Im nachhaltigen Quartier «Im Lenz» fehlen noch Ladestationen für Elektrofahrzeuge. Das findet ein Quartierbewohner nicht in Ordnung.
Mit einem sportlichen Auto durch die Gegend flitzen und sich den Wind durch die Haare wehen lassen. Wer dies in einem umweltfreundlichen Fahrzeug tut, braucht zudem kein schlechtes Gewissen gegenüber Natur und Klima zu haben.
Doch daraus wird für «Im Lenz»-Mieter Werner De Schepper vorerst nichts. Der Co-Chefredaktor der «Schweizer Illustrierten» ärgert sich, weil er das Angebot, ein sportliches Elektroauto zu testen, ausschlagen musste. Der Grund: Im neuen nachhaltigen Lenzburger Stadtteil gibt es keine Ladestationen für strombetriebene Autos, Mofas und Velos. Auf Anfrage habe ihm sein Vermieter, die Realit AG, mitgeteilt, es gebe «keine Elektro-Parkplätze» und vorerst seien auch keine vorgesehen.
Diese Antwort löste bei De Schepper Kopfschütteln aus. «Wieso?», fragt er sich. «Es kann ja nicht sein, dass man in einem Nachhaltigkeits-Vorzeige-Quartier kein Elektro-Auto aufladen kann», moniert er. Immerhin wurde hier nach neusten Standards gebaut, die höchsten ökologischen Kriterien entsprechen müssen.
Die 2000-Watt-Gesellschaft ist ein von der ETH Zürich entwickeltes energiepolitisches Modell, wonach jede Person mit dem durchschnittlichen Leistungsbedarf von 2000 Watt auskommen sollte. Dies entspricht einem umgerechneten Energiebedarf von 1700 Liter Heizöl oder Benzin pro Person und Jahr.
Der Wert wurde in der Schweiz letztmals 1960 erreicht und soll mit der propagierten «Energiewende» für Mitte des 21. Jahrhunderts angepeilt werden. Aktuell liegt die Durchschnittsleistung bei 6000 Watt. Fast parallel zur Reduktion der Durchschnittsleistung wird auch der Abbau des durchschnittlichen Kohlendioxid-Ausstosses auf höchstens eine Tonne pro Person und Jahr angesteuert.
Im nachhaltigen Quartier «Im Lenz» realisiert Totalunternehmer Losinger Marazzi AG rund 500 Wohnungen. Hinzu kommen 20 000 Quadratmeter Büro-, Gewerbe- und Verkaufsfläche mit rund 800 Arbeitsplätzen. Grünflächen, öffentliche Plätze und der Aabachpark ergänzen das Areal. (str)
Der «Im Lenz»-Mieter ist jedoch überzeugt, dass ursprünglich von Steckdosen für Elektrofahrzeuge die Rede gewesen sei. Umso mehr ist er über die Realit-Antwort aufgebracht. «Ich finde es sehr befremdlich, dass Parkplätze mit Ladestationen für zukunftsweisende Elektrofahrzeuge entgegen den ursprünglichen Versprechungen einfach fallengelassen oder auf die lange Bank geschoben werden.»
Bei der Energiestadt Lenzburg hat man keine Kenntnis davon. Man habe sich bei der Diskussion um das Mobilitätskonzept vor allem für das Mobility-Carsharing eingesetzt. Das sei auch wichtig. Stadtammann Daniel Mosimann betont jedoch: «Es würde einem 2000-Watt-Areal gut anstehen, wenn es Stromtankstellen hätte.»
Beim verantwortlichen Immobilienentwickler und Totalunternehmer Losinger Marazzi AG zeigt man Verständnis für De Scheppers Unmut. «Die Situation mag im Moment für den Herrn frustrierend sein.» Vieles sei im Moment noch am Entstehen, ein so grosses Quartier entstehe nicht in einem Tag, sagt Melanie Hediger, Mitarbeiterin Kommunikation.
Hediger unterstreicht jedoch, dass solche Ladestationen stets geplant waren. «Ladestationen für Elektro-Autos sind klar vorgesehen. Die Installationen sind bis Ende Jahr vorgesehen.» Die Offerten würden auf dem Tisch liegen, derzeit würden die Bedürfnisse der Bauherren und der unterschiedlichen Nutzungen der zwölf Baufelder koordiniert. Im Zusammenhang mit den Parkplätzen weist Hediger darauf hin, dass diese von 820 auf 800 reduziert worden sind.
In der Stadt Lenzburg gibt es bisher zwei Strom-Ladestationen. Eine Zapfsäule befindet sich an der Poststrasse beim KV-Schulhaus. Ein zweite ist bei der ABB Semiconductors im Industriegebiet aufgestellt.