Mit welchen Ambitionen die Lenzburger Parteien in die kommenden Einwohnerratswahlen steigen, und wie sie in schwierigen Zeiten neue Leute für ein politisches Amt gewinnen wollen.
Kommunalpolitik – wer tut sich das heutzutage überhaupt noch an? Einst ein mit viel Prestige verbundenes Ehrenamt zu Gunsten der Gemeinschaft, ist dessen Glanz inzwischen verflogen. Der Aufwand für die einzelnen Mandatsträger ist hoch, die finanzielle Entschädigung hingegen sehr bescheiden. Hinzu kommt: Der Gestaltungsmöglichkeit ist aufgrund der gesunkenen Budgetautonomie der Gemeinden enge Grenzen gesetzt.
Bei den letzten beiden Gesamterneuerungswahlen 2013 und 2017 hatten die damals Verantwortlichen der Lenzburger Ortsparteien in dieser Zeitung offen über zunehmende Schwierigkeiten bei der Personalsuche für das Einwohnerratsamt gesprochen. Jetzt ist es wieder so weit: Am 28. November wird das Lenzburger Stadtparlament neu bestellt. Sieben Parteien (SP aktuell 10 Mandate, SVP und FDP je 9, GLP 4, CVP-Die Mitte inklusive BDP-Übertritt 4, Grüne und EVP je 2) buhlen um die Wählergunst und um 40 Sitze in der Legislative.
Wir haben bei den Parteien nachgefragt, wie sie der offensichtlichen Politikverdrossenheit der vergangenen Wahlen entgegentreten, welche Rolle Social Media dabei zukommt und ob sie ihre bisherige politische Stärke weiter ausbauen wollen.
Gerade in der aktuellen Pandemie, welche derzeit grössere öffentliche Veranstaltungen verbietet, ist es anspruchsvoll geworden, ein breites Publikum zu erreichen. In diesem Punkt sind sich die Parteien einig, wie sonst kaum im Politalltag. Sie setzen alle auf ihre politische Arbeit und hoffen, dass diese in der Öffentlichkeit positiv wahrgenommen wird – und als Folge davon auch die Kandidatensuche erleichtert.
«Je stärker man lokal verwurzelt ist, desto eher möchte man vor Ort auch politisch mitgestalten»,
gibt sich Thomas Schär, Präsident SP Lenzburg-Ammerswil, zuversichtlich. Bei der Rekrutierung am meisten Erfolge verspreche der altherkömmliche Weg, bei welchem Leute direkt angesprochen würden, heisst es unisono.
«Grundsätzlich hat sich der persönliche Kontakt zu der Wählerschaft bewährt»,
sagt SVP-Präsidentin Brigitte Vogel. Die Grünliberalen setzen gezielt auf Leute aus dem persönlichen Umfeld.
Uns ist es wichtig ist, dass sich die Einwohnerräte und Einwohnerrätinnen auch engagieren»,
erklärt Präsident Adrian Höhn.
Nicht gleichermassen zuversichtlich sind die Parteiverantwortlichen, wenn es um konkrete Chancen geht, tatsächlich ausreichend Personal zu finden. Die FDP. Die Liberalen geben sich bei dieser Frage selbstbewusst.
«Auch wenn vielerorts von fehlenden engagierten Persönlichkeiten gesprochen wird, bleiben wir optimistisch, dass sich weiterhin politikaffine und engagierte Leute finden lassen»,
sagt Präsident Philippe Minnig. Am meisten Bedenken äussert die EVP. «Es ist immer schwieriger, Leute zu finden, die sich neben Arbeit, Familie und Freizeit für längere Zeit für ein Amt engagieren und Zeit opfern», sagt Michael Wernli, Präsident der EVP Lenzburg-Seetal.
Auch wenn es nicht ganz offensichtlich deklariert wird, haben sich die Parteien grossmehrheitlich davon verabschiedet, der Wählerschaft eine Kandidatenliste mit zwanzig Namen zu präsentieren, so wie es früher in Lenzburg zumindest bei den Grossen einmal üblich war. 2017 war dies einzig der SP gelungen.
Die drei grossen Parteien geben sich bei der Frage nach zusätzlichen Sitzen teilweise noch etwas bedeckt. «Die SP ist die stärkste Partei im Einwohnerrat – dies soll so bleiben», schreibt Präsident Thomas Schär. Die SP ist mit zehn Mandaten im Rat vertreten. Zusätzlich liebäugelt sie mit einem zweiten Stadtratssitz. Nebst Stadtammann Daniel Mosimann soll Beatrice Taubert ins Rennen geschickt werden. Die Nominationsversammlung findet heute Abend statt.
Die SVP hätte den zehnten Sitz, den sie bei den letzten Wahlen verloren hat, gerne wieder zurückgeholt. Allzu grosse Hoffnungen scheint man sich allerdings nicht zu machen.
«Anstreben wollen wir zehn Sitze, sind aber auch realistisch, dass mit den zunehmenden Abdriften nach links in Lenzburg das Halten von neun Sitzen ein gutes Ergebnis ist»,
hält Brigitte Vogel fest. Bei der FDP heisst es auf diese Frage: «Der Vorstand hat bezüglich der Einwohnerratswahlen noch keine Ziele definiert.» Umso entschlossener waren die Freisinnigen bei den Stadtratswahlen. Als erste Partei hatten sie im März eine Kandidatur angemeldet und den aktuellen Einwohnerratspräsidenten Sven Ammann nominiert.
Bei den kleineren Parteien ist durchwegs Wachstum angesagt. Allen voran wollen die Grünliberalen einen Schritt nach vorne machen. 2009 waren sie erstmals angetreten und hatten gleich zwei Sitze geholt, mit der Verdoppelung der Mandate gehörten sie 2013 zu den Wahlsiegern; 2017 konnte die GLP diese verteidigen. Jetzt sollen es zwei zusätzliche auf neu sechs Mandate sein. Präsident Adrian Höhn ist zuversichtlich.
«Bei den letzten Wahlen hat die GLP den fünften Sitz nur knapp verpasst.»
Und Höhn betont, mit Blick auf die nochmals gesteigerten Wähleranteile bei den letzten Nationalrats- und Grossratswahlen sollte dies möglich sein. Gleichzeitig will die GLP mit Grossrätin Barbara Portmann-Müller erstmals in der Stadtregierung Einsitz nehmen.
CVP-Die Mitte möchte den mit dem Übertritt von Raphael Rudolf während der Amtsperiode erhaltenen einstigen BDP-Sitz verteidigen und hofft, die vier Mandate halten zu können, sagt Co-Präsidentin Elisabeth Tribaldos. Die Grünen und die EVP, heute mit je zwei Sitzen im Parlament vertreten, kokettieren mit je bis zu zwei Sitzgewinnen.
Dass Social Media im Wahlprozess an Bedeutung gewinnen wird, ist bei den Parteien ebenfalls unbestritten, allerdings wollen nicht alle diese Möglichkeit im gleichen Umfang nutzen. Social Media soll vor allem im Wahlkampf zum Einsatz kommen. Stefan Zantop, bis 2017 für die Grünen im Einwohnerrat, sagt dazu:
«Social Media ist ein Kanal mehr und bis zu einem gewissen Grad auch Ersatz für die herkömmlichen Medien, welche tendenziell an Bedeutung verlieren werden.»
Die Parteiverantwortlichen sind nun gefordert, in den kommenden Monaten Leute zu finden, welche Willen und Freude am Gestalten der Stadt Lenzburg von morgen über eigenen finanziellen Erfolg und über persönlichen Ruhm und Ehre stellen.