In den Seetaler Gemeinden im Aargau gibt es rund um Neujahr viele Bräuche. Viele davon können leider auch dieses Jahr nicht stattfinden oder nur im kleinen Rahmen.
In Fahrwangen und Meisterschwanden übernehmen rund um den zweiten Sonntag im Januar die Frauen für drei Tage die Herrschaft, in Hallwil ziehen am 2. Januar die Bärzeli mit ihren Kostümen durchs Dorf und in Seon trifft man sich am 31. Dezember, um mit Pfannendeckel das alte Jahr zu verjagen. Die Aargauer Gemeinden im Seetal haben die verschiedensten Bräuche zu bieten, einige werden gross zelebriert, andere finden, wie beispielsweise in Seon, im kleinen Rahmen in den frühen Morgenstunden statt. Auch in diesem Jahr werden viele der altehrwürdigen Traditionen in den Gemeinden nicht stattfinden können oder nur im kleinen Rahmen.
Manch einer dürfte sich wundern, wenn er in Seon am letzten Tag des alten Jahres erwacht und in den frühen Morgenstunden Lärm im Dorf hört. Doch das Schlagen der Pfannendeckel hat in der Gemeinde Tradition. Jedes Jahr stehlen sich einige Seenerinnen und Seener in den frühen Morgenstunden aus ihren Betten, um sich dann mit Pfannendeckeln im Dorf zu treffen. Das «Pfannedeckle» hat im Dorf Tradition und soll dazu dienen, das alte Jahr zu verjagen. Anschliessend trifft man sich zum gemeinsamen Frühstück.
Dieser Brauch ist für dieses Jahr ersatzlos gestrichen, wie der Verantwortliche Dominique Hauller erklärt: «Wir haben uns entschieden, das Pfannedeckle abzusagen.» Man habe das mit dem Gemeinderat abgesprochen und alle seien zum Schluss gekommen, dass die Situation im Moment einen derartigen Anlass nicht erlaube. Hauller: «Mit dem beinahe schon allgegenwärtigen Virus muss man nicht unbedingt noch etwas erzwingen. Dafür ist die Vorfreude auf nächstes Jahr schon da.»
Das Brauchtum in Hallwil wird seit vielen Jahren gepflegt und ist weit über die Gemeindegrenzen hinaus bekannt. Kein Wunder bei den imposanten Kostümen, welche die 15 maskierten jungen Männer tragen und jeweils am 2. Januar des neuen Jahres im Dorf präsentieren. Stächpaumig, Tannreesig, Straumaa und Hobuspöönig haben aufwendige und tagelange Vorarbeiten hinter sich. Am Nachmittag stürmen die Männer laut lärmend auf einer vorbestimmen Route durchs Dorf und wünschen den Anwesenden ein gutes neues Jahr. Eine Umarmung oder ein Schlag mit der Schweineblase soll dabei Glück bringen.
Heuer wurde das Brauchtum (wie auch das Chlausjagen) aber abgesagt, wie die (noch bis Ende Jahr) zuständige Gemeinderätin Susanne Stumpf auf Anfrage erklärt: «Die Arbeiten an den aufwendigen Kostümen, wie zum Beispiel dem Hobuspöönigen, beginnen jeweils schon im Oktober.» Dieses Jahr sei es zu unsicher gewesen, so Stumpf: «Natürlich hätte man den Anlass den Umständen entsprechend durchführen können, als Umzug und mit Absperrungen zum Beispiel, aber das wollten wir nicht.» So gehöre beispielsweise eine Umarmung vom Stächpaumigen einfach zum neuen Jahr dazu, deshalb habe man sich entschieden, mit den Bärzeli und den Chläusen ein weiteres Jahr zuzuwarten. In diesem Jahr finden drei der fünf Mittwinterbräuche statt; das Chlauswettchlöpfe hat bereits stattgefunden.
Am kommenden Wochenende gehen die Haubuer Wiehnechts-Chindli um und singen Weihnachtslieder. Und das in diesem Jahr nicht nur vor dem Haus auf Anmeldung, sondern auch öffentlich vor Publikum: am Freitag um 16.30 Uhr im Rüchlig und um 17.00 Uhr in der Delle 340; am Samstag um 16.00 Uhr vor dem Schulhaus und um 16.30 Uhr im Grossacker. Am 31. Dezember findet schliesslich das Silväschtertrösche mit dem Silväschterfüür statt. Beim grossen Silvesterfeuer auf dem Bruderhübel treffen sich die Einwohnerinnen und Einwohner von Hallwil und schauen den Dreschern zu, wie sie auf einem langen Holzbrett das alte Jahr aus- und das neue Jahr eindreschen. Dabei wünschen sie sich ein gutes, gesundes neues Jahr.
