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Aargau
Wyna/Suhre
Nach einer wüsten Scheidung und dem Verlust des elterlichen Bauernhofs musste sich ein 49-Jähriger wegen Vernachlässigung von Unterhaltspflichten verantworten.
Die Geschichte liest sich wie ein gotthelfsches Drama: Aufgewachsen auf dem elterlichen Hof im Fricktal, absolvierte Max (Name geändert) die Ausbildung zum Landwirt. Nach einigen Jahren übernahm er den Bauernhof in Pacht. Doch dann begannen die finanziellen Probleme. Für Max und seine Eltern schien es die beste Lösung zu sein, den Hof an die damalige Ehefrau von Max zu überschreiben.
Doch es folgte nicht das Ende aller Geldsorgen, sondern eine wüste Scheidung. Während der Trennung kam es zu üblen Auseinandersetzungen. Im Zusammenhang damit wurde Max im Januar 2015 unter anderem wegen Diebstahl, Tätlichkeiten und Drohung vom Obergericht zu einer bedingten Geldstrafe verurteilt. Die Mutter erhielt das Sorgerecht für die beiden mittlerweile erwachsenen Kinder, Max wurde zu Unterhaltszahlungen verpflichtet. Durch den Verlust des Hofes aber wurde er arbeitslos – und ist es bis heute. So bezahlte er während vier Jahren keinen Rappen an Unterhaltsbeiträgen.
Deshalb musste sich der 49-jährige Max erneut vor Gericht verantworten – wegen Vernachlässigung von Unterhaltspflichten. Dies bedeutete für die Staatsanwaltschaft, dass sich Max in Bezug auf das Obergerichtsurteil nicht bewährt habe – und die bedingt ausgesprochene Geldstrafe auch noch zahlen müsse. Am Bezirksgericht Kulm erschien der Angeklagte ganz in Schwarz gekleidet und ohne Verteidiger – dieser hatte das Mandat vor einigen Monaten niedergelegt.
In der Befragung durch Einzelrichterin Yvonne Thöny Fäs kam heraus, dass Max aktuell keinen festen Wohnsitz hat. Er hängt wieder am finanziellen Tropf der Eltern – deren AHV-Rente «reiche so knapp» für alle drei.
Er habe die Unterhaltszahlungen wirklich leisten wollen, beteuerte der Angeklagte immer wieder. Doch wie, ohne Einkommen und mit Schulden in der Höhe von 20000 Franken? Die Einzelrichterin fragte, welche Bemühungen Max unternommen habe, um eine Arbeit zu finden. Der Angeklagte erklärte, er habe sich telefonisch und über persönliche Kontakte um einen Job bemüht. Mit Unterlagen belegen konnte er die Stellensuche aber nicht. «In der Landwirtschaft gibt es kaum Stellen. Und über längere Zeit in einem Gebäude zu arbeiten, das halte ich nicht aus.»
Max sagte weiter, er habe immer gehofft, bald wieder auf dem elterlichen Hof arbeiten zu können, da der Vater ein Rückkaufsrecht habe. Doch das passt der Ex-Frau gar nicht: «Sie wehrt sich mit allen Mitteln gegen den Rückkauf des Hofes. Bis vor Bundesgericht ist sie gegangen», erklärt der Angeklagte mit Verbitterung in der Stimme. Dieses Verfahren zog sich über Jahre hin, in denen Max nicht arbeitete und so auch kein Geld verdiente. Schlussendlich aber hat sich die Ex-Frau vergeblich gewehrt: Das Verfahren zum Rückverkauf an den Vater ist nun in der Endphase.
Ein Lichtblick am Horizont. In seinem letzten Wort erklärt der Angeklagte, er nehme die Schuld an der verfahrenen Situation zu 75 Prozent auf sich. Doch seit die Familie auseinandergebrochen sei, mache ihm seine Ex-Frau das Leben unheimlich schwer.
Schliesslich schritt Einzelrichterin Yvonne Thöny Fäs zur Urteilsverkündung. Sie sprach den Angeklagten der Vernachlässigung von Unterhaltspflichten schuldig. Es sei nicht glaubhaft, dass Max über vier Jahre gar keine Möglichkeit hatte, ein Einkommen zu erzielen – er hätte zumindest einen Teil der Unterhaltszahlungen entrichten müssen. Die Geldstrafe von 60 Tagessätzen à 60 Franken wandelte sie in 240 Stunden (sechs Wochen) gemeinnützige Arbeit um.
Auch im nächsten Punkt wich Einzelrichterin Yvonne Thöny Fäs vom Antrag der Staatsanwaltschaft ab: Die Bewährungsstrafe sei nicht vollziehbar. In der Urteilsbegründung sagte sie, das Obergerichtsurteil sei im Januar 2015 gefällt worden. Also erst nach dem grössten Teil des Zeitraums, in dem Max keine Unterhaltsbeiträge zahlte. Deshalb könne man nicht von einem Verstoss gegen die Bewährung sprechen. Die Verfahrenskosten gehen zulasten des Angeklagten.