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Nach jahrelangem Rechtsstreit hat der Regierungsrat die Baubewilligung für ein Mehrfamilienhaus am Stadtgässli aufgehoben. Das geplante Gebäude würde wie ein Fremdköper wirken, so die Begründung.
Die Formulierungen im Beschluss des Regierungsrates sind weder für die Bauherrschaft noch für die Baubewilligungsbehörde, den Stadtrat Lenzburg, schmeichelhaft. Im Gegenteil: Es heisst, «die Bauherrschaft unterliegt vollumfänglich». Und: «Das öffentliche Interesse an der Aufhebung der vom Stadtrat Lenzburg am 3. August 2016 erteilten Baubewilligung wiegt schwer.» Den vier Beschwerdeführer werden die Kosten vollumfänglich erstattet. Die Stadt muss die Hälfte (4350 Franken) von deren Ausgaben für den Anwalt übernehmen. Der Beschluss ist nicht rechtskräftig. Er kann noch während einiger Tagen beim Verwaltungsgericht angefochten werden. Darum nimmt der Stadtrat auch noch nicht inhaltlich dazu Stellung. Er wird an seiner Sitzung vom Mittwoch über die neue Ausgangslage beraten.
Es geht um ein Projekt am Stadtgässli. Ganz genau um das Areal der einstigen Schreinerei Hächler zwischen dem Gasthof Ochsen und dem Seifi-Parkplatz. Eine private Investorin möchte dort ein fünfgeschossiges Mehrfamilienhaus mit zwölf Wohnungen sowie Gewerbe und Ladenflächen erstellen. Geplant sind zudem 19 unterirdische Autoabstellplätze (plus zwei oberirdische Besucherparkplätze). Gemäss dem damaligen Baugesuch wird mit einem Bauvolumen von 7,2 Millionen Franken gerechnet.
Das Baugesuch lag im Herbst 2015 öffentlich auf. Gegen die stadträtliche Baubewilligung ist Beschwerde ergriffen worden. Das Verfahren hat sich derart in die Länge gezogen, weil Zuständigkeiten gerichtlich zu klären waren. Die Beschwerdeführer wünschen sich am Stadtgässli 18 «einen Neubau, welcher harmonisch ins schöne Stadtbild von Lenzburg passt». Es sei ihr Anliegen, das historische Stadtbild von Lenzburg zu bewahren und nicht von Bauten mit spekulativem Charakter und maximaler Ausnützung zerstören zu lassen».
Die kantonale Denkmalpflege hatte von Anfang an Bedenken. Eine wichtige Rolle spielte der Umgebungsschutz. Zu beachten sind dabei der Brünggelbrunnen, das Burghalde-Ensemble und das Schloss als national bedeutendes Höhendenkmal. Mehr noch: «Die traditionelle und nach Isos (Bundesinventar der schützenswerten Ortsbilder, Anm. der Red.) erhaltenswerte Stadtstruktur am Stadtgässli zeichnet sich durch kleinere Neubauten und Vorgärten aus», heisst es im Beschluss des Regierungsrates. «Der projektierte Neubau hält sich nicht an diese bestehende Struktur.», Es handle sich um «einen ungewöhnlich massiven Baukörper». Mit dem überdimensionierten Volumen und dem atypischen Flachdach trete das geplante Gebäude «als Fremdkörper markant hervor». Und: «Die flache Dachform im Zusammenwirken mit dem massigen Bauvolumen steht in einem Missverhältnis zum ortsbaulichen Umfeld und insbesondere zum Gasthof Ochsen.»
Der Stadtrat von Lenzburg hat in seiner Beschwerdeantwort auf die Gemeindeautonomie gepocht. Wenn eine Gemeinde über ein Ortsbild von nationaler Bedeutung verfüge, wie das in Lenzburg der Fall sei, sei sie an den im Isos definierten Schutzgrad gebunden, müssen sich die Lenzburger Stadträte vom Regierungsrat belehren lassen.