Sie ist bekannt als Leserbriefschreiberin und wegen ihres Protests gegen eine Handyantenne: ein Porträt über die 80-jährige Leopoldine Gaigg.
Aufgewachsen in Wien, kann sich Leopoldine Gaigg noch gut an ihre Kindheit während der Bombennächte, den Evakuierungen auf das Land zu den Grosseltern und den wiederkehrenden Schulwechseln erinnern. «Ich hatte aber trotz der schwierigen und harten Umstände eine glückliche Kindheit und Jugend. Meine Mutter hat mich gefördert und mir eingeprägt: ‹Höre nie auf zu lernen. Du kannst alles verlieren, aber was du im Kopf hast, kann dir keiner nehmen.›»
Nachdem sie ihre Lehrerausbildung in Österreich erfolgreich abgeschlossen hatte, folgte sie ihrem späteren Ehemann in die Schweiz. Eine Lehrerstelle an einer Schule im Kanton Aargau blieb ihr zwar verwehrt, entschädigt wurde sie aber durch ihre Tätigkeit in der Erwachsenenbildung. Sie unterrichtete im Fach «Deutsch für Fremdsprachige» Menschen aus rund 60 verschiedenen Nationen. Der Umgang mit Teilnehmern verschiedenster Herkunft hat ihr zu einer weltoffenen Einstellung verholfen, um Menschen vorurteilslos zu begegnen.
Diese Eigenschaft half ihr auch auf ihren vielen Reisen. Alle Kontinente hat die Wahl-Bottenwilerin bereist; genau an ihrem 80. Geburtstag kehrte sie von einer dreiwöchigen Reise aus Australien zurück. «Durch die Kriegswirren und den chronischen Geldmangel nach dem Krieg lernte ich aber erst viel später, als ich schon lange in der Schweiz war, die eigene Heimat kennen.» So dauerte es beinahe 75 Jahre, bis sie einmal Graz besuchte.
Durch die Reisen und den kulturellen Austausch mit Einheimischen und Fremden, begann sich Gaigg auch für Fremdsprachen zu interessieren, darunter zum Beispiel für Russisch. Die Korrespondenz mit einer Russin führte sogar dazu, dass eine Fiche angelegt wurde.
Die Erinnerungen, die Leopoldine Gaigg prägten, schrieb sie in ihrem Buch «Lebenserinnerungen eines Sonntagskindes» nieder. Dafür verwendete sie ein Pseudonym. «Ich tat dies, um mich bei der Niederschrift meiner Erinnerungen etwas freier bewegen zu können, falls jemand, trotz verändertem Namen, nicht so gut wegkommt», sagt Gaigg und lacht. Die Einnahmen der Bücher spendet sie restlos für das Projekt «Arco Iris» in La Paz, Bolivien.
Auch wenn ihr Leben sehr bewegt ist, lebt Leopoldine Gaigg lieber in der Gegenwart und schaut in die Zukunft, als in der Vergangenheit zu verharren. «Mich interessiert, was in meiner Umgebung passiert. Ich kenne mich zum Beispiel mit der Schweizer Politik besser aus, als mit der Österreichischen.»
Aktuelle Probleme, welche bekämpft werden sollten, kann die 80-Jährige einige nennen. Von den immer dreckigeren Strassen über Eltern, denen es egal ist, was ihre Kinder machen, bis hin zur Flüchtlingsproblematik.
Realistisch bleibt sie aber trotzdem: «Was man nicht wirklich ändern kann, muss man akzeptieren, auch wenn es schwerfällt. Manchmal ist es nötig, dass man sich anpasst.»
Mittlerweile besitze sie, nach schon lange Zeit zurückliegendem, erfolgreichem Protest gegen eine viel zu nahe an ihrem Haus geplante Handyantenne, selbst ein Handy. Dieses habe sie nur für den Notfall. «Ich habe es aber seit Februar erst dreimal benutzt.»