Unterkulm
Gemeindeammann Huber: «Wir sind überzeugt von unserer Schule»

Unterkulms Gemeindeammann Emil Huber spricht im Interview über die zunehmende Skepsis und die heisse Debatte in Gontenschwil.

Melanie Eichenberger
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Emil Huber, Projektleiter Kreisschule und Gemeindeammann Unterkulm.

Emil Huber, Projektleiter Kreisschule und Gemeindeammann Unterkulm.

zvg

Elf Gemeinden stimmen in zwei Wochen über die Bildung der Kreisschule aargauSüd ab. Bis am Dienstag haben alle Gemeinderäte das Projekt (knapp 1000 Schüler, rund 150 Lehrer) unterstützt. Dann machte der Gemeinderat Gontenschwil eine Kehrtwende – nur 10 Tage vor der Gemeindeversammlung. Was hätte ein Nein von Gontenschwil für Auswirkungen? Die AZ hat bei Emil Huber, Gemeindeammann in Unterkulm und Projektleiter der Kreisschule aargauSüd, nachgefragt.

Herr Huber, hat Sie das Ausscheren vom Gemeinderat Gontenschwil überrascht?

Das Ausscheren in diesem Moment hat mich persönlich, aber auch das Projektteam überrascht. Es war uns – und wohl auch dem Gemeinderat Gontenschwil – bewusst, dass Gontenschwil eine bittere Kröte schlucken muss. Trotz allem ist der Gontenschwiler Gemeinderat bis jetzt hinter dem Projekt Kreisschule aargauSüd gestanden, weil er das Gesamtkonzept als sinnvoll anschaute. Etwas anderes liessen auch die Stellungnahmen im Vernehmlassungsverfahren nicht erwarten. Die Gemeinde hat seit Jahren gewusst, dass sie die Oberstufe wegen der zu geringen Schülerzahl verlieren wird.

Gontenschwil verliert seine Schule und muss erst noch mehr bezahlen.

Dass es schwierig ist für Gontenschwil, ist nicht ganz neu. Die Oberstufe hat schon in den letzten Jahren nur dank dem Goodwill der grösseren Gemeinden der bisherigen Kreisschule Homberg überlebt. In Zukunft kann es dieses Entgegenkommen ganz sicher nicht mehr geben – auch weil es wegen neuer kantonaler Regelungen gar nicht mehr möglich ist. Mit der Aufhebung der Oberstufe entstehen keine zusätzlichen Kosten. Es fallen aber die Schulgeldzahlungen für die Schülerinnen und Schüler aus anderen Gemeinden weg.

Warum sollen die Gontenschwiler dem Projekt trotzdem zustimmen?

Die Kreisschule bleibt trotz allem eine regionale Schule, die überschaubare Schulwege garantiert. Auch für die Gontenschwiler. Hinzu kommen die Qualität, die hochgehalten werden kann, und die Kosten, die insgesamt reduziert werden können. Aber es ist schon klar, man kann keinen Bären waschen, ohne dass er nass wird. Zusammen – in Selbstbestimmung – eine Schule aufzubauen, ist auch für Gontenschwil längerfristig von Vorteil. Die Gemeinde hat in der neuen Schule ein Mitspracherecht. Bei einem Nein entfällt dieses. Hinzu kommt dann die Fremdbestimmung durch den Kanton.

Könnte der Sinneswandel von Gontenschwil andere Gemeinden mitreissen?

Das glauben wir nicht. Wir sind überzeugt von unserer Schule. Deshalb erwarten wir, dass die Stimmbürger die Vorteile anerkennen und Ja stimmen werden.

Was bedeuten die jüngsten Entwicklungen für das Projekt Kreisschule aargauSüd?

Die Bedingungen, wie die Kreisschule aargauSüd zustande kommt, sind klar: Primär müssen die Standortgemeinden Menziken, Reinach und Unterkulm zustimmen. Wenn diese nicht zustimmen, hätten wir ein Problem. Sagt Gontenschwil Nein, kommt die Kreisschule trotzdem zustande und würde auch gestartet – immer vorausgesetzt, dass die Mehrheit der Verbandsgemeinden mitmacht. Gontenschwil müsste anschliessend eine eigene Lösung zusammen mit dem Kanton suchen. Zwar wäre es selbstverständlich, dass die Schülerinnen und Schüler in der neuen Kreisschule unterrichtet würden – für Gontenschwil allerdings ohne Mitgestaltungs- und Mitbestimmungsrecht.

Auf Papier wirkt die Kreisschule überzeugend, trotzdem ist in den Diskussionen je länger, je mehr Skepsis spürbar.

