Lenzburg
Kein Bonus für «Corona-Märkli» – das hat der Einwohnerrat beschlossen

Der Lenzburger Einwohnerrat lehnt 500'000 Franken für ein neues Rabattsystem zur lokalen Wirtschaftsförderung ab.

Ruth Steiner
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Die erste, 2013 in Betrieb genommene Etappe des Schulhauses Mühlematt soll einen abgewinkelten, mindestens dreigeschossigen Anbau erhalten.

Die erste, 2013 in Betrieb genommene Etappe des Schulhauses Mühlematt soll einen abgewinkelten, mindestens dreigeschossigen Anbau erhalten.

Visualisierung: zvg

Gut gemeint vom Stadtrat, dem Vernehmen nach jedoch wenig Begeisterung beim Gewerbe und vom Einwohnerrat deutlich mit 22 Nein bei 8 Ja und 8 Enthaltungen bachab geschickt: Das ist zusammengefasst das Verdikt für das Bonusprogramm, mit dem der Stadtrat Lenzburg die volkswirtschaftlichen Schäden von Corona mindern wollte.

Bereits die Geschäftsprüfungs- und Finanzkommission (GPFK) hat gestern Abend kaum ein gutes Haar an der Vorlage gelassen und den Verpflichtungskredit über 500'000 Franken grossmehrheitlich zur Ablehnung empfohlen. Dabei ging es nicht nur um den Inhalt. «Einmal mehr liegt eine Vor- lage vor, die unvollständig und ungenügend ist», kritisierte GPFK-Sprecher Francis Kuhlen. Es fehle eine Analyse zu den Bedürfnissen der einzelnen Branchen beziehungsweise welche Berufsgattungen vom Gewerbe mit gezielten Massnahmen adressiert werden sollen. Mit Blick auf den rasanten Strukturwandel im Detail- und Retailgeschäft (24/7-Online- und Auslandshopping) wurde das gewählte Bonusinstrument als überholt betrachtet. «Diesen Wandel in Lenzburg mit einem Bonuskartensystem aufzuhalten, betrachte ich als naiv», so Kuhlen.

Der Vorschlag des Stadtrats gehe in eine falsche Richtung. «Das Gewerbe soll definieren, welche Rahmenbedingungen die Politik setzen muss, um ihre Initiativen zum Erfolg zu führen», so Kuhlen. Man sei bereit, eine solche Vorlage zu prüfen, die durchaus eine finanzielle Investition durch die Stadt einschliessen könne. Dumm nur: Bei den adressierten Geschäften sei bisher kaum Begeisterung für das Bonussystem zu spüren.

Allgemein wurde die Vorlage als zu unausgegoren bemängelt. Selbst die SVP mochte sich nicht geschlossen hinter die Vorlage ihres Stadtrates stellen. So mahnte Corin Ballhaus, drei Monate nach dem kollektiven Lockdown nun wieder nach vorne zu schauen und Weitblick zu zeigen. Corona werde sich auf die Steuereinnahmen auswirken, sagte sie und wies auf die geplanten grösseren Investitionen hin, die ebenfalls mit Steuergeldern bezahlt werden müssten. Ihre Frage: «Können wir uns leisten, eine halbe Million Franken in eine Vorlage mit vielen Unbekannten zu stecken?»

Selbst von der Ratslinken gab es kritische Töne. «Der Gewerbeverein muss in die Verantwortung genommen werden. Wenn das Bonussystem einschläft, so wäre das ein Reputationsverlust für die Stadt», sagte SP-Präsident Thomas Schär. In eine andere Richtung zielte die Kritik von Unternehmer Christoph Nyfeler (FDP). Er wies auf die bereits bestehenden Bemühungen zur lokalen und regionalen Wirtschaftsförderung (Gemeindeverband Lebensraum Lenzburg Seetal, der digitale Dorfplatz Crossiety) hin. Man investiere bereits viel, ohne entsprechende Resultate.

Gescheitert ist auch ein Änderungsantrag der CVP/EVP, welche die Vorlage mit diversen Auflagen zu retten versuchte.

Nebst viel Kritik gab es aber auch Lob und Bonuspunkte für den Stadtrat, weil er den Restaurateuren rasch zusätzlich öffentlichen Raum zur Verfügung stellte und für 2020 keine Gebühren verrechnet.

Aufgalopp zum grossen Lenzburger Schul-Ausbau

Das wird richtig teuer: Wenn es so läuft, wie es das Parlament gestern Abend mit zwei einstimmigen Entscheiden aufgegleist hat, werden die Lenzburger Stimmbürger im März 2021 über zwei Schulkredite im Gesamtumfang von etwa 10 Millionen Franken abstimmen.
Die Notwendigkeit von neuem Schulraum war unbestritten. In der Diskussion über einen Bericht zur Schulraumplanung wären die Sprecher von FDP und SVP sogar gerne noch weiter gegangen als der Stadtrat vorschlug. Etwa, indem nicht die maximale Obergrenze von Schülern pro Klasse ausgereizt oder mit einer höheren Geburtenziffer gerechnet würde.

Bei der Behandlung des Projektierungskredites für die 2. Etappe «Mühlematt»-Schulhaus regte Markus Thöny (SVP) an, nicht nur drei, sondern vier Etagen zu planen. Und beim Projektierungskredit für die «Bleiche» (inklusive Wasserrad-Sanierung) schlug Christoph Nyfeler (FDP) vor, das Dachgeschoss direkt zu verplanen und nicht nur als Reserveraum anzusehen. Beide Anregungen nahm der Stadtrat entgegen. Wenn nichts dazwischen kommt, wird der Einwohnerrat am 3. Dezember über die zwei Baukredite entscheiden.

Mit 28 zu 9 nahm der Einwohnerrat zustimmend Kenntnis von den geplanten Änderungen am Reglement für «Familien- und schulergänzende Kinderbetreuung». Damit werden die Möglichkeiten geschaffen, dass das im Budget vorhandene Geld auch tatsächlich ausbezahlt werden kann. (uhg)