Wie die grüne Branche Kinder weg vom Computer und wieder zurück in die Natur locken will, denn viele Kinder, egal ob aus der Stadt oder vom Land, haben heutzutage kaum mehr etwas mit Erde zu tun.
Längst ist es nicht mehr ein Syndrom von Grossstadt-Kindern: Auch auf dem Land gibt es junge Menschen im Grundschulalter, die keine Ahnung haben, wie das Element Erde sich anfühlt.
Im Zuge einer optimalen Auslastung seiner Schulräume plant der Kanton die Bildung von Kompetenzzentren für Berufsschulen. Diese Massnahme hat die Schliessung von Schulen zur Folge. Zu den betroffenen Standorten gehört das Berufsbildungszentrum Niederlenz (BBZ).
Geht es nach dem Departement für Bildung, Kultur und Sport (BKS) konzentriert sich Niederlenz in Zukunft auf die praktische Ausbildung, der schulische Teil soll dem künftigen Kompetenzzentrum für grüne Berufe zugewiesen werden.
Dieses Verdikt will man in Niederlenz nicht einfach so entgegennehmen. Mit einer Petition will man einer Aufhebung der Schule entgegenwirken. «Eine breit angelegte Unterschriftenaktion läuft», sagt Brigitte Vogel. Die BBZ-Geschäftsführerin macht darauf aufmerksam, dass mit der Aufgabe der theoretischen Ausbildung in Niederlenz ein einzigartiges Ausbildungskonzept, das auch schwächeren Schülern eine Lehre ermögliche, zunichtegemacht würde.
Nach dem Bekanntwerden der Absicht des BKS hatte Schulvorstandspräsidentin Priska Stalder im Juni gegenüber der az erklärt, die Trägerin mache sich grundsätzliche Gedanken über die Zukunft der Institution. Stalder ist gleichzeitig Präsidentin der Schweizerischen Gemeinnützigen Frauen (SGF), der Trägerorganisation des BBZ. Auf Anfrage wies die Präsidentin gestern einzig auf die laufende Unterschriftensammlung hin. (str)
Zu ihnen gehört Eren. Er schaut zu seinem Schul-Gspänli nebenan, das entschlossen in den Erdhaufen vor ihm auf den Tisch greift und eine Handvoll Erde ins bereit stehende Pflanzentöpfchen einfüllt.
Zuerst noch etwas zögernd, doch dann langt auch der Drittklässler aus der Primarschule Seon mutig zu. Die Erdkrümelchen, die an seiner Hand kleben bleiben, streift er allerdings rasch am Jackenzipfel ab.
Dann nimmt er eine kleine unscheinbare Blumenzwiebel und steckt sie verkehrt herum ins weiche Erdreich mit dem Wurzelende nach oben. Schon heisst es Stopp. Erin lehrt, dass im Frühling aus seinem Töpfli nur dann eine prachtvolle Hyazinthe erblüht, wenn er das Wurzelwerk in den Boden steckt. Der Junge nickt, zuckt leicht mit den Schultern und sagt: «Es ist das erste Mal, dass ich etwas mit Erde mache.»
Hemmschwellen abbauen
«Schule in der Gärtnerei» heisst das Projekt von Jardin Suisse, dem Verband der grünen Branche. Dort hat man das steigende Defizit der Kinder gegenüber der Natur festgestellt und Handlungsbedarf geortet.
Das Echo auf das mit Verbandsgärtnereien erstmals durchgeführte Projekt sei gross, sagt die bei Jardin Suisse zuständige Projektleiterin Muriel Hofer. Rund 150 Schulkassen aus der Deutschschweiz und etwa 60 Betriebe machen mit.
«Die Kinder sollen wieder wissen, wie eine Tomate zu ihrer roten Farbe kommt und dass ein Baum nicht auf der Erdoberfläche aufhört, sondern ein grosses Wurzelwerk im Boden steckt», umschreibt Hofer das Projektziel.
Mit derartigen Anfragen rennt man beim Berufsbildungszentrum Niederlenz (BBZ) offene Türen ein. Geschäfts- und Schulleiterin Brigitte Vogel hat die Gewächshäuser der Lehrwerkstatt für Zierpflanzengärtner schon vielen Schulklassen geöffnet. «In diesem Alter sind junge Menschen für die Natur zu begeistern», sagt sie.
Die Lehrerin der Seoner Primarschüler, Velin Erdin, teilt Vogels Auffassung. Mehr noch. «Mit dem Angebot an elektronischen Spielgeräten spielen die Kinder viel weniger draussen. Und das zieht sich bis in die Schulstube hinein», sagt Erdin.
Viele junge Menschen hätten heute kaum mehr Bezug zur Natur und zum Wald. Der Respekt davor und vor schmutzigen Händen sei gross. «Ich will den Kindern zeigen, dass die Natur nicht ‹grusig› ist.» Abhilfe schaffen sollen ein Schulprojekt zum Thema, Erfahrungen im Wald und jetzt in der Niederlenzer Gärtnerei.
Noch dauert es einige Zeit, bis für die Seoner Drittklässler die Frage nach der Berufswahl stellt. Doch, nachdem sie nun wissen, was man in der Gärtnerei alles machen kann, zeigen sie sich sehr angetan vom Gärtnerberuf.
Ein Schüler meint, nur auf einer Bank zu arbeiten könne für ihn noch schöner sein. Brigitte Vogel schmunzelt. Die Begeisterung der Kinder tut ihr gut. Die nicht zuletzt vor dem Hintergrund der aktuellen Diskussionen um die künftige Ausrichtung des BBZ (Siehe Box). Die Leiterin hofft, dass der Lehrwerkstatt die ganzheitliche Ausbildung erhalten bleibt.