Vor 330 Gästen fand in Aarau die Vernissage des Monumentalwerks «Zeitgeschichte Aargau 1950 bis 2000» statt. Das Buch vermittelt Geschichte für die breite Bevölkerung, und ist der Kern eines in seiner Art erstmaligen Projekts.
330 Gäste fanden sich am Samstag im Kultur- und Kongresshaus Aarau ein, um (mit Zertifikatspflicht) die Vernissage der Zeitgeschichte Aargau 1950 bis 2000 zu feiern. Inklusive Vorarbeiten dauerte es sechs Jahre, bis die neun Autorinnen und Autoren das 620-seitige Mammutwerk vorlegen konnten. Wobei an der Vernissage betont wurde, das 2,4 kg schwere Buch sei «nur» das Kernprojekt eines viel umfassenderen, in seiner Art erstmaligen Projekts.
Dafür wurden laut Co-Projektleiter Patrick Zehnder auch 60 Zeitzeuginnen und Zeitzeugen interviewt. Das Ergebnis kann man jetzt schon auf Youtube sehen.
Ebenso entstanden zehn längere und kürzere Dokumentarfilme, die ebenfalls bereits online sind. Als Nächstes werden Unterrichtsmaterialien erarbeitet, und als Schlusspunkt ist für 2023 ein Geschichtsmagazin für ein breiteres Publikum geplant, das den Aargau von der Eiszeit bis heute zum Thema hat. Dass das Buch ein halbes Jahr später als geplant vorliegt, ist der Coronapandemie geschuldet. Denn mitten in der Arbeit mussten Archive und Bibliotheken zwischenzeitlich schliessen, konnten Zeitzeugen-Interviews nicht realisiert werden.
Im Stadtmuseum Aarau wurde parallel dazu eine Ausstellung eröffnet. Der Aarauer Stadtrat und Historiker Daniel Siegenthaler – selbst auch Historiker – zeigte sich begeistert vom Werk und legte den Leuten die Ausstellung besonders ans Herz.
Landstatthalter und Bildungsdirektor Alex Hürzeler gratulierte namens der Regierung den Macherinnen und Machern, gerade auch für die neuen Ansätze in der Geschichtsvermittlung für eine breitere Bevölkerung. Eine ganze Generation liege zwischen dem Erscheinen der dreibändigen Geschichte des Kantons Aargau (die den Zeitraum bis 1953 abdeckt) und dem jetzigen Grundlagenwerk, sagte Hürzeler.
Im Aargau habe es vor über 200 Jahren wenig Gemeinsamkeiten und auch nur bruchstückhaft eine gemeinsame Vergangenheit gegeben, als Napoleon den Kanton aus ganz unterschiedlichen Regionen zusammenfügte, erinnerte Hürzeler: «Er ist seither aber zusammengewachsen, der Kanton Aargau hat klare Konturen und wir haben eine gemeinsame Identität.» Das könne natürlich weiter wachsen, so Hürzeler schmunzelnd:
«Wir sind ja noch ein junger Kanton.»
Sehr zufrieden mit dem Ergebnis zeigte sich auch Angela Dettling, Co-Präsidentin der Historischen Gesellschaft des Kantons Aargau, die das Projekt in Auftrag gegeben hatte.
Man habe anfänglich auch über eine komplette Neufassung der Kantonsgeschichte diskutiert, sich dann aber für diese Ergänzung ab 1950 entschieden, meinte Dettling. Und sie freut sich auf die Roadshow, mit der das Projekt in die Regionen hinausgetragen wird. Zwischen November und Juni 2022 touren die Macher durch alle elf Bezirke und präsentieren dort ihre Arbeit in Kooperation mit lokalen Partnerinstitutionen. Nächste Station ist am 16. November im Museum Höfli in Zurzach.
Grosses Lob gab es auch von der Zeitgeschichtsprofessorin Christina Späti (Uni Fribourg). Sie zeigte auf, das sich public history zunehmend Gehör verschafft. Das findet sie richtig: «Jeder und jede ist in der eigenen Geschichte kompetent.» Wobei man natürlich auch hier Quellen analytisch untersuchen müsse. Als Mitglied der Steuerungsgruppe der Zeitgeschichte Aargau ist sie überzeugt: «Dies ist ein Public history-Projekt wie aus dem Lehrbuch.»
«Zeitgeschichte Aargau 1950–2000», 620 Seiten, 548 Abbildungen, 88 Grafiken und Tabellen, gebunden, 59 Franken. Verlag Hier und Jetzt, ISBN Print 978-3-03919-510.4