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Ein Stück Eisenbahn-Geschichte verschwindet aus Hunzenschwil: Die SBB brechen den alten Güterschuppen beim Bahnhof ab. Zu seinen Glanzzeiten fuhren Güterzüge von einem Kilometer Länge durch das Dorf.
In diesen Tagen geht in Hunzenschwil ein Stück Eisenbahngeschichte zu Ende. Unter Krachen, Poltern und Scheppern reissen die SBB den alten Güterschuppen beim Bahnhof ab. Was während Jahrzehnten als Umschlagplatz für Stückgut-Transporte genutzt worden war, verschwand innert weniger Stunden.
Der Abbruch ist Auftakt der Sanierung des arg in die Jahre gekommenen Bahnhofareals. Hier werden die SBB im Rahmen des Grossprojektes «S-Bahn Aargau 2016ff» neue Perrons und einen Warteraum bauen sowie die Kreuzungsstelle verlängern, um den Hunzenschwiler Bahnhof fit zu machen für den Halbstundentakt ab 2016.
Hochbetrieb an den Bahngleisen
Dem Güterschuppen dürfte in Hunzenschwil kaum jemand nachweinen. Eine Augenweide war dieser nicht, genauso wenig wie das ganze Bahnhofareal.
Und doch verschwindet mit dem Gebäude ein Symbol prosperierender Zeiten des Güterverkehrs: In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts war der Hunzenschwiler Bahnhof eine stark genutzte Drehscheibe für den Güterverkehr.
Angetrieben wurde dies durch die Logistikzentren des Grossverteilers Coop und der Lagerhäuser Aarau, die in der Umgebung Fuss gefasst hatten.
Güterzüge bis zu einem Kilometer
«Damals war oft Hochbetrieb an den Bahngleisen», erinnert sich der 78-jährige Willi Berner, der rund 20 Jahre als Beamter am Bahnhof gearbeitet hat. «An manchen Tagen hatten wir Güterzüge bis zu einer Länge von einem Kilometer zusammengestellt.»
Der Boom der Stückgut-Transporte (Cargo Domizil) schuf in Hunzenschwil auch Arbeitsplätze. «Zu den besten Zeiten arbeiteten am Bahnhof sieben Beamte und vier Lehrlinge», weiss Berner, der damals überall anpackte, wo Not am Mann war: Willi Berner stellte die Weichen, fertigte Güter ab und verkaufte Billette. «Das war eine schöne, wenn auch strenge Zeit.»
SBB zogen 1994 die Notbremse
In den 1990er-Jahren kam dann die Krise: Jahr für Jahr fuhren die SBB mit Cargo Domizil horrende Verluste ein, 1994 betrugen diese hohe 120 Millionen Franken.
Im gleichen Jahr – Willi Berner hatte inzwischen eine Stelle am Bahnhof Aarau angenommen – zogen die SBB die Notbremse und stellten fortan das Geschäft mit Stückgut ein.
Dies bedeutete das Aus für die Güterabfertigung in Hunzenschwil. Der Güterschuppen wurde geschlossen und als Lager an Private vermietet – bis vor wenigen Tagen. Nun aber ist auch dieser Teil nur noch Geschichte.
Willi Berner weint dem Güterschuppen trotz bewegter Vergangenheit keine Träne nach: «Dieser war ja auch nicht alt und deshalb kaum schützenswert.» Die Zeiten als Bähnler bleiben ihm aber in bester Erinnerung.