Hunzenschwil
Auf diesem Hof müssen nur die Mäuse um ihr Leben bangen

Franziska und Daniel Schmid betreiben in Hunzenschwil einen Gnadenhof. Als Aussteiger sehen sie sich nicht, eher als Quereinsteiger. Hinter dem Gnadenhof steht der Wunsch, in der eigenen Umgebung etwas zu verändern.

Barbara Vogt
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Im Stall von Franziska und Daniel Schmid ist einiges los: Ziegenbock Hari beschnuppert den Fotografen, während Kuh Kunti sich streicheln lässt.

Im Stall von Franziska und Daniel Schmid ist einiges los: Ziegenbock Hari beschnuppert den Fotografen, während Kuh Kunti sich streicheln lässt.

Jiri Reiner

Hoch erhobenen Hauptes läuft die weiss-rot gestreifte Katze über den Hof. In ihrem Maul hängt ein Mäuschen. Alt wurde das arme Geschöpf nicht – im Gegensatz zu den Tieren die auf dem Gnaden- und Begegnungshof von Franziska und Daniel Schmid leben.

Es ist einer der letzten warmen Tage in diesem Herbst. Sissi, Sofie und Save, drei Pferde, grasen friedlich auf der Weide. Das war nicht immer so: Die ausrangierten Tiere fristeten ein trauriges Dasein. Sissi und Sofie hätten in einem Tiertransport von Österreich nach Italien in einen Schlachthof gebracht werden sollen.

Das Ehepaar Schmid kaufte die zwei Stuten. «Ein schrecklicher Anblick», erinnert sich Franziska Schmid. Sie nahm die Tiere mit nach Hause. «Auch Tiere haben ein glückliches Dasein verdient. Bei uns sollen sie angstfrei bis zu ihrem Tod leben können.» Ihren Hof haben Franziska und Daniel Schmid «Vaikuntha» getauft, eine alt-indische Bezeichnung für angstfrei.

Der vier Hektaren grosse Betrieb, abseits von Verkehr und nahe dem Wald in Hunzenschwil, ist in den letzten vier Jahren gewachsen: Am Anfang war es eine Herde Schafe, dann kamen ein Kuh und drei Rinder dazu. Auch zwei vorwitzige Ziegen streichen einem um die Beine. Ziegenbock Hari lag als Zicklein halb tot auf einem Weg und wurde von Wanderern zu den Schmids gebracht.

Gerne würden Franziska und Daniel Schmid noch Schweine und Hühner aufnehmen, doch dafür müssen sie zuerst einen Stall bauen. Viele Tiere könnten die beiden retten, aber sie haben gelernt, sich abzugrenzen. «Wir führen unseren Hof mit Verstand und nehmen nicht mehr Tiere auf, als dass wir Platz und Zeit dafür haben.»

Franziska Schmid krault einem Rind den Hals. Es muss eine Wohltat sein für das Tier, denn es streckt und reckt sich genüsslich. «Tiere sind liebesbedürftig», sagt sie. Die Besucher des Gnadenhofs erleben den Kontakt mit den Tieren positiv. «Es öffnet ihre Herzen.» Viele gingen mit einem Strahlen nach Hause.

Ein Mann, der einem Kalb den Schoppen gab, entschloss sich, Vegetarier zu werden. «Wir moralisieren nicht, wir versuchen den Menschen zu zeigen, dass Tiere mehr als bloss Konsumgüter sind.»

Franziska und Daniel Schmid erhalten immer wieder kleine Spenden für ihren Gnadenhof. Davon aber können weder sie noch die Tiere leben. Franziska Schmid arbeitet zu 80 Prozent als Arztgehilfin in Zürich.

Daniel Schmid ist Bauleiter. Doch beim Aufbau des Gnadenhofs entdeckte er eine neue Leidenschaft: Gemüsebauer. In seinem Garten neben der Pferde- und Kuhweide gedeihen Rotkohl und Weisskohl, der Federkohl liefert sich mit dem Rosenkohl ein Wettrennen. Im Herbst erntet er Kürbisse der verschiedensten Sorten. Und im Gewächshaus steht eine üppige Tomatenplantage.

Das biologisch gezogene Gemüse verkauft Schmid zwischen Frühling und Herbst am Markt in Zürich. Gerne hätte er am Aarauer oder Lenzburger Markt einen Stand aufgestellt. Doch gebe es da bereits viele andere Gemüsebauern, die er nicht konkurrenzieren wolle.

Die ersten Jahre seien hart gewesen, erinnert sich Daniel Schmid. «An meinem ersten Markttag verdiente ich Fr. 52.50.» Inzwischen hat er eine Stammkundschaft, die sich sehen lassen darf. «Die Kunden schätzen es, wenn das Gemüse von der Saat bis zum Erzeugnis selbst gezogen wird.» Auch schon seien seine Kunden zu ihm auf den Gnadenhof gekommen, um zu sehen, woher die biologischen Produkte kommen oder wie die Tiere ihren Lebensabend verbringen.

Aussteiger? «Nein Quereinsteiger», sagt Daniel Schmid und lacht. Auf einer Reise durch Indien habe er sein Bewusstsein verändert. Er wollte dort ein Waisenhaus eröffnen, doch merkte er, in seiner nächsten Umgebung etwas verändern zu müssen.

Auf dem Tisch des Hauses von Franziska und Daniel Schmid stehen Bananenmuffins. Es gibt Tee, nicht mit Kuh-, sondern Sojamilch, und die Küchlein enthalten statt Eier und Butter Öl. Die Beiden sind Veganer, das heisst, sie verzichten auf Fleisch und Milchprodukte. Das sei eine Konsequenz ihrer Lebensphilosophie, sagt das Ehepaar.

Wie zum Abschied begegnet man beim Verlassen des Gnaden- und Begegnungshofes einigen gackernden Hühnern mitten auf der Zufahrtsstrasse. Dann taucht man wieder ein in den Alltag, wo Burger King mit einer Tafel an der Strasse mit Fleischburgern lockt.