Ja das ist so. Der Teufel liegt im Detail. Wenn es um das Eingemachte geht, dann hat man Veränderungen halt nicht so gerne und es ist natürlich, dass Skepsis aufkommt und man das eine oder andere Haar in der Suppe sucht. Verschiedene Details werden aber nun aufgebauscht. Im Fall von Gontenschwil ist von Kosten die Rede, welche unser Projektteam als nicht ganz korrekt anschaut. Insbesondere weist die Gemeinde in ihren Berechnungen selbst die Kosten für die Gontenschwiler Schülerinnen und Schüler als Einnahmenausfall aus, obwohl diese Kosten immer – mit oder ohne Wegfall des Obenstufenstandortes – anfallen. Diese Zahl müsste zumindest zum Abzug gebracht werden.

Aus Sicht des Gesamtprojekts ist die Opposition in Menziken schwerwiegender als der Aufschrei in Gontenschwil. Was passiert bei einem Nein in Menziken?

Bei einem Nein in einer Standortgemeinde würde die Kreisschule nicht zustande kommen. Dann müssten wir wieder bei null anfangen, und wir würden mit Sicherheit den Goodwill des Kantons verlieren. Er würde das Diktat übernehmen. Die Konsequenz wäre, dass wir alle das Mitspracherecht verlieren.

Und Menziken?

Die Bezirksschule ginge auch bei einem Nein verloren, weil sie mit nur noch drei Klassen nach kantonalen Vorgaben einfach zu klein ist. Mit der Kreisschule aargauSüd erhält Menziken als Kompensation drei SeReal-Klassen. Diese Kompensation ginge bei einem Nein verloren. Aus Sicht des Projektteams hat Menziken eigentlich keinen Grund, dagegen zustimmen.

Warum ist das Projekt Kreisschule aargauSüd für die Region so wichtig?

Wir sind eine Region, die gerne selbst bestimmt. Das können wir bei der Kreisschule aargauSüd. Wir bleiben regional – das ist ein grosser Vorteil. Gleichzeitig sinken die Gesamtkosten und steigt die Qualität der Schule. Ganz wichtig: Die Wahlfachbreite können wir aufrechterhalten. Das ist ein grosses Plus für die Schüler. Und die Kreisschule würde in den ganzen Kanton hinausstrahlen: Wir würden demonstrieren, dass wir regional miteinander so ein wichtiges Projekt realisieren können.

Gemeindepräsidentin erklärt Gontenschwiler Bedenken

Es stimmt, der Gemeinderat Gontenschwil hat sich auf den ‹gemeinsamen› Weg für eine Kreisschule begeben», sagt Renate Gautschy auf Anfrage der AZ. Dazu hätte sich das Gremium jedoch geradezu durchringen müssen. «Viele Dinge, darunter ganz speziell finanzielle Konsequenzen, blieben während der Ausarbeitung ungeklärt.»

Der eigentliche Gesinnungswandel habe noch am Abend der Infoveranstaltung eingesetzt, als die ersten entrüsteten Eltern, aber insbesondere die Steuerzahler auf sie zugekommen seien. In den Tagen danach sei eine Welle der Ablehnung durch die Bevölkerung gegangen.

Dies, so Gautschy, habe den Gemeinderat darin bekräftigt, was sich im Grunde Schritt für Schritt abzeichnete: «Auf diese Art nicht mit uns.» Gontenschwil, sagt sie, könne diese «Knebel-Satzungen» schlicht nicht gutheissen. «Es darf nicht sein, dass 10 Gemeinden auf dem Buckel einer Gemeinde eine sog. solidarische Lösung für richtig halten.»

Gautschy erklärt weiter: «Wenn im Juni 2018 die Kreisschule ohne Gontenschwil auf diese Art zustande kommt, haben wir gar nichts verloren.» Wieso sollten die Steuerzahler zu der schlechtesten aller Lösungen Ja sagen, wenn es im Juni 2022 immer noch möglich sei, zu einer besseren Variante Ja zu sagen.

«Wir sind uns bewusst, dass uns eine ganz grosse Herausforderung bevorsteht, wir scheuen keinen Aufwand», sagt Gautschy. «Mehr Aufregungen kann es gar nicht mehr geben.» Schuderhaft sei es, dass diese Szenarien fast in allen Aargauer Regionen «durchgespielt» werden müssten, und dem sage man heute «Schule vor Ort». «Gute Lösungen gibt es mit guten Absichten, und solche Lösungen streben wir an», so Gautschy.