Vor Bezirksgericht Lenzburg ging es darum, wie viel der Junge von den Taten seines Vaters mitbekommen hat.
Früher einmal war es eine Fabrik der Hero-Gruppe. In den letzten 25 Jahren hat sich in ihr ein Mikrokosmos mit unterschiedlichsten Geschäften entwickelt. Unter anderem auch mehreren Gastronomiebetrieben, die phasenweise sehr erfolgreich waren. Die Kundschaft am Tisch und an den Partys: multikulti. In einem dieser Lokale spielte sich ab, was Gegenstand einer Verhandlung vor Bezirksgericht Lenzburg war. Es ging um illegale Wetten. Der Hauptverantwortliche, der Vater, war als Zeuge geladen. Er hatte einen Strafbefehl mit der Maximalstrafe von 10'000 Franken Busse akzeptiert. Nicht so sein Sohn. Der wehrte sich gegen die von einer Staatsanwältin ausgesprochene Busse von 2000 Franken. Mit Erfolg: Freispruch. Und der Staat muss sogar noch die Kosten seines Anwalts, erhebliche 6319,15 Franken, übernehmen. Die sind so hoch, weil die Akten der Strafuntersuchung vier Bundesordner füllten – was die Vorbereitung entsprechend aufwendig machte.
Vieles blieb im Verlaufe des Prozesses schwammig. Sowohl Vater als auch Sohn konnten oder mochten sich in entscheidenden Dingen nicht mehr so recht erinnern. Fest steht: Die Bar (mit Mittagsservice) gehörte zeitweise dem Vater, zeitweise dem Sohn. Letzter gab vorübergehend auch das Wirtepatent. Er versuchte sich im Alter von gut zwanzig Jahren den Traum von der eigenen Gastrokarriere mit rauschenden Partys zu verwirklichen – bis er merkte, dass der Vater im Betrieb einen Schuldenberg angehäuft hatte. Der Vater, ein mässig Deutsch sprechender Bosnier, hatte 2008 eine Website mit illegalen Wetten, vor allem Sportwetten, aufgeschaltet. Für diese wurden im Lokal zwei Computer aufgestellt. Es gab ein ausgeklügeltes Bonsystem, mit dem die Kunden ihre Einsätze einzahlten.
Der Vater gab vor Gericht unumwunden zu: «Ich habe selber viel gespielt und Schulden gemacht. Die Ehe ging kaputt, die Familie hat mich verlassen.» In der Tat würdigten sich Vater und Sohn vor Gericht kaum eines Blickes. «Ich habe erst beim Aktenstudium bemerkt, dass er jetzt wieder verheiratet ist», sagte der Junge. Und: «Ich habe seine neue Frau noch nie im Leben gesehen.»
Im Prozess ging es vor allem um die Frage, wie viel der Sohn von der illegalen Wetterei mitbekommen hat. Er sah zwar den Vater am Computer sitzen, doch er will nicht erkannt haben, was dieser dort gemacht hat. Und unbekannt sei ihm auch gewesen, weshalb er gewissen Kunden jeweils im Auftrag des Vaters habe verschlossene Couverts übergeben müssen. «Sein Vater hat hinter seinem Rücken krumme Dinge gedreht», meinte der Anwalt. Und:
«Mein Mandant hat ein reines Gewissen.»
Die Einzelrichterin begründete den Freispruch: «Insgesamt sind die Zweifel zu gross.» Und, an die Adresse des beschuldigten Sohnes: «Ihre Geschichte ist überzeugender.»