Zum ersten Mal dieses Jahr gingen am Freitag Klimademonstranten in grösserer Menge auf die Strasse. Die meisten Teilnehmerinnen machten sich wegen Corona keine Sorgen.
«Wem sis Klima? Euses Klima!» Solche und ähnliche für die Klimaaktivisten typischen Schlachtrufe hörte man lange nicht mehr. Um niemanden zu gefährden, verzichteten die Organisatoren des «Friday For Future» während der Pandemie auf grosse Demonstrationen. Doch am Freitag hatte ihre Geduld ein Ende: «Wir haben schlichtweg keine Zeit mehr, mit sozialem und ambitioniertem Klimaschutz auf das Ende dieser Pandemie zu warten», begründete die Dachorganisation «Strike For Future» die potenzielle Grossveranstaltung.
Im Aargau gab es eine bewilligte Hauptdemonstration in Baden. Davor fanden mehrere lokale Kundgebungen statt. In Aarau, Lenzburg, Bremgarten und Brugg versammelten sich die Menschen für einen «Klima-Alarm»: Mit Pfannen und Löffeln machten die Aktivistinnen Lärm, um auf die herrschende Klimakrise aufmerksam zu machen. Die Organisatoren sprachen von über 100 Teilnehmenden.
In Aarau war die Anzahl Teilnehmer begrenzt, wirklich Stimmung wollte trotz Singen nicht aufkommen. Grund für den ausbleibenden Ansturm dürfte eine Mischung aus Pandemie und Regenwetter gewesen sein. Hinzu kam, dass die Gymischüler an diesem Tag ihre Abschlussprüfungen schrieben: «Streiken geht da schlecht», sagte eine Demonstrantin in Aarau. Die Organisatorin der Aktion in Aarau zeigte sich etwas enttäuscht: «Ich hatte mit mehr Menschen gerechnet. Offenbar gibt es doch ein paar Schönwetteraktivisten in der Bewegung.»
Nach der Kundgebung fuhren die Hartgesottenen mit dem Velo an die Demo in Baden. Durchringen konnten sich aber gerade einmal zehn Velofahrer.
Um 16 Uhr versammelten sich die Demonstranten auf dem unteren Bahnhofsplatz in Baden. Pünktlich zum Start begann es wieder zu regnen. Die Teilnehmerinnen waren vorbereitet: Mit Regenjacken, Pellerinen und mit Parolen bemalten Schirmen trotzten sie dem Wetter. Die Redner forderten den Klimanotstand in der Schweiz und Netto Null bis 2030. Neu mahnten sie die Teilnehmer aber auch, sich an die Masken- und Abstandsregeln zu halten. Im Vorfeld baten sie alle einen Schnelltest zu machen und bei Symptomen zu Hause zu bleiben.
Wenig überraschend trugen also alle eine Maske und standen in kleinen Grüppchen. Mussten sie abwägen, ob sie heute trotz Pandemie demonstrieren wollen? Die meisten verneinten: «Wir sind draussen und tragen eine Maske», sagte eine Teilnehmerin. Ausserdem habe sie gute Erfahrungen mit den Klimaaktivisten gemacht: «Sie nehmen die Pandemie ernst und wollen niemanden gefährden.»
Eine junge Frau sagte, sie habe gezögert heute zu kommen, weil ihre Mutter im Spital arbeitet: «Aber sie ist geimpft, und das Klima ist mir einfach sehr wichtig.» Und das Wetter? «Das ist der letzte Grund, weshalb wir heute nicht gekommen wären», sagte eine Demonstrantin.
Obwohl der Regen immer stärker wurde, zogen rund 250 Klimaaktivistinnen und -aktivisten durch Baden. Neben vielen Jugendlichen waren auch ältere Personen und Kinder dabei. Aus dem Megafon ertönten wieder die bekannten Rufe: «Ufe mitem Klima, abe mit dem CO2» oder «System Change, not Climate Change». Anders als am Mittag in Aarau war es laut und ausgelassen. Zu einem Gedränge kam es allerdings nie.
Anders als im Sommer der grossen Klimademos 2019 lief am Freitag wohl niemand aus blossem Spass mit. «Wir sind hier, um den Menschen zu zeigen, dass wir noch da sind und dass sich endlich etwas tun muss», sagte eine Teilnehmerin, «da hält uns auch der Regen nicht auf.»
Die Polizei ging im Vorfeld von 100 bis 200 Demonstranten aus und rechnete mit einer friedlichen Aktion. Dementsprechend hielt sie sich im Hintergrund. Fünf Polizisten begleiteten den Menschenzug durch Baden. Mechthild Mus vom «Klimastreik Aargau» zeigte sich nach der Demo zufrieden: Es war im Vorhinein sehr schwierig abzuschätzen, wie gross die Aktion wird. Wenn man bedenkt, dass wir eine Pandemie haben und das Wetter so schlecht ist, sind sehr viele Leute gekommen.»
Nach dem Umzug verschwanden die meisten Teilnehmenden schnell. Nur ein harter Kern blieb bis am Schluss, um dem Bühnenprogramm - eine Mischung aus Reden und Poetry Slam - zu horchen.