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Kanton Aargau
Regelmässig macht die Credit Suisse in einer Studie Kassensturz. Wo bleibt jemandem mit demselben Einkommen nach Bezahlung aller obligatorischen Abgaben und Fixkosten wie viel zum Leben? Die Unterschiede sind erstaunlich gross.
Es gibt zahllose Studien und Statistiken zum durchschnittlichen Einkommen und Vermögen, zur unterschiedlichen Steuerbelastung in Kantonen und Gemeinden, zu den von Region zu Region unterschiedlichen Wohnkosten.
Besonders interessant wäre aber, all diese Informationen zu verknüpfen, um herauszufinden, was den Menschen nach Abzug aller staatlich festgelegten Abgaben und der Fixkosten wirklich zum Leben bleibt. Jetzt legt die Credit Suisse eine solche Studie vor, erstellt von Thomas Rühl, Jan Schüpbach und Simon Hurst.
Die Kriterien für die Wahl des «richtigen» Wohnortes sind vielfältig, halten die Autoren der Studie fest: Neben Wohnlage und Infrastrukturangebot, Verfügbarkeit passender Wohnobjekte, emotionalen Kriterien und persönlicher Vernetzung an einem Ort spielen auch finanzielle Faktoren eine wichtige Rolle.
Das frei verfügbare Einkommen bleibt einem Haushalt nach Abzug sämtlicher staatlich vorgegebener Abgaben und Fixkosten für den privaten Konsum zur Verfügung. In der CS-Studie wurde dies für eine Vielzahl von modellhaften Haushaltstypen in allen Schweizer Gemeinden berechnet. Daraus ergab sich ein Indikator, der zeigt, wo man steht. Hohe Werte bezeichnen ein höheres, tiefe Werte ein tieferes frei verfügbares Einkommen. (AZ)
Sie empfehlen, für die Beurteilung der finanziellen Wohnattraktivität sowohl die Steuerbelastung als auch andere obligatorische Abgaben, wie etwa Krankenversicherungsprämien oder die Höhe der Eigenmietwertbesteuerung für Wohneigentümer, zu berücksichtigen.
Dies, weil all diese Faktoren von Kanton zu Kanton variieren, bei den Krankenkassenprämien gibt es gar noch regionenweise Abstufungen. Zudem unterscheiden sich die Gemeindesteuerfüsse zum Teil erheblich.
Allein im Aargau besteht eine enorme Bandbreite von einem Steuerfuss von 60 in Oberwil-Lieli bis 126 in Schwaderloch. Darüber hinaus sind standortgebundene Fixkosten wie Mieten, Immobilienpreise, Pendelkosten und Kinderbetreuung für das Haushaltsbudget mitentscheidend.
Aus den Berechnungen ergibt sich die Schlagzeile, die vor einigen Tagen durch die Medien ging, als die Credit Suisse ihre Studie vorstellte: Wenn man nur die finanziellen Aspekte ansieht, ist Uri am attraktivsten.
Am wenigsten zum Leben bleibt den Menschen beim selben Einkommen auf dem teuren Pflaster Genf (vgl. Schweizer Karte und die Kantonsrangliste). In dieser Rangliste ist der Aargau der zehntgünstigste Kanton, wobei die Unterschiede zu den davor und dahinter platzierten Kantonen relativ gering sind.
Der Aargau hat gegenüber 2011 (die CS erhebt die Daten seit 2006) vier Ränge gutgemacht. Worauf führt Studienmitautor Simon Hurst dies zurück? Es seien immer mehrere Faktoren, die in der Summe zu einem Platzabtausch führen, so Hurst: «Es kann auch sein, dass sich andere Kantone verschlechtert haben.
Eine Rolle bei der Verbesserung spielte sicher die 2012 beschlossene und sukzessive umgesetzte Steuersenkung im Kanton Aargau.»
Einschränkend muss hier gesagt werden, dass für alle Kantone mit denselben Einkommensbeispielen gerechnet wurde, um vergleichbare Daten zu erhalten. Nicht berücksichtigt ist darin, dass die tatsächlichen Einkommen etwa in den Kantonen Zürich, Basel oder Genf deutlich höher sind als im Aargau.
Doch einem Single mit einem Einkommen von 75 000 Franken bleibt im Aargau zum Leben tatsächlich deutlich mehr als in Zürich oder am Genfersee. Unsere Schweizer Karte mit der recht gleichmässig blauen Einfärbung zeigt weiter, dass einem Single von seinen 75 000 Franken im Aargau überall überdurchschnittlich viel zum Leben bleibt.
