Staffelbach
Ein Wandervogel zieht in eine ehemalige Kapelle ein

Thomas Lüscher ist um die ganze Welt gereist. Nun hat er sich in einer ehemaligen Kapelle niedergelassen. Nun kann sich der Künstler im Gotteshaus mit seinen Werken verwirklichen.

Barbara Vogt und Louis Probst
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Künstler Thomas Lüscher mit einem Werk von ihm.

Künstler Thomas Lüscher mit einem Werk von ihm.

Aargauer Zeitung

Thomas Lüscher (44) ist ein Wandervogel. Einer, der gerne von einem Ort zum anderen zieht. «Ein Zigeuner», sagt er lachend. Er reist von Dubai nach Australien, von der Ostsee nach Kanada. Und von Thalheim nach Staffelbach. Dort kaufte sich der Holzbildhauer und Bronzeplastiker die Kapelle der Evangelisch-methodistischen Kirche. Als seine Tochter Nelly erstmals davon gehörte hatte, schaute sie ihren Vater bloss an. «Sie muss gedacht haben: Die Alten spinnen», erinnert sich Thomas Lüscher.

Jetzt wohnt er in einem Bauernhaus

Den gebürtigen Holziker fasziniert die Ausstrahlung der Kapelle, die aus einem Predigersaal im Erdgeschoss und einer Wohnung im Obergeschoss besteht. «Eine Kirche als Wohnort findet man nicht alle Tage.» Die lichtdurchfluteten Räume, die vielen Fenster und die Wendeltreppe haben es Lüscher besonders angetan.

Er will den Holzboden im Predigersaal von seinem Teppich befreien und die Fensterfronten bis hinauf zur Wohnung vergrössern. Nicht nur um viel Licht in das Innere des ehemaligen Gotteshauses zu lassen, sondern auch, um schwere Möbel und Materialen transportieren zu können. Wie etwa das Klavier seiner Tochter, das sich nicht ganz so einfach durchs Treppenhaus hochheben lässt.

Der Predigersaal wird des Künstlers künftiges Atelier. Der grosszügige Raum sei ideal, um an grossen Werken zu arbeiten. «Ich plane jeden Tag in die Kirche zu gehen», witzelt Thomas Lüscher. Ansonsten habe er wenig mit der Kirche zu tun, vielmehr faszinieren ihn die geschnitzten Werke in Gotteshäusern. Seit einigen Jahren wohnen Thomas Lüscher, seine Frau und seine zwei Töchter in ihrem Bauernhaus in Thalheim. Das sei ein ganz anderer Charakter als die Kirche», findet Lüscher.

Auch wenn er ein grosses und helles Atelier habe, spüre er, dass er von dort weg müsse. «Man kann doch nicht immer im gleichen Loch wohnen. Ich bin ein Mensch, der nicht still steht, sondern sich stets weiter entwickelt.»

Kapellen wenig gefragte Objekte

Bis Lüscher die Kirche in Staffelbach kaufte, stand sie einige Jahre leer. Damals zog das Predigerpaar aus und die Evangelisch-methodistische Kirche beschloss, das Haus zu verkaufen. Dafür brauche man jedoch Geduld, sagt Martin Streit, Vorsteher des EMK-Distrikts Nordwestschweiz. «Kapellen sind auf dem Mark wenig gefragt. Wir müssen warten, bis die Käufer kommen.»

So gingen auch für die Kapelle in Staffelbach wenig Bewerbungen ein. Umso mehr freut es Streit, dass sich ein Künstler im ehemaligen Gotteshaus verwirklichen wird.

Als Kind «Manöggeli» geschnitzt

Von Haus aus ist Thomas Lüscher Holzbildhauer. Nicht etwa weil er aus Holziken stammt. «Ich habe schon als Kind gerne «Manöggeli» aus Holz geschnitzt», erklärt er. «Das ging so lange, bis mir die Mutter das Messer wegnahm, nachdem ich mich geschnitten hatte. Ich durfte dann aber zusammen mit ihr einen Schnitzerkurs besuchen.»

Nach einer Schreinerlehre absolvierte Thomas Lüscher die Schnitzlerschule in Brienz. Inzwischen arbeitet er als selbstständiger Holzbildhauer. «Ich habe nie das Ziel gehabt, künstlerisch zu arbeiten», sagt er. «Ich mache einfach gerne Holzskulpturen, und so ist es immer mehr geworden.»

Thomas Lüscher arbeitet auch mit andern Materialien, vor allem mit Bronze. Eben hat er eine 40 Zentimeter hohe Bronzeplastik angefertigt – der Entwurf für einen internationalen Wettbewerb in einer kanadischen Provinz.

Welches Werk wird dereinst die Kapelle in Staffelbach zieren? «Zwei Kängurus, die im Garten stehen werden», sagt Lüscher. «Sie sind jedoch keine Zierde, sondern Symbol des Fernwehs.»