Kantonsspitäler
Zu viel Lohn bezogen: Falsche Rechnungen haben für Chefärzte Konsequenzen

Die beiden Chefärzte, die in Aarau und Baden nicht korrekt abgerechnet haben, spüren Konsequenzen. Der eine wird nicht Präsident der Ärztekonferenz, der andere rückt nicht an die Spitze der Orthopäden.

Fabian Hägler
Drucken
Wer im Operationssaal – hier ein Bild aus dem Kantonsspital Aarau – was tut und wie viel verrechnet, war bei zwei Ärzten im Aargau nicht klar.

Wer im Operationssaal – hier ein Bild aus dem Kantonsspital Aarau – was tut und wie viel verrechnet, war bei zwei Ärzten im Aargau nicht klar.

Mathias Marx

In den letzten Monaten machte die AZ zwei Fälle von Chefärzten publik, die unkorrekt abrechneten. Anfang März kam aus, dass ein Arzt am Kantonsspital Aarau (KSA) das Abrechnungssystem manipuliert und zu viel Lohn bezogen hat. Inzwischen hat er den ganzen Betrag zurückbezahlt und ist mit einer personalrechtlichen Massnahme belegt worden. Weder zur Höhe des Betrags noch zur Art der Massnahme macht das Kantonsspital weitere Angaben.

Vor genau drei Monaten, am 6. März, hat SVP-Fraktionschef Jean-Pierre Gallati im Grossen Rat einen Vorstoss mit Fragen zu den Arzthonoraren am Kantonsspital Aarau eingereicht. Noch ist der Vorstoss, der auch kritische Fragen zu möglichen Manipulationen bei der Abrechnung enthält, nicht beantwortet. Klar ist aber: Für den Chefarzt, der in Aarau falsch abrechnete, hatte sein Verhalten weitere Konsequenzen.

Präsidium zwei Monate vakant

Ende März berichtete das Branchenportal «Medinside» über eine Reorganisation der KSA-Führung. Im Artikel hiess es, das Präsidium der Ärztekonferenz sei vakant, eine Neuwahl geplant. In den letzten Jahren hatte Andreas Huber diese Position inne, er ging im Frühling in Pension und wurde Mitte März verabschiedet. Die Vakanz war nicht geplant, sie dauerte zwei Monate – erst am 25. Mai wurde Monya Tedesco, Chefärztin Geburtshilfe und Perinatalmedizin, neue Präsidentin.

Ralph Schröder, Sprecher des KSA, sagt auf Anfrage: «Sie wurde unter verschiedenen Kandidatinnen und Kandidaten in geheimer Wahl durch die Ärztekonferenz gewählt.» Vorgesehen für das Präsidium war laut AZ-Informationen aber der Arzt, der Abrechnungen manipulierte. Spitalsprecher Schröder hält fest, zwischen der Restrukturierung der Führung, der Wahl für das Präsidium der Ärztekonferenz und den Abrechnungsmanipulationen des Chefarztes gebe es keinen Zusammenhang.

Ärzte wollten Kollegen nicht

Aussagen eines KSA-Arztes, der nicht namentlich genannt werden will, zeigen ein anderes Bild. «Wichtig für das Amt des Präsidenten sind Transparenz und ein guter Leumund, um nach aussen eine starke Vertretung zu haben», sagt er. Der Präsident der Ärztekonferenz ist Vertreter der Chefärzte und Leitenden Ärzte in der Geschäftsleitung des Spitals.

Als die Manipulationen des Arztes bekannt wurden, der ursprünglich als Kandidat vorgesehen war, traf sich die Konferenz zu einer Sondersitzung. Der fehlbare Arzt sei dabei gewesen und habe sich den Fragen der Kollegen gestellt. Nach längerer Diskussion kam die Ärztekonferenz zum Schluss, «dass es besser wäre, einen anderen Kandidaten zu haben». Der erst als Präsident vorgesehene Kollege habe das eingesehen und die Kandidatur zurückgezogen. «Deshalb musste die Wahl völlig neu organisiert werden, nachdem der Vorfall publik geworden war.»

KSB-Arzt entschuldigt sich

Kurz nach dem Fall in Aarau tauchten Hinweise auf, dass auch am Kantonsspital Baden (KSB) ein Chefarzt falsch abgerechnet hatte. Eine externe Untersuchung durch einen ärztlichen Gutachter und Experten der Prüfungsfirma PwC führte dazu, dass ein Orthopäde verwarnt wurde und 45'000 Franken zurückzahlen musste. Zudem entzog ihm das Spital die administrative Leitung der Orthopädie und setzte stattdessen ein Geschäftsleitungsmitglied für diese Aufgaben ein.

In einer schriftlichen Stellungnahme an seine Kolleginnen und Kollegen, die der AZ vorliegt, entschuldigte sich der Chefarzt. Er sei verantwortlich für die Medienberichte über die unkorrekten Abrechnungen und Verstösse gegen den Ehrenkodex. Tatsächlich sei es im Orthopädischen Zentrum zu solchen Fällen gekommen, räumte der Arzt ein. «Von betrügerischer Bereicherung und böser Absicht meinerseits kann aber ebenso wenig die Rede sein wie von einem systematischen Vorgehen», teilte er im Schreiben mit. Hingegen müsse er sich den Vorwurf gefallen lassen, dass der Ehrenkodex zur Honorarliste für Chefärzte sowie die Standesordnung der Ärztevereinigung FMH ungenügend eingehalten worden seien.

Kandidatur zurückgezogen

Auch der fehlbare KSB-Arzt kandidierte für ein Präsidium – das von Swiss Orthopaedics, der Fachgesellschaft für Orthopädie und Traumotologie. Bisher war er Vizepräsident, am Donnerstag hätte er an der Mitgliederversammlung zum Präsidenten gewählt werden sollen. So war es zumindest geplant, wie dem Jahresbericht von Swiss Orthopaedics zu entnehmen ist. Dort ist der Arzt aus Baden als neuer Präsident für die Jahre 2018 bis 2020 aufgeführt.

Doch zur Wahl steht der verwarnte Arzt morgen nicht, wie Spitalsprecher Omar Gisler auf Anfrage bestätigt. «Das KSB hat in den letzten Wochen administrative Massnahmen eingeleitet und Prozesse teilweise angepasst. Um den Fokus voll auf die Reorganisation und die Behandlung der Patienten richten zu können, hat der Chefarzt aus freien Stücken entschieden, auf das zeitaufwändige Mandat bei der Schweizerischen Gesellschaft für Orthopädie und Traumatologie zu verzichten.»

Wie freiwillig der Verzicht erfolgte, ist allerdings fraglich. In einem Informationsschreiben an alle Mitglieder, das der AZ vorliegt, schreibt der Vorstand der Fachgesellschaft, der bishe-rige Vizepräsident «sehe sich gezwungen», seine Kandidatur zurückziehen. Der Vorstand habe diesen Rückzug an einer ausserordentlichen Sitzung gutgeheissen. Man teile die Ansicht des Chefarztes, dass er die Interessen von Swiss Orthopaedics «aufgrund der aktuellen Vorkommnisse als Präsident nicht optimal vertreten könnte.»