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Aargau
Wyna/Suhre
Der pensionierte Bezirkslehrer Karl Gautschi erzählt in einer Auswahl von Anekdoten unter anderem über die Autoproduktion in Menziken vor über 100 Jahren.
Das seien doch viel zu viele Stühle, die im Gemeindesaal von Menziken aufgestellt wurden, fand Karl Gautschi am Donnerstagabend. Sie waren für die Vernissage seines 19. Buchs bestimmt, das er im Rahmen des «Erzähltals» vorstellte.
Es erzählt aus der Geschichte von Menziken. «Keine Dorfchronik», sei es, sagt Gautschi. «Denn es erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Es ist vielmehr eine persönliche Auswahl von Anekdoten, die ich bei meinen Recherchen gefunden habe.»
So sollte die erste mechanisierte Verkehrsverbindung von Menziken nach Aarau 1868 von einem «Lokomobil» geschaffen werden: Eine Lokomotive, die auf Strassen fahren kann. Bei einer in Aarau gestarteten Testfahrt schaffte es das ungestüme Gefährt dann allerdings nicht einmal bis Suhr. Sehr zum Amüsement des «Wynentaler Blattes», das daraufhin dichtete:
«Man schickt am ersten April Die Narren sonst hin, wo man will. Jetzt narrete der Leute viel Im Winter schon s ’Lokomobil»
Damit war klar: Menziken wird auf eine Anschaffung dieses Dampfungetüms verzichten. Das war doch eher etwas für die Städter in Aarau, wo noch einige Jahrzehnte lang eine Strassenlokomotive durch die Gassen tuckerte.
Lieber machte dafür um die Jahrhundertwende ein umtriebiger Menziker mit dem Namen Weber-Landolt das Dorf zum Autoproduzenten. Seine Hercules-Autos schafften bis zu 45 km/h, die Lastwagen immerhin 15 km/h.
Entstanden war das Geschäft aus der erfolgreichen Produktion von Radiatoren, die in Schiffen und Bahnen in der ganzen Schweiz und Deutschland verbaut wurden. Etwa in der Seetal- und der Gotthardbahn.
Karl Gautschi war vier Jahrzehnte lang Bezirkslehrer in Menziken und ist bis heute bekannt für seine Kolumne «Musteraargauer», die von den 70ern bis in die 90er dem Aargauer Tagblatt beigelegt war. Auch wenn ihm lieber wäre, die Leute würden ihn nicht mehr mit «Musteraargauer» ansprechen. Karl Gautschi schlägt lieber neue Kapitel auf, auch noch im Alter von 80 Jahren.
Von seinem neusten Werk würde man sich nun einzig noch wünschen, dass es auch als digitale Ausgabe erhältlich ist. Das würde das Durchsuchen bedeutend einfacher machen. Denn was Karl Gautschi hier vorgestellt hat, ist ein lokalhistorisches Nachschlagewerk, in dem kaum eine Menziker Institution unerwähnt bleibt.
Grosse Unternehmen, bis heute existierende Vereine, bedeutende Persönlichkeiten und prägende Dramen sind der Grund dafür, dass sich dieses Buch für jeden lohnt, der glaubt, er kenne Menziken bereits.
Während vier Jahren hat Karl Gautschi Akten im Gemeindearchiv studiert und Menziker interviewt, rund hundert Personen waren es am Ende. Aus freien Stücken, ohne Auftrag und damit ohne Entlöhnung. Dafür zeigten sich die Menziker am Donnerstag erkenntlich: Die «viel zu vielen» Stühle, 80 an der Zahl, waren allesamt besetzt.