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Gemeindeammann Ruedi Würgler über sich, sein Dorf und dessen Verständnis von Integration.
Der Ausblick vom «Pfistel»/Rietenberg, der Hochebene über dem Dorf, ist einzigartig. Der Blick geht weit über das Bünztal hinaus in die Schweizer Alpen. Wie auf einer Perlenschnur aufgezogen, reihen sich an Föhntagen die Drei- und Viertausender der Innerschweizer Alpen und des etwas kleineren Alpsteins aneinander. «Manchmal ist selbst der Säntis zu sehen», schwärmt Ruedi Würgler. Hier will sich der 51-jährige Gemeindeammann für das Foto ablichten lassen. Und hier kann er zeigen, dass sein Dorf weit mehr zu bieten hat, als nur Schlagzeilen zu machen wegen abgewiesener Einbürgerungen. Zweimal waren an der Gemeindeversammlung Gesuche um Einbürgerung ohne Begründung abgelehnt worden.
Ruedi Würgler: Ganz sicher zum Schulhaus, ein sicherer Schulweg und eine gute Schulinfrastruktur sind wichtig. Dann würden wir ein paar Schritte weiter zum Dorfladen gehen. Und dann würden wir gemeinsam auf den Rietenberg spazieren. Dort kann man das ganze Dorf überblicken und eine einzigartige Fernsicht geniessen.
Früher kannten die Leute einander, wenn sie sich auf der Strasse begegneten. Das Wachstum hat eine Veränderung herbeigeführt, das ist richtig. Ich möchte es so sagen: Das alte Dintikon ist gleich geblieben. Neuzuzüger bringen eine neue Kultur mit. Das spürt man im Dorf.
Die Gemeinde lädt die Neuzuzüger alle Jahre zu einem Apéro ein. Dabei werden ihnen ihre neue Wohngemeinde und die Dorfvereine vorgestellt.
Es ist eine Tendenz der Politik und auch der Medien, dies zu erwarten. Diese Meinung teile ich nicht: Integration ist Sache der Menschen, die sich eingliedern wollen. Dintikon ist mit seiner grossen Vereinskultur sehr offen für alle, die dies gerne möchten. Die Erfahrung zeigt aber, dass Neuzuzüger tendenziell erst am Dorfleben teilnehmen, wenn ihre Kinder in die Schule kommen. Wir haben einen Ausländeranteil von rund 25 Prozent, das ist Schweizer Durchschnitt heute. Integrationsmassnahmen als solche machen jedoch keinen Sinn, wenn ich jemandem unser Dorf aufzwingen will, der gar kein Bedürfnis hat, uns besser kennen zu lernen. Das ist vergebene Liebesmühe und frustriert beide Seiten.
(Schmunzelt). Ich hoffe es, ich denke schon. Im Grossen und Ganzen. Aber eigentlich müsste man diese Frage der Bevölkerung direkt stellen.
(Lacht). Das ist so: Für die Dintiker bin ich ein Linker. Die Erklärung liegt in der parteipolitischen Positionierung. Die SVP ist weiter rechts angesiedelt als die FDP.
Ja, das ist so. Als es vor zehn Jahren um die Kandidatur in den Gemeinderat und gleichzeitig zum Amt des Vizeammanns ging, habe ich mich den Freisinnigen angeschlossen, die mich auch portiert haben. Damals dachte ich, mit dieser parteipolitischen Zugehörigkeit in einem von der SVP dominierten Dorf als Gemeindeammann gar nicht wählbar zu sein. (Lacht). Ein Irrtum, wie sich dann herausstellte.
Nein, nicht wirklich. Doch gibt es Termine, die mir weniger zusagen. Zum Beispiel «Häppli/Cüpli»-Veranstaltungen ohne wirklichen Inhalt. Allerdings muss ich Sie enttäuschen: Ich bin kein Politiker.
Ruedi Würgler, Gemeindeammann von Dintikon, ist kein Politiker. Ich werde auch nie einer sein. Hier bin ich Diener der Gemeinde. Zusammen mit dem Gemeinderat und vielen anderen erbringe ich im Dorf eine Dienstleistung und kann etwas bewegen. Ein Legislativamt wäre nichts für mich.
Mich freut die Kreditabrechnung für das neue Schulhaus, die mit rund 3,5 Millionen Franken einen Drittel unter dem bewilligten Kredit abschliesst. Eine hervorragende Baukommission und allen voran ihr Präsident haben den Bau extrem professionell begleitet.
Nein.
Das ist richtig. Wir leben in der Schweiz in einer direkten Demokratie. Es sind mündige Bürger, welche an der Gmeind diesen Entscheid getroffen haben. Gegen Empfehlung des Gemeinderates und im Wissen um die Konsequenzen, wenn die abgewiesene Partei Rekurs erhebt.
Nicht wahrnehmbar. Noch einmal: Der Stimmbürger war sich der Konsequenzen dieses Volksbeschlusses zum Vornherein bewusst. Das Einbürgerungs-Verfahren wird übrigens an der kommenden November-Gmeind wiederholt.
