Er ist die dritte Generation in der Schöftler Bäckerdynastie, die bis 1933 zurückreicht. Seit 1995 ist Jürg Mathys Chef im Betrieb. Nun spricht er über den Wegzug aus dem Luzernerstrasse-Rank und die Weiterentwicklung des Café Caprice.
Was beim Schöftler Beck Mathys dereinst ein chüschtiges St. Galler Brot werden will, hat erst einiges durchzustehen. So hallt dem Besucher in der Backstube als Erstes das Schlagen des Teigs auf die Tischplatte entgegen, das die laut aufgedrehte Radiomusik rhythmisch untermalt.
Doch die Pein zahlt sich aus: Nicht nur sind Mathys’ St. Galler Brote die beliebtesten bei der Kundschaft, sie geniessen auch weit über Schöftland hinaus Berühmtheitsstatus. Das Brot beim Mathys sei aus, würden manche Kunden sagen, wenn kein St. Galler Brot auf dem Regal läge. So ist es Bäcker Jürg Mathys schon öfter zu Ohren gekommen.
Der 54-jährige Mathys steht am grossen Holztisch der Backstube. Vor ihm liegen Teigstränge, die zu Zöpfen geflochten werden wollen. Nur Sekunden dauert es, bis die flinken Finger des Bäckers die «Mathys-Züpfe» geformt haben. Schon zieht er die nächsten Stränge in die Länge. Ehe man sich’s versieht, sind auch diese geflochten, mit Eigelb bemalt und bereit, in den Ofen geschoben zu werden.
Es ist 9 Uhr. Mathys ist jedoch bereits seit zwei Uhr früh in der Backstube. Für gewöhnlich ist er der Erste am Werk, bereitet Teig vor, damit rechtzeitig mit dem Backen begonnen werden kann, wenn um halb vier die ersten Kollegen ihre Nachtschicht beginnen.
20 Bäcker, Konditorinnen und Lernende kreieren im Stock unter dem Ladenlokal Brotwaren und Patisserie. Alles, was verkauft wird, von Roggenbrot über «Schöftler Bsetzistei» aus Caramel bis zu Glacen, wird selbst gemacht. Weitere 30 Mitarbeiter beschäftigt Mathys im Verkauf und im Service des integrierten Café Caprice. Dort herrscht – wie in der Backstube – gerade Hochbetrieb.
In den Kühlräumen unten warten noch zahlreiche Teigwerke dieser Nacht auf den Ofen: Laugengipfeli und FC-Aarau-Brote, Spinatwähen und Olivenzöpfe. Nicht nur in die Einkaufstaschen der Kundschaft werden sie wandern, auch Grosskunden wie die Altersheime in Muhen, Kölliken und Safenwil tischen Backwerk von Mathys auf.
Hanf-Guetzli sind die neuste Kreation aus der Backstube Mathys. Die Idee stammt von Chefkonditor Oliver Stalling, der auf der Basis von cannabishaltiger «Slow-Butter» vier verschiedene Rezepte austüftelte. Die Guetzli sind seit April in der Bäckerei erhältlich. Seither sind die Kekse, von denen der Konditor verspricht, dass sie entspannend wirken, ein Verkaufsrenner. «Die Nachfrage ist gross, wir mussten die Produktion gleich nach Verkaufsstart erhöhen», sagt Stalling. Unter den Abnehmern seien alle Altersgruppen. «Bisher mische ich noch einen Anteil normale Butter rein, wir erhielten jedoch bereits Anfragen nach ‹stärkeren› Guetzli», so Stalling. Der Hanf für die Guetzli und Brownies stammt aus legalem Anbau (CBD-haltig, THC-Gehalt unter 1 Prozent). Hergestellt wird er von der Küttiger Medgreen GmbH. (fdu)
1933 gründete Grossvater Willi Müller im Luzernerstrasse-Rank die Bäckerdynastie. Als sein Mitarbeiter Lorenz Mathys sich in Martha, die Tochter des Chefs, verliebte, war die Nachfolge gesichert. Der Schwiegersohn übernahm den Laden, als der Rank der Luzernerstrasse, die Richtung Kirchleerau führt, noch ein kleines Ladenzentrum mit Metzger und Gemüseladen war. Sohn Jürg wuchs quasi in der Backstube auf, wo er auch nicht mehr rauswollte. Nach der Lehre in der Bäckerei Gasser in Suhr stieg er beim Vater ein. 1995 übernahm er den Betrieb. «Ich übe heute meine zwei Traumberufe aus, Bäcker-Konditor und Buchhalter. Für mich ist das ideal.»
