Neujahrskonzert
Argovia Philharmonic, ein grandioser Akkordeon-Solist und der neue Landammann starten in Wettingen zur grossen Musik-Weltreise

Der Himmel hing zwar nicht voller Geigen und auch nicht voller Kronleuchter, aber das traditionsreiche Neujahrskonzert ist – nach zwei Jahren im Exil in der St. Anton Kirche und letztes Jahr in Quarantäne – ins «Tägi» heimgekehrt.

Rosmarie Mehlin
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Argovia Philharmonic unter der Leitung von Marc Kissóczy (rechts) und mit Akkordeon-Solist Srdjan Vukasinovic begeisterte das Publikum.

Argovia Philharmonic unter der Leitung von Marc Kissóczy (rechts) und mit Akkordeon-Solist Srdjan Vukasinovic begeisterte das Publikum.

Alex Spichale

Die opulente Ausstattung des 2019 verstorbenen Wettinger Bühnenbildners mit Balustraden und Stoffblumen-Arrangements ist im jetzigen «Eventsaal» allerdings passé: Statt Lüster am verspiegelten Himmel erleuchten nun kalte Spots das Geschehen auf der Bühne. Im Saal strahlte über weissen, hellblauen, schwarzen Masken gar so manches Augenpaar, das einem mehr oder weniger bekannt vorkam: Traditionen wie das Neujahrskonzert – heuer in seiner 27. Auflage - schaffen nun mal Vertrautheit und Zuversicht. Solche wünscht sich Wettingens Gemeindeammann Roland Kuster, der im Grusswort zum «Halten wir uns doch ans Durchhalten» aufforderte.

Landammann Alex Hürzeler empfiehlt Alte Reithalle

Wie es die Tradition will, überbrachte der neue Landammann an seinem zweiten Tag im Amt die Wünsche und Grüsse der Aargauer Regierung. Freudig bemerkte Alex Hürzeler, dass er «diese ehr- und verantwortungsvolle und bereichernde, schöne Funktion bereits zum dritten Mal übernehmen» durfte. Als Vorsteher auch des Departements Kultur, empfahl er wärmstens den Besuch der rundum erneuerten Alten Reithalle in Aarau.

Der Aargauer Landammann und Kulturdirektor Alex Hürzeler bei seiner Grussbotschaft am Neujahrskonzert.

Der Aargauer Landammann und Kulturdirektor Alex Hürzeler bei seiner Grussbotschaft am Neujahrskonzert.

Alex Spichale

Sodann wies Hürzeler darauf hin, dass Museum Aargau ab diesem Jahr den operativen Betrieb und die Vermittlungstätigkeiten der Klosterhalbinsel Wettingen als neuen kulturtouristischer Ausflugs- und Veranstaltungsort verantwortet. «Ich freue mich auf dieses neue Ost-Aargauer Kulturerlebnis», so das Credo des Landammanns.

Argovia Philharmonic nimmt Publikum auf musikalische Weltreise mit

Eventsaal hin oder her – der traditionelle Blumenschmuck war üppig wie eh und je. Auch die Musiker des argovia philharmonic erschienen ganz traditionell in Frack, während die Musikerinnen – weniger traditionell - in Rot, Weiss, Altrosa, Orange gewandet, farblich den Rosen rund um die Bühne Konkurrenz zu machen schienen.

Dirigent Marc Kissóczy, der seit 1995 jeweils am 2. Jänner in Wettingen den Stab führt (mit einer unfallbedingten Ausnahme), hatte mit Solist Srdjan Vukasinovic eine kleine musikalische Weltreise mit Werken aus dem 19. und 20. Jahrhundert zusammengestellt. Sie führte von Tschechien und Russland über Deutschland, Italien, Österreich und Argentinien in die USA.

Mit Smetana und Rimski-Korsakow packten Dirigent und Orchester das Publikum gleich zu Anfang mit hohem Tempo und viel Temperament, was sich in einer Tarantella von Respighi sowie Filmmusik von George Antheil mitreissend fortsetzten, bis schliesslich Johann Strauss zum wohligen Mitsummen einlud.

Solist begeistert mit seinem speziellen Akkordeon

Als einer der weltweit führenden Akkordeonspieler brachte Vukasinovic eine bisher unbekannte Note ins Neujahrskonzert. Der 38-Jährige mit serbischen Wurzeln lebt seit 20 Jahren in der Schweiz und hat auf der Suche nach dem perfekten Klangkörper sein eigenes Akkordeon, das Carboneon, entwickelt.

Akkordeon-Solist Srdjan Vukasinovic mit seinem selbst entwickelten Instrument, dem Carboneon.

Akkordeon-Solist Srdjan Vukasinovic mit seinem selbst entwickelten Instrument, dem Carboneon.

Alex Spichale / AGR

Besonders gespannt durfte die Besucher auf sein Arrangement des dritten Satzes von Felix Mendelssohn Bartholdys Violinkonzert e-Moll sein. Die differenzierten, mal sehr sensiblen, mal tirilierenden Töne, mit denen das Akkordeon den Part der Solovioline übernahm, entpuppten sich als spannend, faszinierend und überzeugend.

Wie aufregend breit das Spektrum eines meisterlich gespielten Akkordeons ist, machte Vukasinovic mit einer Komposition des berühmten argentinischen Bandoneon-Spielers Astor Piazzolla (1921-1992) deutlich. Und mit dem «Blue Tango» Medley von Leroy Anderson (1908- 1975) haben Solist und Orchester in Hochform wohl beim Einen und der Anderen im Tägisaal die Lust geweckt, diesen Tanz, der wie kaum ein anderer Leidenschaft, Melancholie und Schmerz ausdrückt, zu beherrschen.