Aufmerksame Stadtwanderer begegnen beim Vorbeigang im Burghaldenpark einer auffällig weissen Frau, welche ihre Reize offenherzig zur Schau stellt: Die Skulptur ist das Werk eines längst vergessenen Steinhauers aus Lenzburg.
Viele Jahre hat die schöne Unbekannte im Exil verbracht: Ursprünglich zierte sie nach dem Neubau des Saales und der Theaterbühne – die Stadt beteiligte sich damals mit 450 000 Franken und schaffte damit einen Ersatz für den alten Gemeindesaal mit entsprechender öffentlicher Nutzung – den Eingang zum Hotel Krone. In den romantischen Hotel-Hinterhof wurde sie 1988 bei der umfassenden Neugestaltung des Betriebes in das heutige Erscheinungsbild verbannt. Hier genoss sie hin und wieder die Gesellschaft von Gästen beim Apéro.
Ihr Schöpfer war der Bildhauer Franz Ernst, geboren am 14. Juli 1911, Bürger von Biel, der am 15. Februar 1952 nach Lenzburg kam. Der «Bildhauer auf eigene Rechnung» hatte hinter der Liegenschaft Eich an der Schützenmattstrasse bergseits ein Atelier. 1957 zog er nach Staufen.
Urkundlich belegt ist, dass der Künstler am 9. Juni 1954 sich um die Erstellung einer Plastik in der Anlage des Stadtbahnhofes bemühte. Gestützt auf die Vernehmlassung der Ortsbürgerkommission wurde seinem Projekt allerdings die Konkurrenz vorgezogen: «Die Kniende», eine bereits im Stadteigentum befindliche Bronzeskulptur des Lenzburger Bildhauers Arnold Hünerwadel. Nach dem Abbruch des Stadtbahnhofes und der Überbauung des Areals fand diese einen neuen würdigen Standort vor der Stadtbibliothek am Stadtgraben.
«Die Sitzende» wurde jetzt dank dem Sponsoring anonym bleibender Lenzburger von ihrem Schattendasein erlöst – ein seit längerer Zeit aufgegleistes Vorhaben konnte dieser Tage realisiert werden. Sie leistet jetzt im Burghaldenpark zwei Grabmälern Gesellschaft: Einerseits für Margaritha Ringier-Fischer, 1809-1844, mit ihren vier Kindern, und ausgerechnet dem Bildhauer Arnold Hünerwadel, 1877–1945.
Die Dame sitzt etwas angespannt auf einem Stein, das linke Bein leicht angezogen, als wie sie dem Betrachter gleich entgegentreten würde. Ihr Blick ist auf die Stadt gerichtet und auch zur Sonne. Es ist anzumerken, dass ihr ein bisschen Patina ihr zum Vorteil gereichen wird.