Vierfachmord
Ermittler führten im Fall Rupperswil umstrittene DNA-Suche durch

Finden Ermittler am Tatort DNA-Spuren, können sie in der nationalen Verbrecherdatenbank nicht nur nach dem Täter suchen, sondern auch nach seinen Verwandten. Wie jetzt bekannt wird, ist diese Suche auch im Fall Rupperswil durchgeführt worden. Die sogenannte Verwandtenrecherche erntet Kritik von verschiedenen Seiten.

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Vierfachmord Rupperswil – von der Tat bis heute
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Vierfachmord Rupperswil – von der Tat bis heute 21. Dezember 2015: An diesem Tag kommt es in diesem Haus zum Vierfachmord.
Kurz vor Mittag geht bei der Feuerwehr Rupperswil-Auenstein ein Notruf über einen Brand in diesem Einfamilienhaus in Rupperswil ein.
Beim Einsatz finden Feuerwehrleute vier verkohlte Leichen im Haus.
Schnell ist klar: Es handelt sich um ein Verbrechen. Die Opfer waren gefesselt und wiesen Stich- und Schnittverletzungen auf.
Eine Forensikerin auf dem Weg zum Tatort im Rupperswiler Spitzbirrli-Quartier.
Die Ermittler sichern Spuren im und um das Haus.
Kapo-Medienchef Roland Pfister informiert die Medien über die vier gefundenen Leichen im Wohnhaus.
23. Dezember 2015: Zwei Tage nach der Bluttat sind die Opfer identifiziert: Es handelt sich um Carla Schauer (†48), ihre beiden Söhne Davin (†13) und Dion (†19) sowie dessen Freundin Simona (†21).
Mit Flugblättern sucht die Polizei bald in Rupperswil nach Personen, die Auskunft zur Bluttat mit den vier Personen machen können.
Auf dem Flugblatt ist auch das Bild von Carla Schauer (†48) zu sehen, wie sie am Tag wenige Stunden vor ihrem Tod an einem Geldautomaten in Rupperswil 1000 Euro abhebt.
Später taucht auch dieses Bild einer Überwachungskamera auf: Carla Schauer hebt knapp 20 Minuten nach dem Bancomat-Bezug weiteres Geld an einem Bankschalter in Wildegg ab. Es sind zirka 9000 Franken.
Trauerbekundungen beim Haus im Rupperswiler Spitzbirrli-Quartier, wo die vier getöteten Personen gefunden wurden.
Die Ermittlungsarbeiten zum Tötungsdelikt in Rupperswil reissen auch über die Feiertage nicht ab.
Für die Ermittler bedeutet der Fall Knochenarbeit: Ein Polizist leuchtet in einen Schacht.
8. Januar 2016: In Rupperswil findet ein Gedenk-Gottesdienst für die Opfer statt.
Rund 500 Personen wohnten dem Trauer-Gottesdienst bei. Wegen des grossen Andrangs mussten rund 200 Gäste den Gottesdienst vom Saal des Kirchgemeindehauses aus verfolgen.
Der Schock über die schreckliche Tat sitzt tief: Trauernde geben sich Halt
21. Januar 2016: Die Aargauer Staatsanwaltschaft gelangt an die ZDF-Sendung "Aktenzeichen XY – ungelöst". Im April wird der Mordfall von Rupperswil in München aufgezeichnet.
18. Februar 2016: Polizei und Staatsanwaltschaft informieren erstmals ausführlich über die Geschehnisse in Rupperswil an einer Pressekonferenz.
An dieser Pressekonferenz setzen die Behörden eine Belohnung von bis zu 100'000 Franken für Hinweise auf die Täterschaft aus.
Aus der Bevölkerung gehen hunderte Hinweise ein – keiner führt die Polizei auf die richtige Spur. Um den Vierfachmord von Rupperswil aufzuklären, haben die Aargauer Untersuchungsbehörden einen Aufwand betrieben wie noch nie zuvor.
13. Mai 2016: Fast fünf Monate nach dem Tötungsdelikt laden Polizei und Staatsanwaltschaft kurzfristig zu einer zweiten grossen Pressekonferenz ein.
Oberstaatsanwalt Philipp Umbricht enthüllt: Der Täter ist gefasst! Es handelt sich um einen 33-Jährigen aus Rupperswil, der nicht vorbestraft ist.
Der mutmassliche Mörder von Rupperswil: Thomas N. war jahrelang Fussball-Trainer und betreute C-Junioren.
Seine Fussballkollegen beschreiben ihn als Einzelgänger und guten Trainer.
In diesem Haus in Rupperswil – nur wenige Meter vom Haus der Familie Schauer entfernt – wohnte Thomas N.
Diesen Rucksack mit Tatutensilien für den nächsten Mord hat die Polizei im Haus von Thomas N. sichergestellt.
Die Haustür des Gebäudes wurde von der Polizei – nach einer Hausdurchsuchung – amtlich versiegelt.
Wenige Tage nach der Ergreifung des Täters wird bekannt: Die Rechtsanwältin Renate Senn wird den Mörder von Rupperswil vor Gericht vertreten.
Ein Jahr nach der Tat gab es in Rupperswil keine Gedenkfeier. Ammann Ruedi Hediger: «Die Wunden «sind am Verheilen.»

