Die ehemalige Beyeler-Filialleiterin Barbara Wittwer hat ein Modegeschäft eröffnet – ausgerechnet in jenen Räumen, in denen schon Beyeler vor bald 100 Jahren den ersten Laden aufmachte.
Es ist eher selten, dass die Schliessung eines Kleidergeschäfts derart hohe Wellen schlägt, wie das Ende von Beyeler Moden im Lenzopark im Juni. Über Jahrzehnte hinweg war Beyeler bekannt gewesen als der Brand für Mode für die mollige Frau.
«Das Bedauern war bei vielen Kunden gross, als sie von der Ladenaufgabe erfuhren», erinnert sich die langjährige Beyeler-Geschäftsführerin Barbara Wittwer. «Es ist der persönliche Kontakt, das Vertrautsein miteinander und das Angebot, das sich mehr nach der Nachfrage gerichtet, denn jeder Modeströmung unterworfen hat, das von den Stammkundinnen so geschätzt wurde.»
In Wittwer ist deshalb schnell einmal der Entschluss gereift, in die Bresche zu springen und ein eigenes Geschäft mit Damenmode für genau dieses Zielpublikum zu eröffnen. Dass sich dieses an der Augustin-Keller-Strasse nun exakt in jenen Räumen befindet, in denen schon der Beyeler-Gründer einst den ersten Laden eröffnet hatte, ist wohl als Ironie des Schicksals zu bezeichnen.
Oder ist es doch nicht ganz so zufällig? Barbara Wittwer meint: «Ich bin auf dieses leere Lokal aufmerksam gemacht worden und habe mich bei der Verwaltung näher informieren lassen. Dann hat mich die Hauseigentümerin kontaktiert, als sie davon erfuhr, und mir die Geschichte erzählt.» Dieser historische Hintergrund hat den Weg für den definitiven Entschluss Wittwers geebnet.
Denn eigentlich hatte die gut fünfzigjährige Modefachfrau ganz andere Pläne, wollte beruflich in einigen Jahren etwas kürzer treten. Eine Weltreise mit einem umgebauten Lastwagen hatten sie und ihr Partner vor.
Doch dieses Vorhaben ist jetzt aufgeschoben. «Das gesparte Geld habe ich nun in dieses Geschäft investiert», sagt Barbara Wittwer und blickt sich im kürzlich eingerichteten Laden um.
Sie musste vollumfänglich auf eigene finanzielle Mittel zurückgreifen, nachdem die Banken ihr die Unterstützung versagten. «Man hat mir gesagt, ich könne dann wieder kommen, wenn das Geschäft laufe», sagt Wittwer und schüttelt verständnislos den Kopf.
Die Jungunternehmerin hofft nun, dass sich ihr Wagemut bezahlt macht, und viele ehemalige Kundinnen den Weg ins Modehuus B, nicht weit vom früheren Beyeler-Standort entfernt, finden werden. Jedes Mal, wenn ein vertrautes Gesicht in der Ladentür erscheine, werde sie in ihrem gemachten Entscheid bestärkt, sagt sie.
Zu den vertrauten Gesichtern gehören Gaby Rümbeli und ihre Mutter Martha Fischer aus Bremgarten. Seit Jahren schon fahren die Frauen regelmässig ins Modegeschäft nach Lenzburg. Fischers Erklärung: «Man hat immer etwas zum Anziehen gefunden, passend für das Alter und für jeden Anlass.»
Noch vor Jahren hatte Barbara Wittwer, damals als Filialleiterin, das Zwei-Generationen-Konzept eingeführt und das Angebot mit jüngerer Damenmode ergänzt. Seither ist Gaby Rümbeli nicht mehr einfach Mutters Chauffeuse, sondern stöbert selber in den Kleiderständern. Hingegen sucht man Herrenmode und auch Schuhe vergebens im neuen Geschäft.
Schuhe verkauft die ebenfalls kürzlich aufgegangene Schuhmode Donau an der Aarauerstrasse. Allerdings führt Barbara Wittwer eine weitere Beyeler-Tradition weiter. Durch eine Wand vom Laden abgetrennt hat sie ein kleines lauschiges Café eingerichtet. Hier darf auch Kaffee trinken und Zeitung lesen, wer nicht auf der Suche nach Bluse oder Hose ist.