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Aargau
Franz Widmer, Rektor der Kantonsschule Wohlen, teilt punkto Wirtschaftsmittelschule den Standpunkt der Regierung.
In zwei Wochen endet die Anhörung zum neuen Standort- und Raumkonzept für die Sekundarstufe II (Berufs- und Mittelschulen). Dabei geht es auch um die Zukunft der Wirtschafts- und der Informatikmittelschule (WMS/IMS). Die Regierung schlägt vor, diese an den Kantonsschulen zu belassen und nicht an die kaufmännischen Berufsschulen zu verlegen. Die KV-Rektoren haben sich öffentlich gegen diese Lösung ausgesprochen, auch in dieser Zeitung; die WMS sei Teil der Berufsbildung und gehöre zum KV. Im Folgenden formuliert Franz Widmer den Gegenstandpunkt. Er ist Rektor der Kantonsschule Wohlen und Präsident der Aargauischen Mittelschulrektoren-Konferenz.
Franz Widmer: Das stimmt zwar. Früher war es ein Handelsdiplom. Diplome dürfen aber auf der Sekundarstufe II keine mehr abgegeben werden. Diese sind reserviert für die tertiäre Stufe. Aber ausser dem Namen des Abschlusszeugnisses hat sich nichts geändert. Das «Handeli» hat immer dem Bundesamt für Berufsbildung und Technologie (BBT) unterstanden, war immer Teil der Berufsbildung und das Handelsdiplom war äquivalent zum KV-Abschluss.
Das war ein politischer Entscheid, er fiel im Oktober 1960. Das hat damals bedeutet, dass nicht nur an der Kantonsschule Aarau eine Handelsschule eröffnet wurde, sondern dass auch dem zweiten Gymnasium in Baden, eröffnet im Frühjahr 1961, eine solche angegliedert wurde. Seither ist die Handelsschule mit den Gymnasien verbunden und die Schulen haben sich das nötige Know-how zur erfolgreichen Führung dieses Bildungsganges angeeignet.
Die Fächer an der WMS und IMS werden zu grossen Teilen auch am Gymnasium unterrichtet. Die WMS kann profitieren von dieser traditionellen Nähe zum Gymnasium mit seinen vielfältigen Möglichkeiten, zum Beispiel bei den Naturwissenschaften, bei Geografie und Geschichte, beim bildnerischen Gestalten. Die im gymnasialen Rahmen typische Breite und Tiefe der Allgemeinbildung bereichert den Ausbildungsgang der Wirtschaftsmittelschüler ganz klar. Umgekehrt bereichert die WMS mit ihrem praxisorientierten Unterricht die Kantonsschulen.
Die Ausbildung auf den beiden Schienen Berufsbildung und Tagesmittelschulen bietet den Jugendlichen eine attraktive Wahl. Sie unterscheiden sich in gewissen Punkten grundsätzlich: Der Lehrling erhält einen Lehrlingslohn, er baut an seinem praktischen Ausbildungsort ein neues soziales Netz auf etc. Der Tagesmittelschüler hat die Möglichkeit, neben dem stundenplanmässigen Unterricht weitere Angebote zu nutzen wie Intensiv- und Spezialschulwochen oder Freifächer von Spanisch über Russisch und Chinesisch bis zu Astronomie, Philosophie, Chor, Orchester und Theater. Wir gehen davon aus, dass wohl ein erheblicher Teil der Jugendlichen auf die kaufmännische Ausbildung verzichten und sich stattdessen für das Gymnasium oder die Fachmittelschule FMS entscheiden würde, wenn die WMS an die Berufsfachschule überführt werden sollte.
In der Mehrheit der Schweizer Kantone sind die Wirtschaftsmittelschulen den Gymnasien angegliedert. In der Deutschschweiz ist die WMS nur in den Kantonen Baselland und Schaffhausen Teil der Berufsfachschulen.
Die Entwicklung der Schülerzahlen ist von vielen, teilweise schwer vorhersagbaren Faktoren abhängig. An den Tagesmittelschulen rechnen wir nach den heutigen Grundlagen mittelfristig mit stabilen Zahlen. Es gibt zwar Kosten für die Erhaltung und Erneuerung des Schulraums – aber die fallen ohnehin an. Bei einem Übergang der WMS müssten an den Berufsschulen Investitionen getätigt werden für gewisse Spezialschulzimmer, die an den Tagesmittelschulen bereits zur Verfügung stehen.