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Aargau
Wyna/Suhre
Eine 38-Jährige touchierte mit dem Auto ein Reh. Es wurde nicht gefunden, trotzdem spricht das Bezirksgericht Kulm eine Busse aus.
Die 38-jährige Rita (Name geändert) steht zu ihrem Fehler, doch als Tierquälerin aktenkundig zu sein, da ginge zu weit und könnte sie ihren Job kosten. Was ist passiert?
Nach einem Fest fuhr Rita im August 2018 um Mitternacht von der Waldhütte Menziken Richtung Schwarzenbach LU.
Sie war mit ihrem 13-jährigen Sohn auf dem Weg nach Hause ins Freiamt; der Ehemann übernachtete in der Waldhütte. «Ich wollte nach einer Kurve beschleunigen, da sah ich im Wald das Reflektieren zweier Augen», erzählt sie.
Ein Auto sei entgegengekommen, also konnte sie nicht ausweichen. Sie habe eine Vollbremsung eingeleitet, als das Tier, ein Reh, kurz zögerte und das Auto das Tier touchierte: «Gemüpft. Am Füdle knapp erwischt.»
Rita stieg aus, fand aber weder Blut noch Haare noch Beule, leuchtete unters Auto: nichts. Als sie ihrem Mann am Tag darauf vom Vorfall berichtete, sagte dieser, sie müsse sich melden, Polizei, Jagdaufseher. Was Rita umgehend tat.
Aber eben zu spät, was sie – ihr Verteidiger nennt sie «fast in übertriebenem Mass ehrlich und rechtschaffen» – auch nicht bestreitet. Der Jagdaufseher suchte die Umgebung nach einem toten oder verletzten Tier ab, erfolglos. «Ich habe zwei Tage später nochmals nachgefragt: Man hat nichts gefunden», sagt Rita.
Dennoch: Der Schaden war angerichtet, nicht am Auto, kaum am Tier, aber im Leumund von Rita, hätte sie den Strafbefehl akzeptiert. Bedingte Geldstrafe von 20 Tagessätzen zu 250 Franken, 1000 Franken Busse, Strafbefehlsgebühr und vor allem: Strafregistereintrag.
Und genau das ist der Punkt, der Rita schmerzt. Als Einkäuferin bei einem grossen Detailhändler, so ihre Befürchtung, könnte sie mit einer Vorstrafe Probleme erhalten bei Reisen nach China oder in die USA. Und damit ihre Stelle verlieren.
Nun, es kommt nicht so weit. Gerichtspräsident Christian Märki spricht Rita vom Vorwurf der fahrlässigen Tierquälerei (unnötige Überanstrengung eines Wildtieres) frei. Es gebe keine Anhaltspunkte für ein qualvolles Verenden des Tieres. Dass es nicht gefunden wurde, lasse auch den Schluss zu, dass es nicht gravierend verletzt, sondern bloss leicht touchiert wurde.
Schuldig gemacht hat sich Rita aber des pflichtwidrigen Verhaltens nach Verkehrsunfall. Sie hätte sofort Meldung erstatten müssen. Diese Übertretung, mit 300 Franken gebüsst, zieht aber keinen Eintrag ins Strafregister nach sich. Die Verfahrens- und Anwaltskosten teilen sich Rita und der Staat. Rita, die zu Hause Katzen, Fische und Ferienhunde hat, ist nach dem Urteil erleichtert. Und froh um ihre Rechtsschutzversicherung.