Im vergangenen September war die Schliessung der Seilproduktion in Seon angekündigt worden. Jetzt ist es definitiv vorbei. Die Zwirn- und Flechtmaschinen sind verstummt, in den Fabrikhallen ist es ruhig geworden. Die Produktion wird nach Tschechien ausgelagert.
Dieser Freitag geht als trauriges Kapitel in die Geschichtsbücher der Firma Mammut ein: Es wurden die letzten Meter der berühmten Mammut-Bergseile aus der Fabrikation in Seon hergestellt.
Produziert fürs Museum Burghalde in Lenzburg, wo die Seile der Dokumentation über die Lenzburger Industriegeschichte hinzugefügt werden.
Es sei Wunsch des Museums gewesen, dieses «emotionale Objekt in die Sammlung aufzunehmen», erklärte Museumsleiterin Christine von Arx, als sie das Bergseil «frisch ab Presse» entgegennehmen durfte.
Dass die Seilerei-Geschichte ins Burghalde-Museum kommt, ist nicht unbegründet: 114 der 154-jährigen Firmengeschichte fanden auf Lenzburger Boden statt.
Nicht ganz ohne Gefühlsregung ging der Schritt auch für CEO Rolf Schmid über die Bühne.
Schmid sprach von einem traurigen Kapitel für die betroffenen Mitarbeiter und für Mammut.
«Die Schliessung der Produktion bedeutet, dass wir nicht nur einen lieb gewonnen Teil der Firma verlieren. Wir schliessen damit auch mit einem Teil unserer Geschichte ab.»
Tatsächlich geht mit der Schliessung der Seilproduktion das ursprüngliche Kerngeschäft der weltweit zu einer bekannten Outdoor-Marken gewachsenen Mammut Sports Group AG verloren.
Ein Schritt, der für Schmid «trotz Trauer, Wehmut und Ärger» nicht zu vermeiden gewesen sei. Die Käufer seien heute nicht mehr bereit, für das Label «Made in Switzerland» mehr zu bezahlen.
Im Museum Burghalde werde man nun dafür sorgen, dass die Seilerei-Geschichte nicht in Vergessenheit gerate, versprach Christine von Arx.
Ihren Anfang hatte diese mit der Gründung der Seilerwarenfabrik Kaspar Tanner im Jahr 1862 genommen (siehe Box zur Firmengeschichte unten).
Nun geht sie in Tschechien weiter, wo die neue Eigentümerin, das österreichische Familienunternehmen Teufelberger, die Produktion weiterführen wird.
Dorthin werden nun die Maschinen in den kommenden Tagen überführt und mit Unterstützung der Mammut-Spezialisten aus Seon wieder in Betrieb genommen.
Ist es fast ein wenig Ironie des Schicksals, dass die letzten in der Schweiz produzierten Seilmeter nun ins Museum Burghalde kommen?
Stadtammann Daniel Mosimann erinnerte daran, dass die «Arova Mammut AG» jahrzehntelang am unteren Haldenweg ihren Sitz hatte.
In unmittelbarer Nachbarschaft zum Museum. Leider habe man in Lenzburg nicht über den Tellerrand hinaus geschaut und die Firma aus der Stadt wegziehen lassen, bedauerte er.
Der ebenfalls anwesende Seoner Gemeindeammann Heinz Bürki schmunzelte und entgegnete kurz und bündig: «Des einen Freud, des andern Leid.»
- 1862 Gründung der Seilerwarenfabrik in Dintikon durch Kaspar Tanner.
- 1878 Firma disloziert nach Lenzburg.
- 1897 Oscar Tanner übernimmt von seinem Vater Kaspar das Geschäft.
- 1918 Während des Ersten Weltkrieges florierte das Geschäft; Produktionsgebäude werden erweitert.
- 1919 Die Firma heisst neu Seilwarenfabrik AG Lenzburg.
- 1924 Oscar Tanner verlässt das Unternehmen.
- 1943 Der Markenname Mammut wird eingeführt.
- 1968 Die Heberlein-Gruppe übernimmt die Firma und nennt sie neu «Arova Lenzburg AG».
- 1982 Die Zürcher Ziegeleien (heute Conzzeta) übernehmen die Firma.
- 1984 Die Firma heisst neu «Arova Mammut AG».
- 1992 Mammut bezieht neue Räumlichkeiten in Seon.
- 2003 Die Firma heisst neu «Mammut Sports Group AG».
- 2012 Neues zentrales Logistikzentrum in Deutschland wird eingeweiht.
- 2016 Rolf Schmid tritt nach 26 Jahren als CEO ab. Per 1. September wird der Deutsche Oliver Pabst neuer CEO der «Mammut Sports Group AG».