Startseite
Aargau
Lenzburg
Sarah Wegmann ist der erste weibliche Offizier bei der Regio Feuerwehr Lenzburg. Mit dem Thema Frauenquote kann sie allerdings nichts anfangen.
Man solle doch bitte schön aufhören von Offizierin zu sprechen, diese Bezeichnung gäbe es nämlich nicht. Sie sei zum Offizier befördert worden. Mit dieser Bemerkung gegenüber einem Kameraden machte Sarah Wegmann am Rande der Beförderungsfeier der Regio Feuerwehr Lenzburg deutlich, dass sich ihr Interesse für Geschlechterfragen innerhalb der Feuerwehr in engen Grenzen hält.
Tatsache bleibt aber: Mit Sarah Wegmann befindet sich zum ersten Mal ein weiblicher Offizier in den Reihen der Regio Feuerwehr Lenzburg. Und die 30-Jährige kann nach nur sechs Jahren Feuerwehrdienst bereits auf eine steile Karriere zurückblicken. Dabei schien ursprünglich nichts auf diesen Werdegang im öffentlichen Dienst hinzudeuten. «Für die Feuerwehr habe ich mich überhaupt nicht interessiert, als ich mit 20 Jahren ein erstes Aufgebot zur Aushebung erhielt», sagt Sarah Wegmann bei einem Gespräch.
Die gelernte Motorradmechanikerin wohnt zwar bereits seit ihrer Kindheit in Lenzburg. Weil sich aber ihre Arbeitsstelle ausserhalb der Stadt befand und sie die meisten Wochenenden als Oldtimermotorrad-Rennfahrerin auf verschiedenen Rennpisten Europas verbrachte, pflegte Wegmann kaum persönliche Kontakte in Lenzburg.
Dies änderte sich erst, als sie 2010 in Lenzburg zu arbeiten begann und erneut eine Einladung der Feuerwehr zur Rekrutierung erhielt. «Ich bin dann an die Aushebung gegangen mit dem Gedanken, vielleicht lernst du ja jemanden kennen.» Wegmann trat in die Feuerwehr ein, arbeitete das erste Jahr im Löschzug mit und übernahm dann, als ausgebildete Mechanikerin lag es quasi auf der Hand, auch in der Gruppe der Maschinisten ihren Dienst.
So weit, so normal. Doch wer Sarah Wegmann kennen lernt, merkt schnell, dass ihre Interessen äusserst breit gefächert sind. Neben der Leidenschaft für Oldtimer Motorräder und Sport oder der neunjährigen Karriere als Motorrad-Rennfahrerin kann man sich mit ihr auch ausführlich über Blues- und Swing-Musik der 1920er- bis 50er-Jahre oder die Vorzüge von selbst gemachten Saucen unterhalten. «Ich besass schon immer eine grosse Faszination für das Handgemachte und das Technische», sagt Wegmann.
Woher diese Faszination komme, könne sie nicht mit Bestimmtheit sagen. «Glaubt man an die Theorie der erblichen Vorbelastung, sind wohl mein Vater und meine Grossväter dafür verantwortlich.» Es scheint aufgrund ihrer vielfältigen Interessen nur konsequent, dass sich Wegmann auch in der Feuerwehr den verschiedensten Betätigungsfeldern zuwandte. Sie ist im Atemschutz und der Verkehrsgruppe aktiv, absolvierte die Ausbildung zum Chauffeur, bedient die Autodrehleiter und arbeitet in der Absturzsicherung.
Pro Jahr nimmt Sarah Wegmann an rund 50 Übungen der Regio Feuerwehr teil und mit der Beförderung zum Leutnant und zum stellvertretenden Chef TLF/MS werden noch einige Übungsstunden hinzukommen. «Ich bin gespannt, was mich erwartet. Ich will vor allem versuchen, mich weiterzuentwickeln», sagt Sarah Wegmann. Sie habe nie geplant, Karriere in der Feuerwehr zu machen. Man sei stets auf sie zukommen und habe sie zu Zusatzausbildungen ermuntert.
Bei der Frage allerdings, was es für sie bedeute, als erste Frau zum Offizier befördert worden zu sein, winkt sie ab. «Das ist mir ehrlich gesagt nicht so wichtig. Auch mit dem Thema Frauenquote ist man bei mir an der falschen Adresse. Ich wollte nie speziell behandelt werden, und das wurde ich auch nicht.» Sie sei stolz auf das Erreichte, aber nicht deshalb, weil sie eine Frau sei.
Sie habe in der Regio Feuerwehr Lenzburg auch nie einen Vorbehalt gespürt bezüglich ihres Geschlechts. Das Thema scheint damit so schnell beendet, wie es aufgeworfen wurde. Doch eine Bemerkung macht Sarah Wegmann dann doch noch: «Ich finde, keine Frau sollte jemals das Gefühl haben, sie könne etwas nicht schaffen.»
Weshalb es Sarah Wegmann geschafft hat, in der Regio Feuerwehr innerhalb von wenigen Jahren eine leitende Funktion als Leutnant zu übernehmen, erklärt Kommandant Roger Strebel so: «Sarah ist eine offene und lernbegierige Person mit grossem Einsatzwillen. Und dank ihrem beruflichen Hintergrund verfügt sie auch über ein grosses technisches Wissen, das sich in der Feuerwehr auszahlt. Das alles sind sehr günstige Voraussetzungen für eine Karriere in der Feuerwehr.»
Von den vielen Einsätzen, zu denen Sarah Wegmann in den letzten fünf Jahren ausrücken musste, blieb ihr vor allem der Grossbrand auf dem Wisa-Gloria-Areal in Erinnerung. «Ich bin von der Ringstrasse her an den Einsatzort gefahren, der ganze Himmel hat orange geleuchtet. Das war eindrücklich», sagt sie.
Man mache sich in einem solchen Moment aber nicht viele Gedanken. «Man steht ziemlich unter Strom und macht das, wozu man ausgebildet wurde.» Angst habe sie bei dem Einsatz keine verspürt. «Wovor soll man Angst haben? Wir trainieren regelmässig und wissen, was zu tun ist.»
Dankbar ist Sarah Wegmann für die Unterstützung, welche die Regio Feuerwehr aus der Bevölkerung erfährt. Es gibt nur einen Wermutstropfen, den Wegmann mit ihrem Feuerwehrdienst verbindet. Und das sind die zunehmend unflätigen Kommentare der Autofahrer, wenn die Feuerwehr eine Strasse sperren muss.
«Ich habe inzwischen so ziemlich jeden Fäkalausdruck schon gehört». Es sei schade, dass manche Menschen kein grösseres Bewusstsein dafür haben, dass die Feuerwehr eine Strasse beispielsweise nachts um eins nicht aus Spass schliesse. Wenn sie das tut, sagt Wegmann, dann hat das immer einen ernsten Hintergrund.