Leutwil
Happige Vorwürfe an Frau Gemeindeammann: «Im Moment denke ich nicht an eine Demission»

An der Gemeindeversammlung wurden Vorwürfe gegen Frau Gemeindeammann Monika Müller laut. Im Interview weist sie diese zurück.

Ruth Steiner
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Nach der Wahl zum Gemeindeammann von Leutwil vor einem Jahr blickte Monika Müller zuversichtlich in die Kamera. Archiv/zvg

Nach der Wahl zum Gemeindeammann von Leutwil vor einem Jahr blickte Monika Müller zuversichtlich in die Kamera. Archiv/zvg

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Bereits im ersten Jahr der neuen Legislaturperiode 2018–2021 haben vier von fünf Gemeinderäten in Leutwil den Bettel hingeschmissen. Die Situation sei schwierig, hiess es. Mehr nicht.

An der Wintergmeind am letzten Freitag wurde klar: Die seit Anfang Jahr amtierende Frau Gemeindeammann Monika Müller ist umstritten; im Gemeinderat und im Dorf. Im Verlaufe der Debatte wurden auf breiter Front Vorwürfe laut – gegen die Finanzpolitik des Gemeinderates (das Budget 2019 mit einer 4-prozentigen Erhöhung des Steuerfusses und einem Verlust von über 300 000 Franken wurde zurückgewiesen), vor allem aber gegen die Person von Monika Müller wurde Kritik laut. Jetzt nimmt Frau Ammann Stellung zu den Anschuldigungen. Und sie äussert sich zur Zukunft des Dorfes. Der Gemeinderat hat den Auftrag erhalten, ein Zusammengehen mit Nachbar Dürrenäsch zu prüfen.

Frau Müller, an der Gmeind am Freitagabend gingen die Wogen zeitweise so hoch, sodass man sich fragen musste: Steht in Lüpu die Kirche noch im Dorf?

Monika Müller: Bis jetzt war ich sicher, dass dem so ist. Die Emotionalität der Freitagsgmeind hat mich aber ebenfalls überrascht. Dass sich der Gemeinderat schwer tat mit meiner Führungskultur und den neuen Strukturen, die ich setzen wollte, war mir bekannt. Offenbar ist jedoch auch in der Bevölkerung Opposition da.

Welche Schlüsse ziehen Sie daraus?

Ich sage Ihnen ganz ehrlich: Ich habe keine andere Absicht, als den Auftrag auszuführen, den mir das Volk mit der Wahl zum Gemeindeammann vor einem Jahr gegeben hat. Ich betrachte das Wahlergebnis nach wie vor als Verpflichtung, die Anliegen der Bevölkerung umzusetzen. Die Dorfbewohner sind die Auftraggeber des Gemeinderats.

An der Gmeind war viel Misstrauen gegenüber Ihrer Person auszumachen, sowohl aus dem Publikum und auch vonseiten Ihrer Gemeinderatskollegen. Der abtretende Vizeammann Rudolf Hirt sagte unter anderem, Sie wüssten nicht, wie die Geschäfte zu führen sind und warf Ihnen vor, Sie verletzten das Kollegialitätsprinzip, hätten kein Vertrauen in die Amtskollegen. Das sind happige Vorwürfe an die Frau Gemeindeammann.

Das stimmt nicht, deshalb nehme ich dazu auch keine Stellung.

Die ebenfalls zurücktretende Präsidentin der Schulpflege hat nachgedoppelt und wörtlich gesagt, die Zusammenarbeit mit Ihnen sei schwierig.

Als ich 2015 in den Gemeinderat gewählt wurde, war für mich klar, dass ich als Lehrperson meine Fachkompetenz gerne in den Bereich Bildung einbringen möchte. Als Ortsbürgerin von Leutwil sah ich darin die Möglichkeit, meiner Gemeinde in dieser Form Dankeschön zu sagen. Die Zusammenarbeit mit der Schulpflege entwickelte sich dann in zwei Richtungen.

Wie erklären Sie sich die auf breiter Front vorgebrachten verbalen Attacken gegen Ihre Person?

Ich verstehe nicht, weshalb es soviel Opposition gibt, wenn man sich uneigennützig für die Sache einsetzt. Ich betrachte mich als teamfähigen Menschen, der auch bereit ist, sich anzupassen und sich bereits auch angepasst hat.

Am Freitagabend wurde zudem bekannt, dass die langjährige Gemeindeschreiberin und zwei Verwaltungsmitarbeitende gekündigt haben.

Solange die Kündigungen nicht in schriftlicher Form vorliegen, nehme ich dazu keine Stellung.

Doch ist auch Ihnen offenbar nicht ganz wohl in Ihrer Haut: Sie haben am Freitag vor den versammelten Gemeindemitgliedern direkt gesagt: «Ich werde gemobbt.»

