Lenzburg
Neuer Name: Chrischona will weg vom Sektenimage

Die Freikirche Chrischona tauft sich in Lenzokirche um. Der neue Name soll Transparenz, Offenheit und einen regionalen Bezug in den Vordergrund rücken – und das dubiose Image vergessen machen.

Michael Küng
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Diese Woche wird das neue Logo montiert: Pastor Beni Leuenberger.

Diese Woche wird das neue Logo montiert: Pastor Beni Leuenberger.

Michael Küng

Auf die Frage, wie das Gebäude der Chrischona Lenzburg bezeichnet wird, stockt Pastor Beni Leuenberger. «Auf Google heisst es Gemeindezentrum. Aber Kirche geht wohl auch.» Die Kirche ist ein altes Fabrikgebäude beim Langsamstig. Die Fassade prägen graue Eternitplatten, die in blaue Abdeckungen gehüllte Stützsäulen unterbrechen. Die Fenster zieren Scherenschnitte. Seit 2011 beherbergt es die Freikirche Chrischona Lenzburg. Ab kommendem Sonntag heisst sie Lenzokirche, das «Chrischona» fällt weg. «Zurzeit taufen sich viele Chrischona-Kirchen um, auch hier in der Region», sagt Pastor Beni Leuenberger (30).

So hat sich die Chrischona Seon bereits 2007 in Seetal Chile umbenannt. «Die Umbenennung bei uns in Lenzburg war ein langer Prozess. Fest stand für uns, dass wir mit dem neuen Namen ein transparentes und modernes Bild vermitteln wollen», sagt Beni Leuenberger. «Das Label Chrischona Lenzburg kennen nicht alle, auf viele wirkt es dubios», sagt er.

So sieht das neue Logo der Chrischona Lenzburg aus.

So sieht das neue Logo der Chrischona Lenzburg aus.

zvg

Einkaufszentrum als Inspiration

«Wir wollten weg vom Sektenimage», betont Leuenberger. Wichtig war deshalb, dass der neue Namen Transparenz, Offenheit und einen regionalen Bezug vermittelt. «Schliesslich haben wir uns auch vom nahen Shoppingcenter Lenzopark und dessen regionaler Ausstrahlung inspirieren lassen», sagt Leuenberger. So wird aus der Chrischona Lenzburg nun die Lenzokirche. «Natürlich ist Chrischona Schweiz etwas enttäuscht, dass der Name verschwindet. Aber sie unterstützt die Modernisierung der einzelnen Kirchen, auch beim Namen». Als Kompromiss werde die Lenzokirche den Schriftzug «Chrischona Lenzburg» deshalb klein gedruckt unter dem neuen Logo weiterführen.

In Afrika aufgewachsen

Der erst 30-jährige Leuenberger hat einen weiten Weg hinter sich. Geboren wurde er in Dschibuti am Horn von Afrika, einem Land mit etwas mehr Einwohnern als der Kanton Aargau. 90 Prozent der Fläche sind Wüste und Ödnis, etwa die Hälfte der Bevölkerung lebt unter der Armutsgrenze. Seine Eltern leisteten dort Entwicklungsarbeit in einem Gartenprojekt. Als er neun Jahre alt war, beschlossen seine Eltern, in die Schweiz zurückzukommen. Sein Vater wollte Pastor werden. Da er keine Matura hatte, war er auf private Lehrgänge angewiesen, und so landete er bei dem theologischen Seminar St. Chrischona bei Basel. Nach der Ausbildung konnte er die Kirchgemeinde in Lenzburg 1999 übernehmen. Bis 2013 führte er sie als Pastor. Dann lockte wieder das ferne Afrika.

Wie der Vater, so der Sohn

Beni Leuenberger ging davon aus, dass er Lenzburg ebenfalls verlassen würde. Er hatte mittlerweile einen Bachelor, an der Uni Zürich hat er Erziehungswissenschaften, Ethnologie und Islamwissenschaften studiert und liess sich gerade selber zum Pfarrer ausbilden. Zu seiner Überraschung fragte ihn die Leitung der Chrischona Lenzburg, ob er in die Fussstapfen seines Vaters treten und bei ihr Pastor werden wolle. Beni Leuenberger sagte zu und blieb in Lenzburg. «Bis zur Pensionierung will ich das aber nicht machen. Für den Moment plane ich meine Zukunft aber sicher in der Lenzokirche», sagt Leuenberger.

Seit 2010 ist er verheiratet, mit seiner Frau hat er zwei Buben im Alter von zwei Jahren und fünf Monaten.

Die Lenzburger Chrischona-Kirche wurde 1922 als kleine Aussenstation der Chrischona Brugg gegründet. Inzwischen hat sie den grossen Bruder überholt, die Kirche wächst heute rasant. Gut 120 erwachsene Mitglieder zählt sie. Dazu kommen viele Kinder, die Chrischona konzentriert sich auf junge Familien. «Pro Gottesdienst haben wir etwa 90 Erwachsene und 40 bis 50 Kinder unter zwölf Jahren», sagt Leuenberger. Die Freikirche finanziert sich fast ausschliesslich durch Spenden, ein kleiner Teil kommt durch Vermietungen der Räumlichkeiten am Langsamstig herein. Vermietet wird etwa an eine Migrantenkirche arabischer Christen.

Budget von 300'000 Franken

Im letzten Jahr hatte die Chrischona Lenzburg ein Budget von 300'000 Franken. Der grösste Posten sind die beiden Pastor-Gehälter, Beni Leuenberger ist zu 100 Prozent angestellt, sein ebenfalls junger Kollege Natanael Büchli zu 50 Prozent. Danach kommen der Gebäudeunterhalt und die Hypothek. Zehn Prozent des Budgets fliessen ausserdem weiter an verschiedene Hilfsorganisationen.

Einmal pro Woche amtet die Kirche als Abgabestelle der Schweizer Tafel, die Lebensmittel an von Armut betroffene Menschen verteilt. Einer der grössten Anlässe der Freikirche ist die Kinderwoche in den Frühlingsferien.

«In den nächsten Jahren wollen wir uns auf die Verbreitung unseres neuen Namens konzentrieren und hoffen, dass wir den eingeschlagenen Wachstumskurs beibehalten können», sagt Beni Leuenberger. «Ausserdem wünschen wir uns eine grössere Öffnung der Kirche, um noch mehr Familien ansprechen zu können». Sollten die Kapazitätsgrenzen des ehemaligen Fabrikgebäudes am Langsamstig einmal erreicht sein, ist vorgesorgt. «Der Parkplatz neben dem Gebäude könnte dann allenfalls als Bauland genutzt werden», sagt Leuenberger.