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Finden Ermittler am Tatort DNA-Spuren, können sie in der nationalen Verbrecherdatenbank nicht nur nach dem Täter suchen, sondern auch nach seinen Verwandten. Wie jetzt bekannt wird, ist diese Suche auch im Fall Rupperswil durchgeführt worden. Die sogenannte Verwandtenrecherche erntet Kritik von verschiedenen Seiten.
Eine heikle Ermittlungsmethode hält laut einer Meldung der "Sonntagszeitung" bei den Staatsanwaltschaften Einzug. Mit der an Tatorten, Waffen oder Körpern sichergestellten DNA ist es heutzutage möglich, in der nationalen Verbrecherdatenbank auch nach Familienangehörigen zu suchen. Dank möglichen kriminellen Verwandten erhoffen sich die Strafverfolger neue Erkenntnisse über Täter.
Wenn die Ermittler die Erbgut-Information in der Datenbank abfragen, finden sie den Täter nur, wenn die Informationen vollständig übereinstimmen. Die Verwandtenrecherche kann aber mehr: Schon eine Teil-Übereinstimmung genügt für einen Treffer. Das ist möglich, weil sich das Erbgut von Eltern, Kindern und Geschwistern gleicht.
Das Bundesamt für Polizei Fedpol hat 12 Anträge für eine solche Verwandtenrecherche bewilligt. Unter anderem kam die Methode in der Untersuchung des Rupperswiler Vierfachmordes zum Einsatz. Sie führte allerdings weder zum Täter noch zu dessen Verwandten.
Am 21. Dezember 2015 hatte der 33-jährige Thomas N. aus Rupperswil in einem Einfamilienhaus Carla Schauer (48†), ihre beiden Söhne Davin (†13) und Dion (†19) sowie dessen Freundin Simona F. (†21) ermordet. Monatelang suchte die Polizei den Mörder. Am 12. Mai 2016 nahm sie N. schliesslich fest – ohne Hilfe der Verwandtenrecherche.
Solche DNA-Suchläufe sind allerdings umstritten, weil es im Gesetz keine Grundlage dafür gibt. Möglich sind sie nur, weil sie der Kanton Genf für die Aufklärung eines Tötungsdelikts erzwungen hatte. Von zahlreichen Seiten regt sich nunmehr Widerstand gegen die Anwendung dieser Methode. Die Verwandtenrecherche weite den Zweck der DNA-Analyse aus, kritisiert der eidgenössische Datenschutzbeauftragte Adrian Lobsiger. "Das ist kriminalpolitisch und grundrechtlich bedenklich. Wir bewegen uns hier auf einem gefährlichen Weg", sagt er zur "Sonntagszeitung". Lobsiger gehört zu den Kritikern der ersten Stunde. Er war früher stellvertretender Fedpol-Direktor. In dieser Funktion hatte er den Antrag der Genfer persönlich abgelehnt.
Kritik kommt auch vom Anwaltsverband: Strafrechtsprofessor Niklaus Ruckstuhl sagt, sein Verband erachte die Verwandtenrecherche schlicht als "unzulässig, so wünschbar der Erfolg im Einzelfall auch sein mag".
In der nationalen Verbrecherdatenbank sind derzeit fast 200'000 Personenprofile gespeichert. Praktisch alle Personen, die ein Vergehen oder Verbrechen begangen haben, können darin landen. Gemäss Fedpol führte die Methode bisher noch nie zu einem Ermittlungserfolg. (sda/mwa)