Lenzburgs Stadtamann
Herr Mosimann, wollten Sie auch schon einmal den Bettel hinschmeissen?

Lenzburgs Stadtammann Daniel Mosimann zu den zahlreichen Baustellen in der Stadt und seinem Umgang mit frustrierenden Momenten.

Ruth Steiner und Fritz Thut
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«Die Bevölkerung wird eingeladen, sich einzubringen»: Der Lenzburger Stadtammann Daniel Mosimann äussert sich über die Stadtentwicklung.

«Die Bevölkerung wird eingeladen, sich einzubringen»: Der Lenzburger Stadtammann Daniel Mosimann äussert sich über die Stadtentwicklung.

Emanuel Freudiger

Wer auf dem Lenzburger Hausberg, dem Gofi, steht, blickt auf eine wachsende Stadt mit vielen Baukranen. Baustellen gibt es zahlreiche – auch im übertragenen Sinn.

Zu Beginn seines dritten Amtsjahres nimmt Stadtammann Daniel Mosimann Stellung zu aktuellen Themen, laufenden Projekten und möglichen Ansatzpunkten bei langfristigen Problemen. Eher diplomatisch äussert sich Mosimann zu inneren Zerreissproben eines multifunktionalen Kommunalpolitikers.

Was ging Ihnen als Stadtoberhaupt beim kürzlich erfolgten Terroranschlag in Paris durch den Kopf?

Daniel Mosimann: Die Anschläge in Paris sind einfach nur furchtbar und lassen sich durch nichts rechtfertigen.

Die städtische Verwaltung ist für das Publikum frei zugänglich. Besteht keine Angst vor Angriffen renitenter Bürger?

Das Risiko, dass auch wir hierzulande mit zunehmender Aggression rechnen müssen, ist tatsächlich vorhanden. Wir leben in einer Gesellschaft, in welcher die Anspruchshaltung zunimmt, die Toleranz hingegen sinkt.

Mit welchen Folgen für die Stadt Lenzburg?

Doch in Lenzburg besteht glücklicherweise eine gute Vertrauensbasis zwischen Bürger und Verwaltung. Die Tür zum Rathaus bleibt weiterhin offen.

Kommen wir zu den konkreten Baustellen in der Stadt. Der Bahnhofplatz gehört zu den grössten. Wie frustriert ist man als Stadtammann über die Entwicklung?

Frust hilft hier nicht weiter. Tatsache ist, dass die Gestaltung des Bahnhofplatzes in starker Abhängigkeit zu den baulichen Anpassungen der SBB an Perron und Geleisen stehen. Mit der Hiobsbotschaft vor bald einem Jahr haben die SBB den neuen Fahrplan mit 2020 definiert, seither ist nichts passiert.

Die SBB trödeln, Lenzburg realisiert nun ein Provisorium für den Busbahnhof. Wann geschieht etwas?

Wir haben derzeit keine Informationen, was die SBB planen, wir kennen einzig den Zeithorizont. Doch die prekäre Situation am Busbahnhof verlangt eine Zwischenlösung, die für Bus und Passagiere einigermassen vertretbar ist. Aber es wird bei einem Flickwerk bleiben, da gibt es nichts zu beschönigen. In die aktuellen Planungsarbeiten ist die Bahnhofplatz-Begleitkommission miteinbezogen. Das Projekt sollte im Verlaufe dieses Jahres im Einwohnerrat behandelt werden können.

Und wie steht es bei der Neuhof-Kreuzung. Wie nimmt die Lenzburger Behörde Einfluss auf das kantonale Bauprojekt?

Der grosse Rahmen ist abgesteckt. Hingegen gibt es noch Detailfragen, die geklärt werden müssen. Dazu gehört das Erscheinungsbild der Ortseinfahrt vom Freiamt her. Da werden wir unsere Interessen sicher einbringen. Die Projektierungs- und Ausführungsplanung läuft, der Baubeginn ist für Anfang 2016 geplant.

Wie weit fortgeschritten ist das «Haus der Gegenwart»?