Auch der Unterschied bei den frei verbleibenden Mitteln zwischen der für ihn günstigsten Gemeinde Böbikon im Bezirk Zurzach und der für ihn teuersten Gemeinde Ennetbaden ist mit rund 10 Prozent vergleichsweise gering. Gegenüber der Stadt Zürich bleiben diesem Single in Böbikon immerhin schon 20 Prozent mehr freie Mittel.
Bei Familien (die grössere und teurere Wohnungen brauchen) sowie höheren Einkommen werden die Unterschiede augenscheinlich. So bleibt einer Familie mit zwei Kindern und einem Einkommen von 150 000 Franken in Böbikon markant mehr zum Leben als in Ennetbaden. Ohne Pendeln bleiben so einer Familie in Ennetbaden letztlich 69 100, in Böbikon stattliche 88 400 Franken.
Je nachdem, ob noch Pendeln mit Auto oder öV zum Beispiel nach Zürich dazukommt, bleibt entsprechend weniger. Auffallend ist, wie viel teurer Pendeln mit dem Auto kommt, wobei man dafür auch höhere Abzüge deklarieren kann (ab 2017 allerdings nur noch maximal 7000 Franken pro Jahr, deren Notwendigkeit belegt werden muss).
Der Kanton Uri erreicht – wie in der letzten Berechnung im Jahr 2011 – die höchste finanzielle Wohnattraktivität, gefolgt von Glarus. Neben geringen Wohnkosten bieten die beiden Kantone eine moderate Steuerbelastung und vergleichsweise geringe Krankenkassenprämien.
Demgegenüber positionieren sich die Zentrumskantone Genf und Basel-Stadt unverändert am Ende der Rangliste und deutlich unter dem Landesmittel. Hier verbleibt bei gleichem Einkommen am Ende des Monats weniger Geld für den freien Konsum als in suburbanen oder ländlichen Gegenden.
Eine hohe finanzielle Wohnattraktivität kann gemäss den Ökonomen der Credit Suisse aus geringen Fixkosten oder geringen obligatorischen Abgaben resultieren. Für die Kantone Jura und Zug resultiert beispielsweise eine ähnliche finanzielle Wohnattraktivität leicht über dem Landesmittel.
Im Kanton Zug verhindern die hohen Wohnkosten eine attraktivere Positionierung, im Jura sind es überdurchschnittliche obligatorische Abgaben.
Fördert die Bank mit dieser Studie nicht die viel beklagte Zersiedelung, indem viele Menschen zwar den gut bezahlten Arbeitsplatz im Zentrum behalten, jetzt aber noch weiter ins Grüne ziehen, wo man zum Teil markant günstiger leben kann?
Simon Hurst winkt ab: «Es ist nicht das Ziel dieser Studie, die Menschen zum Zügeln quer durch die Schweiz zu animieren. Der finanzielle Aspekt ist ja nur einer – wenngleich ein sehr gewichtiger – Aspekt von vielen bei der Wohnortsuche.
Zu bedenken ist beispielsweise auch, dass man je nach Wohnort täglich lange Fahrten auf sich nehmen muss. Doch wir wollen mit dieser Studie die Blackbox der staatlich vorgegebenen und der Fixkosten öffnen.»
Doch was hat eine eher peripher gelegene Gemeinde wie Böbikon davon, dass einem dort am meisten zum Leben bleibt? Vermag das die Abwanderung zu stoppen? Nochmals Hurst: «Zu sagen ist vorweg, dass der Aargau insgesamt ein attraktiver Arbeits- und Wohnkanton ist.
Wir wollen mit unseren Erhebungen auch zeigen, wie eine Gemeinde im Vergleich zu den Nachbargemeinden dasteht. Es ist bekannt, dass viele gut bezahlte Leute aus Zürich in Gemeinden im Osten des Kantons Aargau ziehen.
Da ist es gut zu wissen, dass einem nicht nur in Böbikon, sondern auch in anderen Gemeinden im Studenland im Bezirk Zurzach viel zum Leben bleibt.»
Der Aargau sei auch dank der jüngsten Gewinnsteuersenkung attraktiver geworden, sagt Hurst. Damit steige die Chance, neue Firmen anzuziehen, sowie dass bestehende Firmen hierbleiben und weiter investieren.
Einen Beitrag zur Standortattraktivität – so Hurst mit Blick auf die Knappheit bei hochqualifizierten Arbeitskräften im Aargau – könnten der neue Campus der Fachhochschule und Hightech Aargau leisten.
Diese Investitionen zahlten sich langfristig aus, wobei «die Politik die Struktur der Wirtschaft natürlich nicht auf dem Reissbrett entwerfen, die Wirtschaft aber mit guten Rahmenbedingungen und Anreizen unterstützen kann».