoffmann. Und dann war eine Küchenwand vom Hausschwamm befallen. Mit Finanzen und denkmalpflegerischen Vorstellungen hatte sich Schrag auseinanderzusetzen: «Es gab schlaflose Nächte.». Am 13. September 2002, erneut an einem Freitag, konnte das neue Schneggli wieder eröffnet werden.
Für eine Überraschung sorgten an der Gedenkfeier Erika und Hansruedi Meyer aus Beinwil am See, die schon diverse Ausstellungen im Schneggli organisiert haben. Sie brachten als Geschenk einen schwarzen Originalbalken zurück, den Hansruedi Meyer als Zunftmeister von Beromünster im Jahr 2000 erhalten hatte. Der Balken wird im Haus einen Platz finden.
An den Kosten von 1,8 Millionen Franken beteiligte sich das Aargauische Versicherungsamt mit 1,1 Millionen Franken. Die Spendenaktion «Pro Schneggli» brachte unter anderem dank Schneggli-Brot, Schneggli-Kunstdrucken von Kurt Hediger, Schneggli-Bastelbögen, Kollekten bei Konzerten, Beiträgen von Schulen, Vereinen, Gewerbebetrieben 750'000 Franken ein (AZ vom 27. Februar 2002).
Viel Goodwill geniesst das Schneggli auch heute: Die Sommergmeind vom 12. Juni 2019 bewilligte 190'000 Franken für nötige Malerarbeiten, Lichtanlagen und Fenstersanierungen.