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Kantonsarchäologe Georg Matter erklärt, warum der Vicus Lenzburg ein spezieller gewesen sein muss.
Für Laien sieht es aus wie ein paar Steine am Strassenrand. Doch für Kenner, etwa den Kantonsarchäologen Georg Matter, wird klar: Hier ist etwas. Etwas Altes. Bei den Bauarbeiten zum A1-Zubringer in Lenzburg sind bei den Erdarbeiten neben der Alten Badenerstrasse historische Strukturen ans Tageslicht gekommen.
Dass dies passieren würde, war keine Überraschung, ja wurde von der Kantonsarchäologie sogar erwartet. Denn wo heute ein neuer Zubringer zur A1 gebaut wird, befand sich früher eine römische Siedlung. Ebenfalls günstig an einer Hauptverkehrsachse gelegen. «Die Kantonsarchäologie begleitet die Baustelle, da sie sich teilweise im Perimeter des römischen Vicus befindet», sagt Georg Matter.
An der Böschung neben der Alten Badenerstrasse, die nördlich der Bahngeleise nach Othmarsingen führt, sind die Bauarbeiter auf Spuren der römischen Siedlung gestossen. «Es handelt sich um die Überreste von Häusern und Mörtelböden», sagt Matter. Die Archäologen haben auch Keramikfragmente und Ziegelstücke sowie wenige kleine Metallobjekte ausgegraben.
Die Mauerstücke sind Überreste von sogenannten Streifenhäusern, welche die Strassen des Vicus geprägt haben. «Die Häuser waren lang und rechteckig und standen mit der Schmalseite zur Strasse», sagt Matter. Die gleichen Häuser hat die Kantonsarchäologie auch im Vicus in Frick gefunden. Sie sind im Innern in mehrere Räume aufgeteilt, sodass bis zu zwei Familien darin wohnen konnten. Hinter dem Haus befand sich ein Hof. Der Name Streifenhaus ergibt sich aus dem Anblick, den diese langgezogenen Parzellen von der Strasse her geboten haben.
Wie die übrigen Funde aus dem Vicus, dürften sie aus der Zeit zwischen 80 und 200 nach Christus stammen. Die Kantonsarchäologie hat die Funde neben der Alten Badenerstrasse vermessen und verzeichnet. «Wir haben auf wenigen Quadratmetern Grabungen vorgenommen», sagt Georg Matter. «Eine grössere archäologische Untersuchung wird es jedoch nicht geben, da die weiteren Tiefbauarbeiten die sensiblen Bereiche des Vicus kaum mehr tangieren werden.»
Für den Kantonsarchäologen sind die Mauerreste und die Objekte Funde, die an dieser Stelle erwartet werden durften. Aus archäologischer Sicht sei nichts Spektakuläres dabei. Es ist jedoch möglich, dass der Boden rund um das Hornerfeld und den Autobahnzubringer noch etwas Spektakuläres verborgen hält. Anders als die Siedlung in Vindonissa, die militärisch geprägt war, war der Lenzburger Vicus ein ziviler. Doch etwas macht ihn speziell.
Im Gegensatz zu den anderen Vici im Aargau – Frick, Laufenburg, Baden und Vindonissa – hatte Lenzburg ein Theater. Dieses dürfte nach heutigen Schätzungen 3000 bis 5000 Personen Platz geboten haben. Wie die neuere Forschung ergeben hat, wurde dieses sehr wahrscheinlich nicht gebaut, weil Lenzburger Römer eine Vorliebe für die Schauspielkunst entwickelt hatten. «Die Siedlung hatte eine spezielle Funktion», sagt Georg Matter. «Das Theater zeichnet den Vicus aus.»
Möglicherweise seien zu einem bestimmten römischen Feiertag viele Menschen aus der weiteren Umgebung nach Lenzburg gekommen, um sich im Theater zu sammeln und Zeremonien beizuwohnen. Das Theater als Eventlokal also. Zur Theorie des speziellen Vicus mit ritueller Funktion würde ein zusätzliches Gebäude passen; der spektakuläre Fund, den die Archäologen gern machen würden: ein Tempel. Bis jetzt blieb er aber – zusammen mit dem Namen der Siedlung – verborgen.