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Lenzburg
Vor einem Vierteljahrhundert wurde die Lenzburger Rathausgasse auf das Niveau der Treppenstufen aufgefüllt und der historische Zustand wieder hergestellt.
Mit der Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes im historischen Stadtzentrum, nämlich eines breiten Gassenraumes von Häuserfront zu Häuserfront, verkehrsarm, fussgänger- und gewerbefreundlich, wurde vor 25 Jahren die Lenzburger Rathausgasse wieder zum Herzstück vielfältiger Begegnungen und Veranstaltungen. Dass angeblicher Rückschritt auch Fortschritt bedeuten kann, hat sich seither bewiesen. Ein Blick zurück in die wechselvolle Planungsgeschichte der einstigen Lenzburger «Lebensader» belegt aber auch, dass bezüglich Lebensqualität im Laufe der Jahrhunderte kontroverse Anschauungen herrschten.
Funktion vor Tradition
Noch bis 1985 zwängte sich der Verkehrsmoloch – auch mit mehreren PS – von Zürich nach Bern durch das «Nadelöhr» Stadtzentrum. Der Auffüllung der versenkten Fahrbahn stand das Motto «Funktion vor Tradition» zu Gevatter. Vorausgegangen war 1988 ein höchst umstrittenes Fahr- und Parkierungsverbot – sehr zum Leidwesen des ansässigen Gewerbes.
Als weiteren Schritt zur weitgehend verkehrsfreien Altstadt plante man sodann den baulichen Eingriff mit dem Ziel, die Rathausgasse «zu einem beliebten und angenehmen Platz zu gestalten, auf welchem sich die Lenzburger treffen und hin und wieder Feste feiern werden», hiess es in der Vorlage des Einwohnerrates. Dieser stimmte am 30. April 1988 nach ausführlicher Debatte von «Traditionalisten und Funktionalisten» schliesslich mit 29 gegen 6 Stimmen einem Kredit von 614 800 Franken für die Umgestaltung deutlich zu. Dazu gehörten auch die Versetzung des Rathausbrunnens an den heutigen Standort vor dem Alten Amtshaus und die Rekonstruktion des wieder entdeckten Sodbrunnens vor dem Rathaus.
Angesichts der in der Bevölkerung ebenfalls emotional kontrovers geführten Diskussion um die baulichen Veränderungen in der Rathausgasse wurde der Beschluss im Einwohnerrat freiwillig dem Referendum unterstellt. Das Volk sanktionierte die Vorlage alsdann mit 1184 Ja gegen 990 Nein relativ knapp. Zum positiven Entscheid trug sicher auch die Aktion der Freisinnigen bei, welche den oberen Teil der Gasse provisorisch auffüllten und damit im Massstab 1:1 anschaulich bewiesen, dass die Vorteile des erweiterten Gassenraumes überwiegen.
«Einzige Chance zum Überleben»
Unterstützung fand das Projekt beim anfänglich skeptischen Gewerbeverein, der im «Fussgängerparadies» die «einzige Chance zum Überleben» sah und ein Pro-Komitee bildete. «Die Rathausgasse ist tot wie eine Goldgräberstadt in Arizona», meinte ein Befürworter. Eine «Goldgrube» für das Gewerbe ist sie allerdings nicht geworden.
Und seitdem ein Jahr später dann noch das «Jahrhundertprojekt» Kerntangente die Zustimmung des Volkes fand, ist die Altstadt heute wieder ein akzeptabler Wohnort. Schon im Juli 1989 – ein halbes Jahr früher als geplant – konnte das neue «Gesicht» der Gasse am Jugendfest genossen und gefeiert werden. Damit war die «Feuertaufe» glänzend gelungen. Für die eigentliche Einweihung aber wurde im Mai 1990 eigens ein grosses Altstadtfest angerichtet – möglich gemacht hat dies der neu gewonnene Freiraum in der Altstadt.