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Aargau
Wyna/Suhre
Eine junge Brasilianerin versucht in der Schweiz einen Neustart. Andreia Correia Lopes findet, das Geld für die WM würde das Land besser in die Bildung investieren. Sie interessiert sich nicht für Fussball, lieber will sie Maskenbildnerin werden.
Fast jeden Tag fährt die 19-jährige Andreia Correia Lopes aus Erlinsbach nach Unterkulm, wo sie eine Lehre als Coiffeuse macht. «Ein Zwischenziel, eine gute Vorbereitung für meinen Traumberuf», meint sie. Ihre Augen strahlen, wenn sie an dieses Fernziel denkt. Sie will Maskenbildnerin werden, hat im Theater St. Gallen geschnuppert und sich in die Welt des Theaters ebenso verliebt wie in ihren Freund, einen Tierarzt.
Wäre sie in Brasilien geblieben, hätte sie nach dem Gymnasium wohl ein Studium begonnen. So aber kam sie in der Schweiz vor zwei Jahren ins kantonale Integrationsprogramm; ihre Sprachkenntnisse genügten nicht, um Matur zu machen.
Jetzt beginnt sie ihren neuen Weg über die Coiffeurlehre. In Brasilien, erzählt sie, dauere die Praxisausbildung zur Coiffeuse nur sechs Monate. «In meiner Heimat geht man in der Schule viel schneller vorwärts», sagt sie.
Normalverdienende können sich Tickets nicht leisten
Trotzdem, oder vielleicht gerade deshalb, ist der Prozentsatz der Kinder und Jugendlichen, die nach acht Jahren einen Text weder lesen noch interpretieren können, zu hoch. «Regierung und Wirtschaft wollen in den kommenden neun Jahren in Bildung und Erziehung investieren,» sagt die junge Frau. Sie versteht nicht, dass in der Schweiz immer mehr Kantone genau in diesem Bereich sparen.
Und wenn es nach ihr ginge, würde auch in Brasilien das Geld statt für den Fussball für Bildung ausgegeben: «Ich würde die WM absagen und das eingesparte Geld in die Bildung investieren!» Sie sagt es so dezidiert, dass man ihr das sofort glaubt.
Fussball interessiert sie ohnehin nicht. Sie weiss, dass auch viele Brasilianer des Mega-Event der Fifa ablehnen, zum Beispiel, weil Normalverdienende sich den Besuch der WM-Spiele nicht leisten können.
Völlig absurd findet sie die Bestrebungen der Organisatoren, Prostituierten Fremdsprachen beizubringen, damit sie mit ihrer Klientel besser zurechtkommen.
Sie selbst verfolgt ihr Berufsziel hartnäckig und wird auf dem Weg dorthin noch vielen Wynentalerinnen und Wynentalern den Kopf waschen.