Pandemie
Präsident des Gewerbevereins Lenzburg fordert: «Weniger ennet der Grenze einkaufen»

Der Stimmungswandel bezüglich der Pandemie ist auch Erich Renfer nicht entgangen. Er ruft zu mehr Solidarität der Konsumenten auf. Sie hätten es in der Hand, die Auswirkungen von Corona regional etwas aufzufangen.

Ruth Steiner
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Gewerbevereinspräsident Erich Renfer ruft Konsumenten auf, antizyklisch zu handeln.

Gewerbevereinspräsident Erich Renfer ruft Konsumenten auf, antizyklisch zu handeln.

Britta Gut

Während im Frühling beim Lockdown eine Welle der Solidarität durchs Volk ging, sind die Reaktionen auf die jüngsten Verordnungen anders: Frust, Ärger, Ohnmacht macht sich breit. Der Begriff Coronablues macht die Runde.

Auch das Gewerbe klagt. Beizer müssen sich mit den bedingt durch Corona-Schutzmassen begrenzten Sitzplätzen im Restaurant begnügen. Dabei hatten ihnen die warmen Temperaturen während des Sommers gut besuchte Gartenrestaurants und Terrassen beschert und sie wieder etwas optimistischer gestimmt gehabt.

Der Stimmungswandel ist auch Erich Renfer, dem Präsidenten des Gewerbevereins Lenzburg und Umgebung nicht entgangen. «Die Bevölkerung ist in eine Lethargie verfallen. Das ist absolut das Dümmste, das passieren kann. Angst ist ein schlechter Ratgeber», sagt er. Dabei wäre bei den Konsumenten jetzt antizyklisches Verhalten angesagt. «Wenn jemand beispielsweise sein Wohnzimmer neu malen lassen will, soll er es doch jetzt machen.» Er bedauert, dass derartige Projekte derzeit lieber aufgeschoben werden.

Auch an kleinen Betrieben hängen Arbeitsplätze

Renfer vertritt rund 330 Mitglieder des Gewerbevereins Lenzburg und Umgebung. Zur Coronasituation im Kanton sagt er: «Wir haben derzeit nicht so wahnsinnig restriktive Massnahmen im Aargau.» Was jedoch in den umliegenden Kantonen abgehe, das sei «weltfremd und schiesst über das Ziel hinaus».

Von seinen Mitgliedern weiss er, dass der Bausektor und die Industrie von der Pandemie weniger betroffen sind als andere Branchen. So wird beispielsweise in der Lenzburger Altstadt im Frühling ein Laden geschlossen. Das Weiterführen des Geschäfts mache unter diesen Voraussetzungen keinen Sinn mehr, habe der Geschenkladen Arte Vetro angekündigt. Mit der Geschäftsaufgabe erfolgt die Kündigung der Mitgliedschaft im Gewerbeverein Lenzburg und Umgebung. Der jüngste Austritt sei nicht der einzige krisenbedingte. In der Regel gehe es um kleine Betriebe. «Wobei», relativiert Renfer, «unabhängig der Betriebsgrösse geht es immer um die Arbeitsplätze.»

«Kaum jemand spricht darüber»

Welche Unterstützung lässt Gewerbeverein seinen Mitgliedern in der Krise zukommen? «Wir haben Mitglieder, die in den vergangenen Monaten um Hilfe ersucht haben, vor allem mit Informationen unterstützt.» Der Aargauische Gewerbeverband, dem jedes Regional-Mitglied ebenfalls angehöre, habe viel Aufklärungsarbeit geleistet und Unterstützung geboten im Zusammenhang mit der Coronakreditbeschaffung. Wie weit die Kreditangebote der öffentlichen Hand genutzt werden von den Mitgliedern des Gewerbevereins, kann der Präsident nicht abschätzen. «Kaum jemand spricht darüber. Niemand will sich eine Blösse geben», mutmasst er.

Materiell unterstützt der Gewerbeverein seine Mitglieder, indem er für rund 50'000 Franken Aufträge platziert und Dienstleistungen bezieht. Das werde seit Jahren schon so gehandhabt und nicht erst in der Krise, erklärt Renfer. In diesem Jahr legt der Gewerbeverein seinen Mitgliedern zusätzlich ein kleines Geschenk unter den Weihnachtsbaum. «Jedes Mitglied erhält vom Gewerbeverein einen Gutschein für zwanzig Franken, der in einem Restaurant, das dem Gewerbeverein angehört, eingelöst werden kann.» Gleichzeitig, so Renfer, wolle der Gewerbeverein damit regional ein Zeichen setzen für die arg gebeutelten Restaurateure.

Solidarität vom Lockdown im Frühling ist weg

Gleichzeitig möchte der Präsident von der Bevölkerung mehr Solidarität gegenüber dem regionalen Gewerbe spüren. Die Konsumenten hätten es in der Hand, die Auswirkungen von Corona regional etwas aufzufangen. «Mehr hierzulande einkaufen und weniger über die Grenze nach Deutschland fahren und ennet der Grenze posten», appelliert er an die Konsumenten. Während des Lockdowns im Frühling habe es bestens funktioniert. Die Hofläden beispielsweise, hätten einen wahren Boom erlebt. «Doch so wie es aussieht, war das nichts weiter als Strohfeuer», blickt Renfer zurück. Kaum seien die Grenzen wieder offen, locke das nahe Deutschland mit seinen günstigen Einkaufsmöglichkeiten.

Gewerbevereinspräsident gibt sich optimistisch

In nächsten Jahr feiert der Gewerbeverein Lenzburg und Umgebung sein 125-jähriges Jubiläum, das Fest sollte am 5. Juni über die Bühne gehen. Zuvor im Februar ist die Generalversammlung terminiert. «Ein wichtiger Netzwerkanlass», wie Renfer betont. «Alles ist organisiert.» Der aktuellen Krise zum Trotz gibt der umtriebige Gewerbevereinspräsident sich optimistisch für die nähere Zukunft. «Die nun in Aussicht gestellt Impfung gegen Covid gibt Anlass zu Hoffnung und Auftrieb.»