Viel Freizeit gönnt sich Mathys nicht. Vor allem, seit 2015 der grosse Umzug vom Luzernerstrasse-Rank an den heutigen Standort an prominenter Lage im Dorf neben dem Coop stattgefunden hat. Als er vom Vater den Betrieb übernahm, war die heutige Bäckerei mit Café Caprice noch Zweitfiliale.
«Der damalige Hauptbetrieb wurde immer enger», sagt Mathys. Zudem gaben die anderen Läden im Rank auf. Mathys erkannte das Potenzial des Zweitstandorts, investierte in neues Mobiliar, Wintergarten und mehrere andere Erneuerungen. Er machte den heutigen Standort zum Hauptsitz und schloss den alten Betrieb.
Seither hat er permanent gearbeitet, sich neue Öfen und Kühlgeräte zugelegt und umgebaut. Jüngst wurde der Verkaufskorpus im Bäckerladen erneuert. Dieses Jahr werden sich Mathys und seine Lebensgefährtin, die im «Caprice» im Service arbeitet, nun endlich Ferien gönnen. Eine Woche Spanien. Danach will der Chef zurück in die Backstube.
Drei erwachsene Kinder hat Mathys aus erster Ehe. Ob eines davon dereinst den Betrieb übernimmt, ist noch offen. Wer auch immer in seine Fussstapfen tritt, sollte mit demselben Innovationsgeist ausgestattet sein. Denn der Bäcker von nebenan, der hat laut Mathys ausgedient. «Ein Bäckerladen braucht heute einen Café-Betrieb, um existieren zu können. Wenn ich nicht bereits ein Café hätte, würde ich in eine Bäckerei wechseln, die eins hat.» Doch auch dieses läuft nicht von selber. Die Latte lag hoch, als Familie Mathys 1988 das äusserst erfolgreiche Café übernahm. Wie aber gelang das Kunststück, den Erfolg zu halten? «Wir haben täglich geöffnet, geschlossen ist nur am 25. Dezember und 1. Januar», erklärt Mathys darauf.
Und an seinen Freitagen, da setzt sich der Bäckermeister selber ins Café. «Ich suche mir immer eins im Umkreis von 50 Kilometern aus und gehe auch schon mal nach Zürich.» Dies, um zu sehen, wie andere das so machen. Zurück kehrt er mit einem Kopf voller Inspirationen und testet, wie seine Kundschaft darauf reagiert. Manche bleiben nur Versuecherli. Andere Neukreationen gehen weg wie warme Semmeln.
Es ist 11 Uhr. Bald wird der Chef zum ersten Mal Feierabend machen. Er wird zu Hause noch Buchhaltung erledigen und sich gegen Mittag für ein paar Stunden aufs Ohr legen. Wie viel Schlaf liegt drin, wenn er im späteren Nachmittag schon wieder in der Backstube zu stehen hat? «Vom Bürostuhl stehe ich erst dann auf, wenn die Bank stimmt», sagt Mathys. Die Dauer des Mittagsschlafs müsse sich dem anpassen. Spätestens gegen 19 Uhr macht er zum zweiten Mal Feierabend. Schon eine Stunde später ist Bettruhe, denn um halb ein Uhr früh klingelt der Wecker wieder zur Tagwache.