Muhen
Er holt die Schlangenfrau ins Tal

Hannes Kirchhof liebt es, Künstler ins rechte Licht zu rücken – ein Blick hinter die Kulissen eines Fotoshootings mit Schlangenfrau Nina Burri.

Lee Ann Müller
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Hannes Kirchhof fotografiert die Schlangenfrau Nina Burri in seinem Studio in Obermuhen. lee

Hannes Kirchhof fotografiert die Schlangenfrau Nina Burri in seinem Studio in Obermuhen. lee

Lee Müller

«Dreh dich ein wenig auf die Seite. Die Schultern etwas nach hinten drücken. Jetzt so bleiben. Wunderbar!» So tönt es an diesem Nachmittag im Fotostudio. Jedes Detail muss stimmen, das Licht, die Pose, das Make-up. Der Fotograf Hannes Kirchhof fokussiert den Studioblitz und richtet die Kamera wieder nach vorne. Vor ihm steht Nina Burri, die als Schlangenfrau mit ihrer unglaublichen Beweglichkeit in «Die Grössten Schweizer Talente» oder «America’s Got Talent» auftrat und mit dem Zirkus Knie auf Tournee ging.

Sie wirft einen kurzen Blick auf die entstandenen Fotos. Zufrieden sei sie noch nicht, der Gesichtsausdruck wirke zu gekünstelt. «Ich muss mir abgewöhnen, eine Show zu spielen, wie ich es gewöhnt bin, und einfach natürlich bleiben», sagt sie. Da eilt Visagistin Zalina Wälchli herbei, pudert das Gesicht, richtet ein letztes Haar, das vorwitzig in die Stirn fällt.

Es geht weiter, Nina Burris Ausdruck stimmt, nur die Schulter ist noch schräg – die rechte hängt tiefer. «Das ist vom Taschenherumschleppen», erklärt Burri lachend. Die Schlangenfrau ist vor vier Monaten in die USA ausgewandert und lebt mit ihrem Partner Stefan Schwitter in New York. Sie trage ihr Gepäck natürlich selber, obwohl sie an diesem Morgen tatsächlich von einem Journalisten angesprochen wurde, wo denn ihre Bodyguards seien.

Hannes Kirchhof hat mittlerweile die Details in Sachen Licht optimiert, doch etwas fehlt dem erfahrenen Fotografen noch, das Pünktchen auf dem «i». Er verschwindet kurz und erscheint mit einem Wasserspritzer. «Ich brauche einen leichten Dunst vor dem Gesicht», erklärt er. Die Assistentin spritzt das Wasser vor die Linse – und auf den Fotos wirken die Tröpfchen wie emporzüngelnder Rauch, der Nina Burris Gesicht sanft umspielt. Begeistert klatscht er in die Hände, und auch Nina Burri, anfangs noch skeptisch, beginnt zu lächeln.

Tage in der Dunkelkammer

Hannes Kirchhof weiss sich mit solchen Ideen zu helfen. Seit 30 Jahren betreibt er sein Fotostudio, vor vier Jahren zog er damit von Oberentfelden nach Muhen. Seine Leidenschaft für die Fotografie entdeckte er nach der Kantonsschule: «Zwischen Matur und RS habe ich als Kellner im Service gearbeitet – für meine erste Spiegelreflexkamera.» Kurz darauf entschied er sich jedoch für ein Geophysik-Studium an der ETH, wo er nebenbei jedes Nebenfach belegte, das etwas mit Fotografie zu tun hatte. «Ich verbrachte Nachmittage in der Dunkelkammer für Dinge, die man heute mit einem Mausklick in Photoshop erledigen kann», sagt er. Schliesslich entschied er sich, das Studium abzubrechen, und zog nach Vevey, um dort an der Ecole d‘arts appliqués Fotografie zu studieren. Nebst seiner Arbeit als Werbefotograf zählen die Künstlerporträts zu seinen persönlichen Vorlieben: Seven, Emil Steinberger, Peter Ustinov, Claude Nobs, sie alle standen schon vor seiner Kamera.

Nun hat auch Nina Burri einen Platz im umfangreichen Portfolio des Fotografen erhalten. «Mit Nina zu shooten, macht enorm Spass», sagt Hannes Kirchhof. Bereits zum zweiten Mal arbeiten die beiden zusammen. Das erste Shooting fand vor dem Prime-Tower in Zürich statt. Um warm zu bleiben für ihre akrobatischen Einlagen, musste Nina Burri in jeder Pause Dehnungsübungen machen.

Beim zweiten Shooting in Obermuhen legt Kirchhof den Fokus nun in einem Beauty-Shooting im Studio nicht auf die Figuren, sondern auf Nina Burri selber: In den Umbaupausen kann sie sich darum vor dem Spiegel in Ruhe neu schminken lassen. «Modeln ist trotzdem harte Arbeit», sagt Burri, «ich kann nicht nur hinstehen und gut aussehen.» Mittlerweile hat die Visagistin die Haare mit Gel und Haarspray glatt nach hinten gelegt. Nina Burri darf ihre hochhackigen Schuhe anziehen und ins neue Set stehen. Trotz schmerzender Blase am Fussgelenk gelingt alles auf Anhieb. «Genial», ruft Hannes Kirchhof begeistert, «wart ab, bis du das fertige Bild siehst!»