Sandra Lindenmann trainiert als Einzige in der Schweiz Assistenzhunde für Diabetiker. Morgen wird sie von der Diabetes-Gesellschaft in Bern für ihre Arbeit mit dem Förderpreis ausgezeichnet.
Sandra Lindenmann ist offensichtlich selber eine Hundenärrin: Es sind denn auch ihre Vierbeiner, der Golden Retriever Weyne und die Mischlingsdame Holly, die den Besucher als Erstes willkommen heissen. Kaum aus dem Auto gestiegen, speeden sie um die Hausecke, steigen am Neuankömmling hoch und wedeln freudig mit dem Schwanz.
Sandra Lindenmann bildet Assistenzhunde aus, die an Diabetes erkrankte Menschen in ihrem Alltag unterstützen. Über den «Prix Servier für herausragende Beratungsleistungen an Diabetesbetroffenen», der ihr morgen am Deutschschweizer Diabetikertag in Bern von der Schweizerischen Diabetes-Gesellschaft überreicht wird, sagt Lindenmann ganz bescheiden:
Wenn der Blutzucker bei Frauchen oder Herrchen absinkt, heisst es nur eines – rasch reagieren. Doch wie stellt der Hund diesen Akutfall fest? AssistenzhundeTrainerin Sandra Lindenmann erklärt: «Bei einer Unterzuckerung verändert sich die Ausdünstung des Menschen.» In der Schulung wird der Hund anhand getragener T-Shirts von Betroffenen auf diesen speziellen Geruch sensibilisiert.» Ebenso lernt er, auf Verhaltensveränderungen des Patienten zu achten. Der Assistenzhund sendet dann Signale aus, das kann ein lautes Bellen oder hartnäckiges Kratzen am Hosenbein sein. Ist der Betroffene nicht in der Lage zu reagieren und sich zu versorgen, so tut dies der Hund für ihn: Er holt Blutzuckermessgerät, Traubenzucker und die Notfallspritze. Der vierbeinige Assistent kann auch einen Licht- oder speziell installierten Notschalter drücken. Wirkt der Diabetiker verwirrt oder leidet er an Sehstörungen, kann ihn der Hund nach Hause führen. (ihk/str)
«Hunde sind sehr sensible Tiere und für diese Aufgabe bestens geeignet. Bis ein Vierbeiner die Symptome jedoch zuverlässig erkennt, dauert es durchschnittlich 1,5 Jahre», sagt Sandra Lindenmann. Für die Aufgabe eignen würden sich grundsätzlich viele Hunderassen. Das Tier muss folgende Eigenschaften mitbringen: menschenfreundlicher Charakter, ruhiges, ausgeglichenes Verhalten, Belastbarkeit und keine Schreckhaftigkeit.
In der Schweiz sind laut Auskunft der Schweizerischen Diabetes-Gesellschaft rund 22 000 Menschen an Diabetes erkrankt. Die Gesellschaft steht dem Ausbildungsangebot von Sandra Lindenmann positiv gegenüber. Sie sehe es als zusätzliche Option zum bestehenden Hilfsangebot für Diabetesbetroffene, sagt Manuel Fricker, Medienbeauftragter der Schweizerischen Diabetes-Gesellschaft in Baden.
«Ein Diabeteswarnhund kann insbesondere für Menschen, die mit einem grossen Risiko für eine Hypoglykämie leben und die gleichzeitig einen guten Draht zu Hunden haben, eine gewisse Sicherheit vermitteln und Stütze sein im Alltag»,
In der Schweiz lassen sich bisher 21 Diabeteserkrankte von einem solchen Assistenzhund begleiten. Tendenz steigend, wie Lindenmann feststellt. Als wichtige Voraussetzung für eine gute Zusammenarbeit sieht auch die Trainerin den Bezug des Menschen zum Vierbeiner.
«Die Chemie zwischen Mensch und Tier muss stimmen, sie müssen einander kennen, sonst wird der Hund im Notfall nie ‹angeben›.» Sandra Lindenmann ist es sogar am liebsten, «wenn ein künftiger Begleithund schon als Welpe in das Umfeld eines Diabetesbetroffenen kommt.»
Auf das Schulungsangebot für Diabeteswarnhunde kam Lindenmann per Zufall. Weder in ihrer Familie mit den erwachsenen Söhnen Christoph und Michael, Tochter Sarina und Pflegetochter Nathalie noch in der Verwandtschaft leidet jemand an Diabetes.
«Ich kam während der Ausbildung mit dem Assistenzhund für Autistenbegleitung für meine Tochter Sarina im deutschen Scheer mit diesen Warnhunden in Kontakt.» Sie war von Anfang an fasziniert von dieser Betreuungsform, das Thema hat sie nicht mehr losgelassen. Daraufhin hat Lindenmann die hierzulande bisher unbekannte Ausbildung mit Diabeteswarnhunden in die Schweiz gebracht.
Der Erfolg gibt ihr recht. Ihre Kurse für nächstes Jahr sind teilweise schon ausgebucht. Und für die Betreuung ihrer Klienten sitzt sie fast nonstop am Laptop, um E-Mails mit dringenden Beratungsfragen zu beantworten. Kurse im Tessin und in der Westschweiz sind am Entstehen.
Die Diabetes-Gesellschaft schätze das Engagement von Frau Lindenmann, sagt Manuel Fricker, deshalb werde sie am Samstag ausgezeichnet.
Die Fachstelle hält jedoch fest, dass ein Diabeteswarnhund die etablierten Behandlungsmethoden nicht ersetzen könne und auch keine Garantie bestehe, dass ein Patient im Notfall auch tatsächlich versorgt werde. Für Sandra Lindenmann ist die Trainingsarbeit mit den Hunden viel mehr als ein Hobby.
Der Fachfrau für Demente und Assistenzhundetrainerin gefällt die Verbindung zwischen dem medizinischen Aspekt und dem persönlichen Kontakt mit den Kursteilnehmern. Und vor allem dann, wenn ihr ein Kunde, dessen Frau an Diabetes erkrankt ist, sagt, dass er nun dank des Diabeteswarnhundes in der Familie wieder ruhiger schlafe, so freut sie das und sie weiss: Ich bin auf dem richtigen Weg.