Seetal
Grossrätin Colette Basler über Folientunnels: «Wollen wir richtige Bauern oder Landschaftsgärtner?»

Landwirtin und SP-Grossrätin Colette Basler hat deutliche Worte für den beschlossenen Abriss der Seetaler Folientunnel für Aprikosen.

Michael Küng
Drucken
Colette Basler am Parteitag der SP Aargau.

Colette Basler am Parteitag der SP Aargau.

Alex Spichale

Mitten im Aufbau der grössten Aprikosenplantage der Schweiz sollen die Landwirte Urs Baur und Robert Siegrist auf Geheiss des Regierungsrats ihre Tunnelanlagen wieder abreissen: Der Landschaftsschutz geht vor, so das Verdikt. Wegen eines Behördenfehlers kam es erst anderthalb Jahre nach dem Errichten der Tunnel zu diesem Entscheid. «Als Bäuerin hat mir diese Nachricht das Herz gebrochen», sagt Colette Basler gegenüber der AZ.

Die SP-Grossrätin und ehemalige Co-Geschäftsführerin des Schweizerischen Bäuerinnen- und Landfrauenverbands ist selbst Bäuerin. Mit ihrem Mann hat sie den Milchwirtschaftsbetrieb ihrer Eltern in Zeihen (Fricktal) mit 120 Obstbäumen übernommen. Sie meint, selbst wenn die Landwirte finanziell entschädigt würden: «Der emotionale Schaden dürfte viel grösser sein.»

Ausschlaggebend für den Entscheid des Regierungsrats war schliesslich der Landschaftsschutz: Der Regierungsrat folgte einer Beschwerde der Naturverbände Pro Natura, WWF und Bird Life, die sich gegen die weissen Folientunnel gewehrt haben, unter denen die beiden Bauern aus Egliswil und Seengen, die Aprikosen ohne den Einsatz von Pestiziden ziehen wollen.

«Wir wollen eine innovative Landwirtschaft, möchten diese aber nicht sehen»

Für Colette Basler führt das zu einer Grundsatzdiskussion: «Einerseits wollen wir regionale Bioprodukte und andererseits eine Heidi-Schweiz. Doch beides geht nicht, also müssen wir darüber reden, was für eine Landwirtschaft wir in der Schweiz eigentlich wollen.»

Eine Diskussion, die auch im Zuge der anstehenden Initiativen zur Landwirtschaft geführt wird. Mit der Massentierhaltung-Initiative, der Pestiziden-Initiative und der Trinkwasser-Initiative wird das Stimmvolk dieses Jahr gleich dreifach wegweisende Entscheide für die Zukunft der hiesigen Landwirtschaft fällen. «Wir wollen eine innovative Landwirtschaft, möchten diese aber nicht sehen», sagt Basler.

Das sei ein nicht zu lösender Widerspruch. «Wir müssen uns deshalb fragen: wollen wir richtige Bauern oder Landschaftsgärtner?» Plastik sehe nicht schön aus, doch mache es den Verzicht auf Pestizide möglich und mache die Bäume langlebiger. «Auch das sind wichtige Anliegen von Umweltverbänden.»

Viele AZ-Leser wünschen sich lokale Produktion

Die Diskrepanz zwischen Landschafts- und Umweltschutz sprechen auch Leser an. Online sind fast 150 Kommentare zusammengekommen. Ein Leser meint etwa: «Die Beschwerdeführer essen wohl lieber Aprikosen, die durch halb Europa gekarrt wurden, statt sie hier anzubauen.» Und eine Leserin: «Schade, die Aprikosen waren sehr fein.

Ob der LKW weniger schädlich ist, der die Aprikosen nun von weit her über die Strasse karrt, sei dahingestellt.» Eine weitere Stimme meint: «Ich finde Plastiktunnel auch nicht wirklich schön, sie sollten in der Schweiz nicht überhandnehmen. Aber ein innovatives Projekt auf diese Art abzuwürgen, finde ich daneben.»

Aprikosen sind bald verbreiteter als Birnen

2019 wurden in der Schweiz gemäss Bundesamt für Statistik auf 742 Hektaren Aprikosen angepflanzt, das entspricht zwölf Prozent der gesamten Obstanbaufläche. Unangefochtener König der Schweizer Früchte ist der Apfel, der mehr als die Hälfte der Anbaufläche belegt.

Allerdings befindet sich der Apfel bereits seit dem Höhepunkt im Jahr 1996 auf dem Rückzug, allein in den vergangenen zehn Jahren ging die Anbaufläche um fast 500 ha zurück. Auch die Anbaufläche für Birnen schrumpft, sie dürften in den nächsten drei Jahren sogar von den Aprikosen überholt werden, die wie die Kirschen (heute auf 590 ha) stetig zulegen. Einen Aufwärtstrend gibt es sonst nur bei Nischenprodukten, Nüssen, Quitten und Kiwi (zusammen 32 ha).