Am ersten Prozesstage zum Vierfachmord Rupperswil werden zwei Gutachter befragt. Bislang wurde offiziell nicht bestätigt, wie viele psychiatrische Begutachtungen in Auftrag gegeben worden sind. Die Frage ist zentral, weil für eine lebenslange Verwahrung mindestens zwei Fachpersonen zum Schluss kommen müssen, dass der Beschuldigte nicht therapierbar sei.
Der Prozess gegen Thomas N. beginnt am 13. März um 8.15 Uhr. Während vier Tagen wird sich der geständige Mörder vor Gericht für seine Taten verantworten müssen. Am 21. Dezember 2015 ermordete der damals 33-Jährige in Rupperswil Carla Schauer, ihre beiden Söhne (†13) und (†19) sowie die Freundin (†21) des älteren. Davor hatte er die Opfer in seine Gewalt gebracht, von der Mutter Geld erpresst und sich sexuell am jüngeren Sohn vergangen. Nach der grausamen Tat legte er Feuer und entkam unerkannt aus dem Haus. Fünf Monate später wurde Thomas N. in Aarau verhaftet. Die Tatwaffe wurde nie gefunden; nach eigenen Aussagen entsorgte er das Küchenmesser in einem öffentlichen Abfalleimer.
Nun geben die Aargauer Behörden in einer Mitteilung weitere Einzelheiten zur Gerichtsverhandlung bekannt. Am ersten von vier Prozesstagen werden demnach zwei Gutachter befragt. Bislang wurde von offizieller Seite nie bestätigt, dass zwei Fachpersonen den Beschuldigten psychiatrisch begutachtet haben. Die Staatsanwaltschaft wird ihren Strafantrag für Thomas N. zwar erst am Prozess bekannt geben. Doch weil es zwei Gutachten gibt, dürfte sie eine lebenslange Verwahrung fordern. Dies ist nur möglich, wenn zwei erfahrene und voneinander unabhängige Experten zum Schluss kommen, dass der Beschuldigte nicht therapierbar sei.
So sieht es die Bundesverfassung vor, nachdem 2004 die Mehrheit der Stimmberechtigten die Verwahrungsinitiative angenommen hatte. Sexual- oder Gewaltstraftäter, die als extrem gefährlich und nicht therapierbar eingestuft werden, sollen bis ans Lebensende verwahrt werden. Eine Neubeurteilung ist nur dann möglich, wenn neue wissenschaftliche Erkenntnisse ergeben, dass der Täter geheilt werden kann und keine Gefahr mehr für die Öffentlichkeit darstellt. Und: Sollte die Verwahrung aufgehoben werden, müssen die Behörden die Verantwortung für einen allfälligen Rückfall übernehmen. Allerdings hat das Bundesgericht bislang jede lebenslange Verwahrung aufgehoben, die angefochten wurde.
Der Vierfachmord in Rupperswil sorgte international für Schlagzeilen, entsprechend gross ist das öffentliche Interesse am Prozess. Weil der Gerichtssaal in Lenzburg viel zu klein ist, findet die Verhandlung bei der Mobilen Polizei in Schafisheim statt. Doch auch der dortige Theoriesaal dürfte angesichts des riesigen Interesses platzmässig an seine Grenzen stossen.
Wer an der Verhandlung teilnehmen will, muss sich anmelden. «Da die Platzverhältnisse beschränkt sind, ist es möglich, dass nicht alle Personen, die sich anmelden, teilnehmen können», heisst es in der Mitteilung der Gerichte des Kantons Aargau. Auf Nachfrage erklärt Mediensprecherin Nicole Payllier: «Es handelt sich um den grössten Saal im Kanton Aargau, der die Anforderungen erfüllt.» Primär müssten die Sicherheit und der geordnete Ablauf der Verhandlung gewährleistet sein. Zudem müsse der Saal über die nötige Infrastruktur verfügen – eine Turnhalle beispielsweise könnte diese Kriterien nicht erfüllen. Geprüft worden seien auch andere Standorte, sagt Payllier. Unter anderem das Kantonale Zivilschutzausbildungszentrum in Eiken und der Gemeindesaal in Untersiggenthal, wo vor sechs Jahren der Mordprozess im Fall Lucie stattfand. Doch letztlich fiel die Wahl auf den Standort der Mobilen Polizei in Schafisheim – auch, weil die Aargauer Behörden damit gute Erfahrungen gemacht haben. Hier traten Vertreter von Staatsanwaltschaft und Polizei im Mai 2016 an die Öffentlichkeit und verkündeten: «Der Täter ist gefasst.» Und im gleichen Saal fand im Dezember 2014 der Prozess im Mordfall Gränichen statt, der auf grosses Publikums- und Medieninteresse stiess.
Damals durften sämtliche Besucher den Saal nur durch eine Sicherheitsschleuse betreten; zwei Polizisten wichen dem an Händen und Füssen gefesselten Beschuldigten nicht von der Seite. Welche Sicherheitsmassnahmen für den bevorstehenden Prozess ergriffen werden, verrät Nicole Payllier nicht. Sie sagt lediglich: «Es wird ein Sicherheitsdispositiv geben.» Offen bleibt auch die Frage nach den Namen der Richter. Die Besetzung des Gerichts werde praxisgemäss im Voraus nicht öffentlich bekannt gegeben, sagt Payllier. «Die Gründe hierfür liegen in der erforderlichen Unbefangenheit und Unabhängigkeit der Richter.»
Das Bezirksgericht wird über eine lange Liste von Anklagepunkten zu entscheiden haben, welche die Staatsanwaltschaft Thomas N. vorwirft: mehrfacher Mord, mehrfache räuberische Erpressung, mehrfache Freiheitsberaubung, mehrfache Geiselnahme, mehrfache sexuelle Handlungen mit einem Kind, mehrfache sexuelle Nötigung, Brandstiftung sowie mehrfache strafbare Vorbereitungshandlungen. Die Verfahrensakten füllen 88 Bundesordner. Wann die Prozesstage jeweils enden werden, ist offen – die Dauer richte sich nach dem konkreten Zeitbedarf, teilen die Gerichte Aargau mit.