Bezirksgericht Kulm
Mutter verkauft Weihnachtsgeschenk der Grossmutter auf Facebook – diese landet vor Gericht

Eine Grossmutter wollte ihre Enkelin beschenken. Als sie sieht, dass ihre frühere Fast-Schwiegertochter und Kindsmutter das Geschenk online zum Verkauf anbot, teilt sie ihren Frust darüber auf Facebook. Das brachte sie vor Gericht. Dort zeigt sich eine tief zerstrittene Familie.

Zara Zatti
Drucken
Ein Geschenk soll Freude bringen: In diesem Fall brachte es eine Gerichtsverhandlung.

Ein Geschenk soll Freude bringen: In diesem Fall brachte es eine Gerichtsverhandlung.

Smileus

«Ich habe die ganze Nacht geweint», erzählt Anna (alle Namen geändert), eine knapp 60-jährige Frau mit braunem Pagenschnitt, dem Richter. Zum Weinen bringt sie damals eine Entdeckung auf Facebook: Das Weihnachtsgeschenk für ihre Enkelin Kayla, ein Fernsehsessel für Kinder, wird da originalverpackt zum Verkauf angeboten. Mit auf dem Bild: Handschuhe, ebenfalls ein Geschenk von ihr. Loswerden wollte das Geschenk Tiffany, die Mutter von Kayla und frühere Fast-Schwiegertochter von Anna. Anna nimmt den Verkauf persönlich, ist traurig und gekränkt. Ihre Vermutung: Ihre Enkelin bekommt keines ihrer Geschenke je zu Gesicht.

Sie setzt auf Facebook einen Post ab, der sie vor Gericht bringen wird. Sie schreibt:

«Das Weihnachtsgeschenk, das meine Enkelin von mir bekam, verkaufte die Mutter noch original eingepackt im Facebook!!! Es gehörte meiner Enkelin!!! Wohl auch die Kleider und Spielsachen, die ich ihr schenkte!!!»

Tiffany sieht den Post, ist schockiert und zeigt die Grossmutter wegen übler Nachrede an. Das Geschenk sei sehr wohl bis zu Kayla gelangt, sie habe den Sessel nur verkauft, weil dieser umgekippt sei, und sich das Mädchen verletzt habe. Die Kinderhandschuhe hat Tiffany gleich mit ans Gericht gebracht. Sie wedelt damit in die Richtung der Grossmutter. Über den Facebook-Post sagt Tiffany: «Ich finde das eine Frechheit. Sie hätte mich persönlich darauf ansprechen können.» Dass dies allerdings gar nicht so einfach möglich gewesen wäre, zeigt sich im Verlauf der Verhandlung.

Eine zerrüttete Familie

Die Familie ist schon lange zerstritten, Tiffany und der Kindsvater, der Sohn von Anna, leben getrennt, es läuft ein separates Verfahren wegen häuslicher Gewalt. Das wirkt sich auch auf die Beziehung zwischen Tiffany und Grossmutter Anna aus: Die Enkelin hat Anna zu ihrem ersten Geburtstag das letzte Mal gesehen, Tiffany hat Anna auf dem Handy blockiert. Treffen sich die beiden Frauen auf der Strasse, grüssen sie sich nicht.

Im Wartesaal vor dem Gerichtssaal sitzen Mutter und Grossmutter so weit voneinander entfernt, wie es nur geht. Dabei scheint das Verhältnis, zumindest finanziell, einmal ein enges gewesen zu sein: Anna bezahlte eine Wohnungskaution und mehrere Monatsmieten für Tiffany, gewährte ihr ein Darlehen. Mittlerweile bleiben auf beiden Seiten nur noch Vorwürfe.

«Die Verhältnisse werden sich nicht mehr zurechtbiegen lassen»

Vor der Urteilsverkündung appelliert Gerichtspräsident Christian Märki nochmals an die beiden Frauen: «Sie stehen in einem engen familiären Verhältnis. Gibt es nicht die Möglichkeit einer Verständigung?» Diese gibt es laut Tiffany nicht: «Die Verhältnisse werden sich nicht mehr zurechtbiegen lassen.»

Für die Grossmutter hat sich der Gang vor Gericht gelohnt. Laut Strafbefehl, den sie angefochten hat, wäre sie zu einer bedingten Geldstrafe von 9400 Franken und einer Busse von 1900 Franken verurteilt worden. Gerichtspräsident Märki sprach sie frei. Erstens sei der Verkauf eines Geschenkes nicht per se ehrenrührig: «Es gibt viele Gründe, wieso Kindergeschenke weiterveräussert werden.»

Zweitens ist es laut Strafgesetzbuch nicht strafbar, wenn eine Äusserung der Wahrheit entspricht oder der Beschuldigte gute Gründe hatte, sie für wahr zu halten. Die Grossmutter habe anhand des originalverpackten Bildes mit den Handschuhen davon ausgehen können, dass auch weitere Geschenke von ihr verkauft worden seien, befand Märki.

Das Urteil kann von beiden Parteien ans Obergericht weitergezogen werden. Die Verfahrenskosten von 1600 Franken gehen zu Lasten des Staates. Dazu sagte Märki: «Mit diesem Geld könnte man sinnvolleres anstellen, als es für Querelen zu verbraten.»