Tatsache ist, dass sich gewisse Kreise schwer tun, mich als Chefin zu akzeptieren. Meine Vorstellungen, den Betrieb «Gemeinde» zu gestalten, kommen nicht überall gut an und haben zu haltlosen Vorwürfen geführt bis hin zu unschönen Indiskretionen.

An der Gemeindeversammlung am vergangenen Freitag haben Sie von den 122 Anwesenden keine allzu grosse Schützenhilfe erhalten.

Sehen Sie, das ist die ganz besondere Kultur der Gemeinde Leutwil. In Lüpu werden Konflikte selten offen ausgetragen. Von den vielen Anwesenden, die nicht aufgestanden sind, habe ich sehr wohl Unterstützung erfahren, wenn auch in nonverbaler Form.

Haben Sie beim anschliessenden Apéro von der Bevölkerung Zuspruch erhalten?

Ja, vor allem Frauen haben mich angesprochen. Überhaupt fällt mir auf, dass sich die Frauen im Dorf zunehmend für politische Belange interessieren. Der Frauenanteil an den beiden letzten Gmeinden war höher als bisher üblich.

Hat dieser Umstand etwas damit zu tun, dass erstmals eine Frau an der Spitze des Gemeinderats steht.

Ja, ich glaube schon. Es findet in Lüpu ein Kulturwandel statt.

Nachdem drei Gemeinderäte praktisch gleichzeitig demissionierten, hat sich die Gemeindeabteilung des Kantons eingeschaltet und dem Gemeinderat Unterstützung angeboten. Was erhoffen Sie sich davon?

Ich hoffe, dass es uns gelingt, im Gemeinderat und in der Verwaltung Strukturen zu schaffen, Kompetenzen und Verantwortlichkeiten klar festzulegen. Das fehlt bisher in der Gemeinde.

Die Finanzkommission hat gegen die Kosten für das Fachcoaching an der Gmeind offen opponiert und wörtlich gesagt, Leutwil habe dafür kein Geld. Darauf hin haben Sie geantwortet, wenn nötig, würden Sie das Honorar von rund 20 000 Franken für die Unterstützung aus dem eigenen Sack bezahlen.

In der Gemeinde ist wenig Wille für Veränderungen auszumachen. Fakt ist aber, dass sich etwas ändern muss. Mir ist es ein grosses Anliegen, dass wir unsere Kraft endlich vollumfänglich den Sachgeschäften zuwenden können, deshalb habe ich das Angebot gemacht.

Sie gaben sich an der Gmeind zuversichtlich, die drei Vakanzen im Gemeinderat wieder besetzen zu können. Leutwil ist ein kleines Dorf. Machen Sie nicht etwas allzu sehr auf Zweckoptimismus?

Nein. Ich glaube, wenn es uns gelingt, sachorientiert zu arbeiten, dann finden wir Leute, die bereit sind, im Gemeinderat mitzuarbeiten. Ich bin optimistisch, dass wir die Vakanzen besetzen können. Die Wahlen finden am 10. Februar 2019 statt.

Leutwil steht politisch vor einem Scherbenhaufen: Wäre es nicht besser, den Weg freizumachen für einen kompletten Neuanfang in der Gemeinde.

Momentan denke ich nicht an eine Demission. Ich bin von den Lüpuern für die Amtsperiode 2018 – 2021 gewählt. Wenn es jedoch einen triftigen Grund gibt, man beispielsweise der Ansicht ist, dass ich die sachpolitische Arbeit in der Gemeinde behindere, so würde ich sicher nicht im Weg stehen.

Die Gmeind hat das Budget 2019 zurückgewiesen. Entgegen der Ansicht des Gemeinderats ist die Finanzkommission der Meinung, dass sehr wohl noch Sparpotenzial vorhanden ist.

Dem ist überhaupt nicht so. Die grossen Brocken machen die Festausgaben aus und diese können wir nicht beeinflussen. Wir werden andere Ausgaben kürzen oder sogar ganz streichen müssen. Wir werden am falschen Ort sparen müssen, das kann ich jetzt schon sagen.

Die Gmeind verlangt nun, eine Fusion mit der Gemeinde Dürrenäsch zu prüfen. Ist Leutwil im heutigen Zustand überhaupt eine attraktive Braut?

Lüpu hat sehr wohl Qualitäten. Doch meines Erachtens bringt es nichts, nun in einem kleinen Rahmen zu denken. In wenigen Jahren stehen wir sonst wieder am gleichen Ort, da früher oder später alle kleinen Gemeinden die gleichen Probleme haben werden.

Welche Lösung ist für Sie denkbar für die Zukunft von Leutwil?

Das kann ich Ihnen im Moment nicht sagen. Einzig soviel: Als im Kanton Glarus vor Jahren 25 Ortsgemeinden zu drei Einheitsgemeinden fusionierten, wurde der Untergang prophezeit. Doch es funktioniert heute. Entlang des Hallwilersees hat es einige kleine Gemeinden, weshalb also nicht schon jetzt gemeinsam eine Lösung suchen?