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Im Januar 1963 gefror der Hallwilersee vollständig zu, er war daraufhin für Fussgänger zugänglich. Die «Seegfrörni» blieb auch wegen eines tragischen Unglücks in Erinnerung.
Der Winter 2019/20 hat bisher keine Kälterekorde geliefert. Im Gegenteil: Hie und da wähnte man sich bereits im Frühling. An der Messstation in Buchs gab es bisher erst zwei Eistage mit Temperaturen unter null Grad. Ganz im Gegensatz zum Winter 1962/63. Er war für Europa einer der strengsten Winter des 20. Jahrhunderts. Die Ostsee war komplett zugefroren. Der Bodensee und Zürichsee ebenfalls und auch der Hallwilersee war keine Ausnahme.
Nach wochenlang andauernder Kälte bildete sich auf dem Hallwilersee in der Nacht vom 13. auf den 14. Januar eine geschlossene Eisdecke. Das «Aargauer Tagblatt» berichtete am 17. Januar von einer acht bis zwölf Zentimeter dicken Schicht.
Nach einigen Tagen wurde die Seefläche freigegeben. Fussgänger konnten auf dem Hallwilersee von einem Ufer ans andere spazieren, auch Eislaufen war möglich. Ein Vergnügen, das sich natürlich Tausende nicht entgehen liessen. Auch die Aargauer Schülerinnen und Schüler stürmten an den freien Mittwochnachmittagen den vereisten See.
Doch das schöne Naturereignis wurde von einem tragischen Unglück überschattet. Am späten Abend des 28. Januar 1963, als die «Seegfrörni» bereits zwei Wochen andauerte, fuhren zwei Mitarbeiter eines Villmerger Bau- und Transportgeschäfts mit einem Lastwagen im Übermut auf die vereiste Seefläche.
Das Eis brach nach rund 60 Metern unter dem Gewicht des neun Tonnen schweren Lastwagens ein. Es entstand ein 15 Meter grosses Loch, der Lastwagen ging unter.
Die beiden jungen Männer ertranken. Zwar hatten zwei Buben, die den tragischen Unfall beobachtet hatten, sofort den Wirt des Restaurants Delphin informiert. Dieser eilte herbei. Für die beiden Insassen des Lastwagens kam trotzdem jede Hilfe zu spät.
Die Leichen wurden am Tag darauf von Tauchern der Seepolizei Zürich geborgen:
Zahlreiche Schaulustige drängten sich auf das Eis, um die Rettungsaktion der Spezialisten zu verfolgen. Sie mussten von den Einsatzkräften zurückgedrängt werden. Der Lastwagen hat die Rettungsaktion gut überstanden und war bald wieder im Einsatz.
Dass der Hallwilersee vollständig zufriert, ist eher selten. Zwischen 1901 und 2019 gab es 25 Mal eine komplette «Seegfrörni». Laut der Webseite webcam-hallwilersee.ch waren die 80er-Jahre das «Seegfrörni»- Jahrzehnt schlechthin. 1986 war der See zum bisher letzten Mal ganz zugefroren.
Auch nach 1986 wurde es immer wieder so kalt, dass der Hallwilersee wenigstens teilweise gefror. Im Februar 2003 bedeckte eine Eisfläche rund 80 Prozent des Gewässers. Eislaufen war jedoch nur bei Mosen am südlichen Ende des Sees möglich. Auch der Winter 2012 hätte ideale Voraussetzungen für eine «Seegfrörni» geboten, doch eine Bise verhinderte ein komplettes Zufrieren. Immerhin reichte es damals für eine «Teilgfrörni» beim Seenger Zopf.
Dass der See beim Moser und beim Seenger Zopf besonders schnell zufriert, hat einen bestimmten Grund, wie der Beinwiler Bootsbauer Ursus Merz 2017 der AZ erklärte: Das Wasser ist an diesen Stellen des Sees flach, damit erhöhen sich die Chancen für Eisbildung.
Schon einmal kam es auf dem Hallwilersee im Zusammenhang mit einer «Seegfrörni» zu einem tödlichen Unglück. Anfang Februar 1903, an einem Sonntag, waren viele Schlittschuhläufer auf der vereisten Seefläche unterwegs.
Doch ein starker Föhnwind sorgte zusammen mit Regen für ein abruptes Ende des Eislauf-Spasses. Einige Leute konnten sich selber ans Ufer retten, andere brachen ein, konnten aber glücklicherweise gerettet werden.
Weniger Glück hatte der 22-jährige Otto Bühlmann aus Beinwil am See. Er wollte Wasser aus dem Hallwilersee-Dampfer pumpen, der leicht beschädigt bei Birrwil im Eis lag. Dafür holte er beim Delphin in Meisterschwanden die schwere Schiffspumpe. Bühlmann wollte sie an einem Strick über den See ziehen.
Den Strick befestigte er an seinem Gürtel, was ihm zum Verhängnis wurde, denn plötzlich brach das Eis und die Pumpe sank mitsamt dem jungen Mann, wie es in einem zeitgenössischen Bericht heisst. Sein Begleiter, der Birrwiler Fritz Gloor, wollte Otto Bühlmann helfen – erfolglos. Plötzlich brach auch unter Gloor die Eisdecke und er ertrank ebenfalls im kalten Wasser des Hallwilersees. Die beiden Leichen konnten erst zwei Tage nach dem Unglück geborgen werden.