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Beim Projekt «Aavorstadt» offenbaren sich Schwächen in der Organsisation. Der Kanton erklärt nun einen Lenzburger Stadtrat und den Bauverwalter für befangen. Dabei geht um intensive Beratungsgespräche.
Wiederholt sich beim Projekt «Aavorstadt» (31 Wohnungen), was bei der Überbauung Stadtgässli (12 Wohnungen) passiert ist? Erleidet erneut ein Millionen-Vorhaben Schiffbruch? Fest steht: Das Bauen in der Lenzburger Ringzone ist eine äusserst heikle Sache: Im Fall Stadtgässli ist das Bundesinventar der schützenswerten Ortsbilder (Isos) zu wenig beachtet worden.
Bei der «Aavorstadt» offenbarten sich Schwächen der Organisation des Lenzburger Bauwesens. Die sind so gross, dass der Kanton, jetzt Stadtrat Martin Stücheli (SVP) und Bauverwalter Christoph Schnegg für faktisch befangen erklärt und den Ausstand angeordnet hat. Das heisst, die zwei wichtigsten Bau-Exponenten von Lenzburg dürfe bei der Behandlung des «Aavorstadt»-Baugesuches nicht mehr mitwirken. Sie waren als Mitglieder der Bau- und Stadtbildkommission (BSBK) zu stark in die Entwicklung der Pläne involviert. Der Entscheid des von Stephan Attiger (FDP) geleitete Departement Bau, Verkehr und Umwelt (BVU) ist noch nicht rechtskräftig.
Die Strasse mit Namen Aavorstadt ist die Westeinfahrt in die Altstadt von Lenzburg. Eine Investorin möchte zwei markante Mehrfamilienhäuser und ein von der Strasse aus nicht sichtbares Gewerbegebäude abreisen und durch eine Wohnüberbauung mit Gewerbeateliers und Tiefgarage (21 Plätze) ersetzen. Das Projekt «Aavorstadt» hat eine lange Geschichte, die ersten Kontakte zwischen den Planern und der Stadtverwaltung fanden vor sechs Jahren statt. Das Baugesuch wurde im Februar 2019 aufgelegt, es gab Einsprachen. Eine Gruppe von Einwendern stellte im August ein Ausstandsbegehren gegen Stücheli und Schnegg. Der Stadtrat lehnte dieses umgehend ab, das BVU hiess es jetzt in einem 18-seitigen Entscheid gut. Ein Weiterzug an das Verwaltungsgericht ist möglich.
In Lenzburg sind im Herbst 2017 die Baukommission und die Stadtbildkommission zur BSBK zusammengelegt worden. In der BSBK haben Baustadtrat Stücheli und Bauverwalter Schnegg Einsitz, was laut dem Kantonsentscheid zulässig ist. Die Kommission ist auch dazu da, in Zusammenarbeit mit der Investorin das Planungsverfahren zu optimieren – allerdings sind der Beratungstätigkeit Grenzen gesetzt. Im kantonalen Entscheid heisst es dazu: «Insbesondere darf die vorgängige Beratung nicht so weit gehen, dass der Bauherrschaft bei der Ausarbeitung des Baugesuchs geholfen wurde oder verbindliche Zusagen gemacht werden, das Gesuch werde in einer bestimmten Form bewilligt.»
Es geht letztlich darum, dass Stadtrat Stücheli und der mithelfende Bauverwalter Schnegg nicht mit vorgefassten Meinungen in den Baubewilligungsentscheid hinein gehen, sondern gegenüber den Argumenten der Einsprecher offen sind. «Nachdem Stadtrat Martin Stücheli als Mitglied der BSKB beziehungsweise deren Ausschuss an mehreren Sitzungen bezüglich des Projektes ‹Aavorstadt› teilgenommen und an den jeweiligen Beschlüssen mitgewirkt hat, muss befürchtet werden, dass es ihm nicht mehr möglich ist, im Baubewilligungsverfahren unabhängig über das Projekt ‹Aavorstadt› zu entscheiden», schreibt das BVU in seinem Entscheid. Das Gleiche gelte für Bauverwalter Schnegg. Es ist die Rede von einem «Anschein von Befangenheit».
Zur Untermauerung seiner Argumentationslinie schreibt das BVU, es erschliesse sich ihm nicht, «weshalb das Bauprojekt ‹Aarvorstand› bereits im Vorfeld der Baugesuchseinreichung zu derart vielen Besprechungen Anlass gegeben hat».