Seon
Schwanzprämie gestrichen – Mausjäger sucht neues Hobby

Die Gemeinde bezahlt aus Spargründen ab diesem Jahr keine Entschädigungen mehr für getötete Mäuse. Für Mäusefänger Paul Eichenberger geht eine Ära zu Ende.

Fritz Thut
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Der ehemalige Seoner Feldmauser Paul Eichenberger mit nicht mehr benötigten Fallen und weiteren Utensilien.

Der ehemalige Seoner Feldmauser Paul Eichenberger mit nicht mehr benötigten Fallen und weiteren Utensilien.

Fritz Thut

Rund 750 Mäuse hat Paul Eichenberger im letzten Jahr gefangen. Der pensionierte Strassenarbeiter hat den Nagern mit dem Seitenschneider fein säuberlich die Schwänze abgeschnitten und diese auf dem Seoner Bauamt abgegeben.

Das Hobby in der freien Natur ergab einen Zustupf. Zwei Franken pro Schwanz erhielten die Seoner Mäusejäger. Doch damit ist es nun vorbei. «Im Rahmen der Sparmassnahmen hat der Gemeinderat beschlossen, diese Entschädigung nicht zu gewähren», heisst es in einer Mitteilung von Anfang Jahr.

«Keine Gemeindeaufgabe»

Die bald 5000 Einwohner umfassende Gemeinde kann mit der Streichung der Mäuseschwanzprämie, die im letzten Jahr gesamthaft 2104 Franken ausmachte, ihren 16-Millionen-Franken-Haushalt nicht sanieren. Dazu reicht auch der in diesem Jahr ebenfalls nicht mehr ausgeschüttete Beitrag an die örtliche Viehversicherungskasse (bisher rund 8000 Franken) nicht aus.

«Fünfmal ein paar tausend Franken macht letztlich etwas aus», verteidigt die für die Landwirtschaft zuständige Gemeinderätin Andrea Hollinger diese Sparmassnahmen. Bei der Budgetberatung habe man «rigoros zusammenstreichen müssen». Schwerpunktmässig habe man dort gespart, wo Posten betroffen seien, die nicht per Gesetz eine Gemeindeaufgabe darstellen. Dazu gehöre auch der Mäusefang.

Der Grundsatz, wonach auch beim Budgetieren einer Gemeinderechnung viel Kleinvieh Mist gibt, kommt natürlich bei den direkt Betroffenen nicht gut an. Feldmauser Paul Eichenberger nimmt die Streichung der Schwanzprämie gegen aussen relativ gelassen hin, verzichtet künftig auf den Mausfang, ärgert sich aber darüber, dass er darüber nicht direkt informiert worden ist: «Man hätte uns etwas über diesen geplanten Schritt sagen können.»

Eichenberger kann sich noch an die Zeit erinnern, als es in Seon eine Mäusekommission gab. «Wegen dem angeblich zu hohen Sitzungsgeld wurde diese Organisation vor einiger Zeit abgeschafft und wir hatten neu das Bauamt als Kontaktstelle.»

50 Fallen zu verkaufen

Paul Eichenberger bestritt sein Hobby mit viel Herzblut – seit der Schulzeit. Die gezielte Dezimierung von Feldmäusen verstand er über ein halbes Jahrhundert hinweg als Dienst an der Landwirtschaft, deren Erträge durch die Nager teilweise massiv reduziert werden. Die natürlichen Feinde der Mäuse, etwa Raub- oder Greifvögel, werden immer seltener. Für die nun raren fliegenden Mäusefeinde liess Eichenberger die schwanzlosen Mäusekadaver am Feldrand liegen: «Am nächsten Tag waren immer alle weg.»

Das intensive Befassen mit dem Mäusefang hat viele positive Seiten: «Man ist draussen in der Natur und macht dabei Kilometer», schildert Eichenberger die gesunden Aspekte des Mausefangs. Am Morgen werden die Fallen in den Mauslöchern ausgelegt. Am Abend werden sie demontiert und im Idealfall die gefangenen Mäuse entnommen.

Verglichen mit den früheren Metallscheren sind die aktuellen Mausefallen richtige Hightech-Produkte, die auch den Tierschutzrichtlinien entsprechen; «Rascher Tod der Mäuse (Genickbruch)» wird als Verkaufsargument für das Topmodell mit dem sinnigen Namen «topcat» gebraucht.

«In den letzten Jahren habe ich für etwa 2000 Franken neue Fallen gekauft», blickt Paul Eichenberger auf eine aus heutiger Sicht klassische Fehlinvestition zurück. Nun hat er 50 Fallen, 30 teurere aus Metall, 20 etwas billigere aus Kunststoff, daheim im Keller und sucht nun wohl oder übel Käufer dafür.

«Ich schmeisse den Bettel hin.» Dies war der erste Gedanke als er im Bezirks-Anzeiger vom Entscheid des Gemeinderates las. Der spontane Entschluss wird nun umgesetzt.

Besser als Gameboy

Es bleiben Erinnerungen. Seinen Enkel Adrian konnte Eichenberger ebenfalls für den Mäusefang begeistern. Ein Porträt in der Aargauer Zeitung im Jahr 2007 zeigt die beiden auf freiem Feld: «Er hat sich mit dem Mausen sein erstes Auto verdient», blickt der Grossvater zurück.

«Das Mausen täte noch vielen Kindern gut und wäre sicher sinnvoller, als mit dem Gameboy beim Bahnhof herumzuhängen», bedauert ein Seoner Landwirt die Einstellung der Mäusefang-Entschädigung durch seine Wohngemeinde.

Und was macht Paul Eichenberger mit der gewonnenen Freizeit? «Ich gehe nun noch mehr Velofahren.» Wieder Bewegung an der frischen Luft.