Vierfachmord Rupperswil – von der Tat bis heute

Fotos: HO und Sandra Ardizzone / Montage: az

Eine heikle Ermittlungsmethode hält laut einer Meldung der "Sonntagszeitung" bei den Staatsanwaltschaften Einzug. Mit der an Tatorten, Waffen oder Körpern sichergestellten DNA ist es heutzutage möglich, in der nationalen Verbrecherdatenbank auch nach Familienangehörigen zu suchen. Dank möglichen kriminellen Verwandten erhoffen sich die Strafverfolger neue Erkenntnisse über Täter.

Wenn die Ermittler die Erbgut-Information in der Datenbank abfragen, finden sie den Täter nur, wenn die Informationen vollständig übereinstimmen. Die Verwandtenrecherche kann aber mehr: Schon eine Teil-Übereinstimmung genügt für einen Treffer. Das ist möglich, weil sich das Erbgut von Eltern, Kindern und Geschwistern gleicht.

Das Bundesamt für Polizei Fedpol hat 12 Anträge für eine solche Verwandtenrecherche bewilligt. Unter anderem kam die Methode in der Untersuchung des Rupperswiler Vierfachmordes zum Einsatz. Sie führte allerdings weder zum Täter noch zu dessen Verwandten.

Am 21. Dezember 2015 hatte der 33-jährige Thomas N. aus Rupperswil in einem Einfamilienhaus Carla Schauer (48†), ihre beiden Söhne Davin (†13) und Dion (†19) sowie dessen Freundin Simona F. (†21) ermordet. Monatelang suchte die Polizei den Mörder. Am 12. Mai 2016 nahm sie N. schliesslich fest – ohne Hilfe der Verwandtenrecherche.

Kritik wird laut

Solche DNA-Suchläufe sind allerdings umstritten, weil es im Gesetz keine Grundlage dafür gibt. Möglich sind sie nur, weil sie der Kanton Genf für die Aufklärung eines Tötungsdelikts erzwungen hatte. Von zahlreichen Seiten regt sich nunmehr Widerstand gegen die Anwendung dieser Methode. Die Verwandtenrecherche weite den Zweck der DNA-Analyse aus, kritisiert der eidgenössische Datenschutzbeauftragte Adrian Lobsiger. "Das ist kriminalpolitisch und grundrechtlich bedenklich. Wir bewegen uns hier auf einem gefährlichen Weg", sagt er zur "Sonntagszeitung". Lobsiger gehört zu den Kritikern der ersten Stunde. Er war früher stellvertretender Fedpol-Direktor. In dieser Funktion hatte er den Antrag der Genfer persönlich abgelehnt.

Kritik kommt auch vom Anwaltsverband: Strafrechtsprofessor Niklaus Ruckstuhl sagt, sein Verband erachte die Verwandtenrecherche schlicht als "unzulässig, so wünschbar der Erfolg im Einzelfall auch sein mag".

Fast 200'000 Einträge

In der nationalen Verbrecherdatenbank sind derzeit fast 200'000 Personenprofile gespeichert. Praktisch alle Personen, die ein Vergehen oder Verbrechen begangen haben, können darin landen. Gemäss Fedpol führte die Methode bisher noch nie zu einem Ermittlungserfolg. (sda/mwa)