Das Grundstück befindet sich nun im Besitz der Stiftung Stapferhaus. Und es wird schon bald ein weiterer Eckpfeiler gesetzt werden können: Noch in diesem Moment erfolgt die Jurierung des Architektur-Wettbewerbs durch eine von Fachkräften breit abgestützte Jury. Nach einer Präqualifikation sind immer noch 18 Architektur-Teams am Werk. Im Februar werden die Siegerprojekte präsentiert und mit den übrigen eingereichten Vorschlägen ausgestellt.

Gibt es manchmal Friktionen zwischen der Funktion als Stadtammann und als Stiftungsrat?

Ich möchte es so sagen: Die Stellung im Spannungsfeld zwischen Stiftungsrat, Kanton und Stadt ist anspruchsvoll.

An der Neujahrsansprache haben Sie angekündigt, dass die Bevölkerung in die Entwicklung der Stadt Lenzburg miteinbezogen werden soll. Wie muss man sich das vorstellen?

Der Stadtrat befasste sich im vergangenen Jahr eingehend mit folgenden Fragen: Wie soll sich Lenzburg in Zukunft weiter entwickeln? Wie wollen wir mit den zukünftigen Entwicklungspotenzialen umgehen? Die «Räumliche Entwicklungsstrategie (RES)» setzt sich mit dem städtischen Freiraum, der Landschaft und der Siedlungsentwicklung auseinander. Sie zeigt die Perspektiven für einen Zeitraum von rund 15 bis 20 Jahren auf und dient als Grundlage zur Erarbeitung der neuen Bau- und Nutzungsordnung (BNO).

Wie können die Lenzburgerinnen und Lenzburger ihre Anliegen einbringen?

Die Bevölkerung wird eingeladen, sich in Mitwirkungsverfahren zu verschiedenen Themen einzubringen. Es werden Workshops durchgeführt und der Stadtrat hofft auf eine rege Teilnahme. Dieser Tage werden wir über das weitere Vorgehen informieren und die Workshop-Termine bekannt geben.

Wie soll der Verkehr in der stetig wachsenden Stadt Lenzburg auch in Zukunft am Rollen gehalten werden?

Mit einem guten Verkehrsnetz für den innerstädtischen Verkehr kann das Strassennetz entlastet werden. Beispielsweise müssen Anreize geschaffen werden, dass aus den Aussenquartieren noch mehr Leute mit dem Velo zum Bahnhof fahren, das heisst, wir wollen Verbesserungen für den Langsamverkehr schaffen.

Reicht das?

Mit der wachsenden Einwohnerzahl muss auch das aktuelle städtische Busnetz hinterfragt werden. Entspricht dieses noch den Bedürfnissen? Wäre es beispielsweise sinnvoll, das System Städtlibus weiter auszubauen?

Kommen wir zur Altstadt. Hier kam kürzlich die Hiobsbotschaft, dass mit dem «Tischlein Deck Dich» ein weiteres Traditionsgeschäft verschwindet.

Bis jetzt hatten wir einen guten Mix aus Geschäften, Restaurants und Wohnen. Diese Ankündigung bereitet mir tatsächlich Sorgen. In der Rathausgasse hat es noch weitere Geschäftsinhaber, deren Pensionierung in nicht allzu weiter Ferne ist.

Was unternimmt die Stadt zur Belebung der Altstadt?

Das ist ein schwieriges Thema. Ich meine jedoch, die Stadt den Rahmen zu einer lebendigen Innenstadt geschaffen. Das Bild, das in den Rahmen kommt, das müssen andere malen.

Zu Ihnen persönlich, Herr Stadtammann: Wenn Sie nun auf Ihre zwei Amtsjahre zurückblicken, welches war persönlich das grösste Highlight?

Da gibt es einige. Besonders hervorheben möchte ich drei: Die klare Zustimmung der Lenzburgerinnen und Lenzburger zum 25 Millionen-Kredit für die Schulbauten hat mich ebenso überrascht wie gefreut. Die Verleihung des Aargauer Heimatschutzpreises ist eine grosse Anerkennung. Auch die Veranstaltung «40-Stunden-Kultur» zum 40-Jahre-Jubiläum der Kulturkommission war grandios.

In welchen Momenten haben Sie schon daran gedacht, den Bettel hinzuschmeissen?

(lacht) Noch nie! Ich möchte diese Frage aus einer andern Optik beantworten: Ich betrachte es als Privileg, eine so spannende und intensive Arbeit zu machen und einer so schönen Stadt vorstehen zu dürfen.