Weshalb? Das ist ein direktdemokratischer Entscheid, dessen Folgen man zu tragen bereit ist. Punkt. Es ist die Presse, welche der Sache anschliessend so viel Bedeutung beigemessen hat. Ich glaube nicht, dass wir einen ernst zu nehmenden Imageschaden erlitten haben. Ich möchte betonen: Hier wird niemand einfach so ausgegrenzt. Man erwartet von jemandem, der hier Wohnsitz nimmt, in einem gesunden Mass Willen zur Integration. Menschen, die sich dem anpassen, was hier so der Brauch ist, sind und waren in Dintikon herzlich willkommen.
Nein. Wir haben uns als Gemeindebehörde absolut korrekt verhalten. Das hat man dem Gemeinderat beim Kanton auch attestiert. Wir haben das Einbürgerungsgesuch geprüft und gaben eine Empfehlung ab. An der Gemeindeversammlung klärten wir über die Rechtsmittel auf, welche allenfalls Abgewiesene ergreifen können. Und wir orientierten die Stimmbürger über die Folgen eines unbegründeten Abweisungsentscheides.
Ich habe ein paar Anrufe erhalten. Man erkundigte sich, ob es sich um einen bewilligten Aufenthalt handelt. Mehr nicht. Vielleicht führte der eine oder andere Spaziergang deswegen in Richtung des Lagers. Dintikon erlebt so etwas nicht oft.
Sicher! Sie können jedoch niemanden zwingen, sich einzugliedern. Es gibt ganz viele Menschen, die möchten ihr Leben ihren eigenen Vorstellungen entsprechend gestalten und ihre eigene Kultur leben. Das ist in Ordnung, solange das zu keinen Konflikten mit den anderen Bewohnern führt. In dieser Beziehung habe nicht nur ich persönlich eine sehr liberale Haltung, auch die Dintiker sind diesbezüglich sehr grosszügig – auch wenn die Presse gerne etwas anderes behauptet.
(Lacht) Dieses Thema allein wäre eine längere Geschichte wert. In meinen Augen ist die Politik heutzutage viel zu weit entfernt vom Bürger. Wir sind an einem Punkt angelangt, wo die grundsätzlich guten demokratischen Instrumente infrage gestellt werden. Man behält sie zwar noch pro forma, aber eigentlich hat der Bürger allzu oft nichts mehr zu sagen. Ich nenne das «eine Verwaltungsdiktatur». Und das geht mir schwer gegen den Strich.
Nein. Es ist einfach so: Wenn ich gegen etwas bin, kämpfe ich dagegen. Wenn ich etwas gut finde, setze ich mich ein für dessen Verwirklichung. Dies mit den demokratischen Mitteln, die mir zur Verfügung stehen, in einem konstruktiven, gutschweizerischen Sinn. Zusammen mit andern und in Gremien wie dem LLS habe ich die Möglichkeit, bei der Meinungsbildung mitzusteuern und mitzugestalten.
Ich versuche, meine Gemeinderatskollegen zu sensibilisieren, dass sie gewisse Mechanismen hinterfragen. Beispielsweise Vernehmlassungen mit Gesetzestexten, die nur in Richtung Machtkonzentration des Kantons und gegen die Gemeindeautonomie laufen und damit letztendlich zulasten des Bürgers gehen. So etwas kann ich nicht gutheissen.
Wir gehen von einem moderaten Bevölkerungswachstum aus. Ich glaube und hoffe auch, dass wir die Zahl von 3000 Personen nicht übersteigen. Grosse Baulandressourcen sind nicht mehr vorhanden. Hingegen sind Möglichkeiten zur Verdichtung da. Grosse Parzellen mit Einfamilienhäusern werden künftig wohl mit mehr Wohneinheiten besetzt werden. Dabei hoffe ich sehr, dass es Dintikon gelingt, seine ländlichen Strukturen zu bewahren.
Ja.
Nebst Einbürgerung und Schulhaus-Kreditabrechnung ist an der Gemeindeversammlung die Jahresrechnung 2015 mit einem Überschuss von 684 000 Franken zu genehmigen. Die Kreditabrechnung für die Sanierung der Werke und der Dorfstrasse schliesst ebenfalls 20 Prozent unter Budget ab. Für die zwei Reservoire Brüggem und Riedli müssen neue UV-Anlagen für 98 000 Franken beschlossen werden. Hinzu kommt eine Änderung des Erschliessungsfinanzierungsreglements. Dieses sieht die Erhöhung der Grundgebühr pro Kubikmeter Wasserbezug um 2 Franken auf 16 Franken vor. Beantragt ist zudem, die Verbrauchsgebühr von 80 Rappen auf Fr. 1.40 pro bezogenen Kubikmeter Wasser zu steigern. Dazu sagt Gemeindeammann Würgler: «Das Bevölkerungswachstum und die wasserarmen Jahre haben die Reserven in der Wasserkasse aufgebraucht. Wir mussten Wasser beim Wasserverbund der IBW beziehen, und zwar zu höheren Preisen, als unser Tarif ist. Grundsätzlich ist es so, dass der Wasserpreis in Dintikon seit längerem zu tief ist.» (Str)