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Der Lehrplan 21 stellt das Fach Hauswirtschaft um und reduziert die Unterrichtszeit in der Küche um die Hälfte. Was das für Auswirkungen auf ihr Fach hat, erzählte Hauswirtschaftslehrerin Claudia Casarramona am Freitag. Nicht nur in den Online-Kommentaren, sondern auch auf der AZ-Redaktion hat dies eine rege Diskussion und viele gedankliche Reisen in die eigene Kochschulzeit ausgelöst. Wir haben die besten Anekdoten gesammelt.
«Dank der Kochschule weiss ich, dass Dampfkochtöpfe eine nicht ungefährliche Sache sind. Dass man ein Blech voller Guetzli bei starkem Wind besser nicht zum Auskühlen aufs Fensterbrett legt (erst recht nicht im dritten Stock). Dass Salz statt Zucker im Früchtetee ganz fürchterlich ist, und dass die kostenbewusste Hausfrau und der geizige Hobbykoch Polenta servieren. Und ich weiss, dass der Schoggi-Teig beim Marmorkuchen gut und gern mehr als vier Esslöffel Milch extra vertragen kann. Das steht in meiner kindlich-rundlichen Handschrift als Ergänzung im Tiptopf, dem Kochschul-Kochbuch schlechthin. Das wiederum steht seit Jahr und Tag in meiner Küche.
Notabene habe ich mich in der Kochschule zum ersten und letzten Mal einer Freiheitsberaubung schuldig gemacht: Nach einer abfälligen Bemerkung über die Koch-Fähigkeiten einer Realklasse haben wir im Klassenverbund beschlossen, die Kochschullehrerin kurzzeitig in der Vorratskammer einzusperren. Die Kochschule ist auch gut für die Sozialkompetenz.»
Katja Schlegel, Redaktorin
«In der Kochschule lernten wir nicht nur Schlaues wie den Kartoffel-Trick bei versalzenen Saucen. Wir lernten auch, dass man eine beleidigte Kochlehrerin riskiert, wenn man in der Zehn-Uhr-Pause die Schokolade aus dem Zutatenschrank stibitzt. Oder lernt, dass man gefälligst nur so viel Spaghetti in das kochende Wasser schüttet, wie die Lehrerin verlangt. Ansonsten drohen Konsequenzen, wie drei meiner Mitschüler am eigenen Leib erfahren mussten. ‹Das wird alles gegessen!›, verlangte besagte Lehrerin. Und meinte das auch so.
Die drei assen also. Und assen, und assen. Unter strenger Beobachtung der Lehrerin. Die drei Mitschüler liessen sich aber nicht einschüchtern. Sie witzelten und kicherten, einer erlitt dabei gar einen Lachanfall. Dabei verschluckte er sich derart, dass er seine bereits gegessenen Spaghetti aus seinem Magen wieder auf den Teller zurückbeförderte.»
Stefanie Garcia Lainez, Redaktorin
«Was gekocht wird, wird gegessen. Food Waste hiess damals in der Kochschule zwar noch Lebensmittelverschwendung. Doch das Prinzip ist das gleiche und wurde uns bereits in der ersten Stunde vermittelt. Gut so! Dumm nur, dass die Kochschullehrerin nicht mit mir gerechnet hatte. Beziehungsweise mit meiner Salatsauce später am Tag. Als ich ihr nämlich den Löffel reichte, um die himmlische Kreation – quasi Sternenküche in einer Wolkennacht – zu probieren, verzog sie ihr Gesicht: ‹Das müssen wir leider wegschmeissen.› Und rein in den Abfluss und weg mit den Prinzipien. Getreu dem Motto, wenn es nicht mal mehr der Hund frisst, ist es definitiv schlecht gekocht. Der Hund des Schulfreundes hat einiges mitgemacht, musste er doch die Essensreste, die immer nach der Kochschule nach Hause getragen wurden, regelmässig essen. Armer Hund. Doch zurück zum Anfang. Heute koche ich für meine Familie zwar täglich und ganz gut. An die Salatsauce traue ich mich bis heute aber nicht ran. Die kommt aus der Flasche, welche ich dann aber recycle.»
Martin Probst, Redaktor
«Wer erinnert sich an die 70er-Jahre des vergangenen Jahrhunderts? Die Mütter haushalteten mit dem Geld, das die Männer jeden Monat heimbrachten. Unsere 7-köpfige Bauernfamilie war zum grossen Teil Selbstversorger. Mit Ausnahmen: Musste ich in der Bezirksschule den ganzen Morgen die Schulbank drücken, gab mir die Mutter 20 Rappen mit. Den köstlichen Duft des frisch gebackenen Znünibrötlis von Beck Siegrist vis-à-vis des Bezschulhauses in Schöftland habe ich bis heute nicht vergessen. In diesem Zusammenhang ist die folgende Geschichte zu verstehen: Eine sehr junge Kochschullehrerin gab alles, um uns Teenager fürs Kochen zu begeistern. Regelmässig kam Fleisch auf den Tisch. Und Desserts. Oftmals gleich zwei. Einen Nachtisch verspiesen wir in der Schule, den anderen, oft einen Cake direkt aus dem Ofen, durften wir aufteilen und nach Hause nehmen. Die finanziellen Mittel waren offenbar vorhanden. Auf jeden Fall lösten die grosszügigen Menus aus der Schulküche und die Reste, die ich mit nach Hause brachte, im Elternhaus Stirnrunzeln aus. Die schulische Kocherei wurde als zu teuer befunden. Wer soll das bezahlen?»
Ruth Steiner, Redaktorin
«In der Kochschule verlor meine Liebesbeziehung zur Mayonnaise ihre Unschuld. Das war nicht dem gesundheitlich zweifelhaften Ruf der teuflisch schmackhaften Sauce geschuldet. Auch dass die Mayo eine schlechte CO2-Bilanz aufweist und so quasi eine Klimasünde ist, interessierte mich als Teenager herzlich wenig. Nein, die Kochlehrerin war’s, die mir den Glauben an das Gute aus der Tube nehmen wollte. Die Mayo selber machen, frisch und gesund, befahl sie humorlos streng. Mit der Renitenz eines Pubertierenden widersetzte ich mich und versuchte, dilettantisch kaschiert, der Lehrerin eine dickflüssige Sauce aus der Tube, frisiert mit etwas Pfeffer und Öl, als selber gemacht aufzutischen. Die gute Frau nahm’s persönlich und verdonnerte mich am Freitagnachmittag zu Isolationshaft in der Küche mit dem Auftrag, eine Schüssel Mayonnaise anzufertigen, die für eine halbe Kompanie gereicht hätte. Die Mayonnaise, die klassisch fettreiche aus der Tube, hat sich in meiner mittlerweile mehrheitlich auf natürliche Produkte ausgerichteten Einkaufsliste gehalten wie ein Monolith aus ferner Zeit. Als eine Art Reminiszenz an die gute alte Kochschule.»
Rolf Cavalli, Chefredaktor