Wildegg
Eine heikle Knolle: Auch die Zuckerrübe ist aktuell von einem Virus bedroht

Bauer Jakob Gebhard aus Wildegg lebt für die Zuckerrübe. Momentan wird sie von einem Virus bedroht. Lohnt sich der Anbau noch?

Janine Gloor
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In Lenzburg werden in drei Wochen 20 Tonnen Rüben verladen.

In Lenzburg werden in drei Wochen 20 Tonnen Rüben verladen.

Bilder: Britta Gut
Diese Rüben hat die viröse Vergilbung erwischt.

Diese Rüben hat die viröse Vergilbung erwischt.

Bilder: Britta Gut

Wenn sich neben den Feldern die Zuckerrüben in Haufen sammeln, dann ist definitiv Herbst. Von Ende September bis Weihnachten dauert die Ernte der Zuckerrüben. Optisch ist die Rübe unspektakulär. Trotzdem ist Bauer Jakob Gebhardt aus Wildegg begeistert von dem Exemplar, das er gerade aus dem Boden gezogen hat.

«Das ist eine Traum-Rübe», sagt er. Sie sieht tatsächlich nicht schlecht aus, massiv, mit zulaufendem Spitz und viel grünem Kraut. Längst nicht alle Zuckerrüben erreichen dieses Stadium. Die nächste, an deren grünem Haupt er zieht, hat die Grösse einer Zitrone. «Diese Rübe hatte Pech im Leben», sagt der Bauer.

Ein Virus bedroht die Zuckerrüben

Die Zuckerrübe wird von März bis April ausgesät. Je länger sie im Boden bleibt, desto höher ist bei der Ernte ihr Zuckergehalt. Und so lange sie im Boden ist, können ihr Krankheiten und Unkraut zuleidewerken. Aktuell haben die Rüben auch mit einem Virus zu kämpfen. Es wird via Blattläuse übertragen und lässt die Rüben vergilben. In gewissen Regionen ist die Verzweiflung der Rübenbauern so gross, dass ein Nationalrat und Rübenbauer einen Vorstoss eingereicht hat, um ein vor zwei Jahren verbotenes Insektizid wieder zuzulassen.

Jakob Gebhard hatte in einem seiner Felder auch einen Befall der virösen Vergilbung. Die gelbe Farbe ist wieder abgeklungen, heute liegen die Blätter im Umkreis von ein paar Metern Durchmesser verkümmert am Boden. Es sind noch Rüben dran, doch sie sind kleiner und mit weniger Zuckergehalt als die gesunden. Ein finanzielles Problem für die Bauern. «Wir werden nach Qualität bezahlt», sagt Gebhard. Mit einer Stichprobe wird jede Ladung auf ihren Zuckergehalt überprüft, der den Verkaufspreis beeinflusst.

Diese Rüben hat die viröse Vergilbung erwischt.

Diese Rüben hat die viröse Vergilbung erwischt.

Bilder: Britta Gut

Jakob Gebhard hatte Glück, was die viröse Vergilbung betrifft. «In der Westschweiz ist es ein extremes Problem», sagt er. Gebhard sieht auch über den Rand seiner Rübenfelder hinaus. Er ist Vizepräsident der Genossenschaft Rübenumschlag Mittelland. Die Genossenschaft mit 320 Mitgliedern organisiert den Rübentransport vom Feld in die Zuckerfabriken in Frauenfeld oder Aarberg. Beim Gang über seine Felder zeigt Gebhard eine Rübe, deren Blätter braune Flecken haben. Die Blattfleckenkrankheit ist ein Pilz, wenn sie eine junge Pflanze befällt, kann die Rübe nicht wachsen. Jetzt im Herbst ist ein Krankheitsbefall nicht mehr so schlimm. «Ein alter Mensch muss ja auch keinen Marathon mehr rennen», sagt Gebhard.

Die Bienen vor dem Pestizid schützen

Jammern liege ihm fern. Er würde es begrüssen, wenn der Wirkstoff Imidacloprid aus der Familie der Neonicotinoiden wieder zugelassen wäre. Das Mittel wird in einer Substrat-Ummantelung direkt um die Samen der Zuckerrüben gegeben. In Kritik geraten ist es unter anderem wegen der schädlichen Folgen für die Bienen. «Die Zuckerrüben blühen nicht, hier hat es keine Bienen», sagt er. Indem man nach den Rüben etwa Getreide anpflanze, entstehe auch in den folgenden Jahren keine Kultur mit Blüten. Jakob Gebhard ist nicht gegen Bio. Aber ein Bio-Zuckerrübenbauer würde er nicht sein wollen. Zu heikel und anfällig sei das lange Wachstum der Rübe.

Gebhard hat den Hof in Wildegg von seinem Vater übernommen. Heute stellt die Vermietung von Festmobiliar seine Haupteinnahmequelle dar. Doch dieses Geschäft war heuer eine Nullnummer, der Blick auf nächstes Jahr bereitet ihm Sorgen. Die Kürbisse, mit denen er und seine Frau ein ganzes Zelt füllen, würden gut rentieren – «wenn die Leute denn den angeschriebenen Preis bezahlen».

Es geht nicht nur um die Rübe

In Lenzburg werden in drei Wochen 20 Tonnen Rüben verladen.

In Lenzburg werden in drei Wochen 20 Tonnen Rüben verladen.

Bilder: Britta Gut

Spätestens seit der Gründung der Genossenschaft 1991 lebt Jakob Gerhard für die Rübe. Und trotzdem sagt er: «Die Welt würde ohne Zuckerrüben aus der Schweiz nicht untergehen.» Doch man hätte eine Kultur weniger für die Fruchtfolgeflächen. Und es würden Arbeitsplätze wegfallen, in den Fabriken und bei der Weiterverarbeitung; Erde zu Blumenerde oder Rübenschnitze zu Tierfutter. Und das sei nicht alles. «Hinzu kommt eine ganze Wertschöpfungskette», sagt Gebhard, zum Beispiel der Handel mit den Erntemaschinen und die Transporte, etwa für die SBB. «Der Preis, den die Bauern für die Rüben erhalten, ist das Billigste in der Wertschöpfung.» Wenn die Zuckerrüben nicht mehr produziert werden, würden nicht nur die Bauern leiden.

In Lenzburg werden momentan die Rüben auf die Bahn verladen. Ein Traktor nach dem anderen fährt vor und übergibt die Rüben einem gelben Ungetüm. Es dröhnt gewaltig, wenn die ersten Knollen in den Bahnwaggon rumpeln. Die Genossenschaft übernimmt den Transport von Feld zur Bahn. In den knapp drei Wochen, in denen in Lenzburg verladen wird, werden hier zirka 20'000 Tonnen der süssen Knollen verladen und nach Frauenfeld gefahren. Insgesamt bewegt die Genossenschaft etwa 120'000 Tonnen Zuckerrüben pro Jahr.