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Kurt Kaufmann war 16 Jahre im Gemeinderat und 8 Jahre Gemeindeammann. Doch jetzt ist Schluss. Nun freut er sich auf seine Freizeit - mit Skifahren.
«Aufs Skifahren.» Die Antwort kommt wie aus der Pistole geschossen. Worauf er sich freue, wenn er nach dem Rücktritt aus der Meisterschwander Gemeindeexekutive wieder mehr Zeit habe, wurde Kurt Kaufmann gefragt.
Das sportliche Hobby passt zum Gemeindeammann der letzten 8 Jahre, der vorher weitere 8 Jahre als Gemeinderat und Vizeammann gedient hat.
Schnell das Ziel ansteuern, das galt und gilt auch im restlichen Leben. Als er in jungen Jahren Rennen fuhr, gings allerdings nicht auf dem schnellsten Weg den Berg hinunter: «Ich fuhr hauptsächlich Riesenslalom.»
In der ersten Januar-Woche ist der Abstecher zusammen mit der Ehefrau in die Bündner Berge fix eingeplant: «Unsere Ferienwohnung in Davos kam in den letzten Jahren zu kurz.»
Noch im selben Monat ist ein Wechsel ins Berner Oberland vorgesehen: Von Tochter und Sohn bekam er zum 70. Geburtstag einen Besuch der Lauberhorn-Rennen geschenkt. Aktiver Anschauungsunterricht bei den Besten der Welt passt zum energiegeladenen Kaufmann, der mit seinem Drive Gremium, Verwaltung und das ganze Dorf in den letzten Jahren mächtig auf Trab hielt.
Sofort werden Lösungen gesucht
Der Bauingenieur, der als Geschäftsführer auch in der Arbeitswelt stets unter Strom stand, versuchte, Grundsätze und Arbeitsweise aus der Privatwirtschaft ins Gemeinwesen zu übertragen.
«Am Anfang habe ich meine Kollegen schon etwas überfordert», blickt er zurück und attestiert bei sich selbst einen Lernprozess, während dem er Anpassungen vorgenommen habe.
Unter Kaufmann wurde die Kadenz der Sitzung auf den Zwei-Wochen-Rhythmus halbiert; die Geschäfte in die Kategorien A, B und C unterteilt.
«Er ist ein Macher, der sich extrem stark engagiert», schildert ihn Gemeindeschreiber Michael Grauwiler und ergänzt: «Für ihn gab es keine dauerhaften Probleme; sofort wurde nach Lösungen gesucht.»
Während er sich vorher – als Neuzuzüger aus dem Kanton Zürich – mit dem Gemeinderat angelegt hat, als er Probleme, etwa beim Lärmschutz rund ums Schützenhaus, ortete, war er nun an der richtigen Stelle, wo er etwas bewegen konnte.
Etliche Male ist er mit seiner direkten Art angeeckt, doch hat er oft den Finger auf wunde Stellen gelegt. «Ich bin ein Chrampfer und Macher», sagt er von sich selbst; von Diplomat ist nicht die Rede.
Als Ammann betreute Kaufmann weiter auch das Tiefbau-Ressort. In einer Gemeinde, die sich nahezu stürmisch entwickelt, ein Schlüsselposten. «Hier habe ich meine Ziele voll erreicht», zieht er Bilanz. Verschiedene Erschliessungen hat er angepackt und umgesetzt und so dem Wachstum Meisterschwandens Vorschub geleistet.
Hayek-Feier als Höhepunkt
Mit viel Engagement bis zum Ende der Amtszeit ist Kurt Kaufmann für die Gemeinde im Einsatz. Noch diese Woche leitet er Einspracheverhandlungen. Auf 50 bis 60 Prozent eines üblichen Jobs schätzt er seinen Aufwand als Ammann und Ressortvorsteher.
Rund 500 Gemeinderatssitzungen hat er während seiner Amtszeit vor- und nachbereitet. Kreditbegehren im Umfang von über 15 Millionen Franken durfte Kaufmann vertreten, rund 10 Mio. zusätzlich hat er an Investitionen ausgelöst.
Gross ist seine Freude, dass das neue Dorfzentrum, in dem künftig auch die Gemeindeverwaltung untergebracht ist, in diesen Monaten in die Höhe wächst: «Damit wird ein lang gehegter Wunsch von mir Realität.»
Als zweiten grossen politischen Erfolg während seiner Amtszeit wertet er die realisierte Fusion der Feuerwehr mit jenen der Gemeinden Fahrwangen und Bettwil: «Hier habe ich mich gewaltig engagiert und», so erinnert er sich an die lebhafte Gmeind, «am Schluss die Diskussion abgebrochen.»
Die Fusion kam knapp durch und habe sich als Vorteil erwiesen: «Im Nachhinein waren auch die Gegner voll dabei», freut sich Kaufmann in der Nachbetrachtung.
Als Gegenleistung erhielt der nun zurücktretende Ammann auch zahlreiche Begegnungen und so bezeichnet er die Verleihung des Ehrenbürgerrechts an das Ehepaar Nicolas G. und Marianne Hayek als Höhepunkt seiner Amtszeit.
«Die Feier in der Mehrzweckhalle mit der Laudatio von Bundesrätin Doris Leuthard, der Uraufführung des Hayek-Marsches und dem Riesenbüffet der ‹Seerose› für die Bevölkerung war ein fantastischer Anlass.»
Die Narbe der Partei
Am andern Ende der Gefühlsskala figuriert die Attacke der FDP vor seiner Wiederwahl vor vier Jahren. Die Freisinnigen entzogen ihrem Gemeindeammann die Unterstützung.
Kurt Kaufmann schaffte die Wiederwahl gleichwohl – nicht zuletzt dank dem Sukkurs des inzwischen verstorbenen Swatch-Chefs Hayek, der sich zum ersten und einzigen Mal in einem az-Interview zur Dorfpolitik äusserte und prononciert zugunsten von Kaufmann aussprach.
Der im Dorf zu hörende Vorwurf, die letzten vier Jahre ein Ammann von Hayeks Gnaden gewesen zu sein, drang nie bis zu Kaufmann durch. Hingegen macht er kein Geheimnis aus der Tatsache, dass das Fallenlassen durch die FDP bei ihm Spuren hinterlassen hat: «Ja, diese Narbe ist bis heute noch da. Gegen aussen habe ich mir allerdings nie viel anmerken lassen.»
Sich selbst erklärt er diese Haltung mit der nicht einfachen Kindheit. Früh hat er die Mutter verloren; war sich «gewohnt, viel einzustecken». Die Familie war arm, der Vater stand der SP nahe und hat es später nie verstanden, dass sein Sohn engagiertes Mitglied der Zürcher FDP wurde.
Heute ist Kurt Kaufmann parteilos, «bis zum 1. Januar 2014» wie er einschränkt. Denn auch nach der Abgabe der öffentlichen Ämter wird sich Kurt Kaufmann engagieren. Wie und wo auch immer. Da sind die vier Enkel. Da droht ein Referendum gegen Tempo 30 im Dorf. Da gibt es weitere Ideen. Der absolute Ruhestand liegt noch in weiter Ferne. Dafür hat Kurt Kaufmann noch viel zu viel Energie.