Während in Seon das alte Jahr schon in den frühen Morgenstunden verabschiedet wird, lässt man sich in Seengen bis kurz vor Mitternacht Zeit. Seit Generationen marschieren die Schulkinder mit Kuhglocken durch die nächtlichen Strassen. Zuerst läuten aber die Kirchenglocken, jeweils 30 Minuten vor Mitternacht, um das alte Jahr ausgiebig auszuläuten. Eine Viertelstunde bevor das alte Jahr zu Ende ist, marschieren die Kinder mit ihren auf Hochglanz polierten Kuhglocken durchs Dorf. Um Mitternacht läuten die Kirchenglocken und 15 Minuten später wieder die Kinder.
Doch auch diesem Anlass macht die Coronapandemie einen Strich durch die Rechnung, wie Urban Stadlin, Präsident des für das Brauchtum verantwortlichen Feuerwehrvereins Seengen, erklärt: «An unserem Umzug nehmen im Schnitt um die 40 Kinder teil, dazu noch viele weitere Erwachsene.» Das könnte man während einer Pandemie nicht verantworten, und ausserdem habe die Gemeinde ihren Mitternachtsumtrunk in der Silvesternacht ja auch abgesagt. Deshalb finde in diesem Jahr kein Umzug statt.
Auf die Glocken muss die Seenger Bevölkerung dennoch nicht verzichten, der Feuerwehrverein hat heuer dasselbe Prozedere wie letztes Jahr gewählt: «Wir starten um 23.30 Uhr, jeder und jede bei sich daheim. Alle nehmen ihre Glocken, stehen vors Haus und läuten bis 23.45 Uhr», so Stadlin. Letztes Jahr habe sich gezeigt, dass bei dem Schauspiel auch viele ältere Bewohnerinnen und Bewohner des Dorfes mitmachten, weshalb das Geläute durch das ganze Dorf zu hören sei.
Wie viele Brauchtümer liegen auch die Meitlitage einem historischen Ereignis zugrunde. Laut mündlichen Überlieferungen geht der Brauch auf den Zweiten Villmergerkrieg 1712 zurück. Die Frauen sollen mit ihrem Erscheinen den reformierten Bernern zum Sieg verholfen haben, diese haben ihnen dann zum Dank drei eigene Tage geschenkt, an denen sie über die Männer regieren dürfen. Die Frauen herrschen jeweils am Meitlidonnerstag, dem Meitlisamstag und dem Meitlisonntag.
Der wohl berühmteste Teil der Frauenherrschaft dürfte der Männerfang sein. So schwärmen die Frauen jeweils am Donnerstagabend, gekleidet in schönen schwarzen Roben und mit elegantem Hut, in die Restaurants aus und offerieren den anwesenden Männern ein Glas Wein. Danach wird getanzt, aufgefordert wird nur von den Frauen. Währenddessen tuscheln und ratschlagen sie, welcher Mann gefangen werden soll, der Auserwählte landet dann im eigens mitgebrachten Grasbogen und wird von den Frauen zum nächsten Restaurant getragen, dort kann er sich mit einem Umtrunk freikaufen.
Nicht so in diesem Jahr, wie Delphine Schmitt, Präsidentin der Meitlisonntag-Vereinigung, auf Anfrage erklärt: «Erst haben wir alles organisiert, um wenigstens einen der ursprünglich drei Abende durchzuführen.» Dann hätten sich die drei Tage auf den Donnerstagabend, den Tanzabend, konzentriert. Ohne Grasbogen und ohne Restaurants, das wäre aufgrund der Pandemie nicht zumutbar gewesen, so Schmitt. Stattdessen hätten die Fahrwanger ihn in ihrer Mehrzweckhalle durchgeführt und die Meisterschwander in der ihren, in Zusammenarbeit mit der Schifffahrtsgesellschaft Meisterschwanden und dem Damenturnverein Fahrwangen. Und dann kam es noch einmal anders: «Aufgrund der letzten Anordnung des Bundesrats ist auch der Meitlidonnerstag in der neu geplanten Version nicht durchführbar.»
Deshalb haben sich die Vereinigungen ein pandemiefestes Minimalprogramm überlegt, wie Schmitt ausführt: «Das Ein- und das Austrommeln wird stattfinden.» So heissen die beiden Zeremonien, bei denen die Frauen in Fahrwangen und Meisterschwanden unter Trommelgewirbel am Freitag die Regentschaft überreicht bekommen respektive diese am Sonntag wieder zurückgeben.