Pandemie
«Wir sind voll ausgelastet»: Aargauer Krematorien laufen wegen Corona am Limit

Derzeit werden deutlich mehr Todesanzeigen publiziert als üblich. 60 Prozent aller Kremierungen in Baden betreffen Covid-Opfer, in Aarau gibt es derzeit Engpässe bei der Lagerung der Särge.

Fabian Hägler
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Die Särge mit den Coronatoten sind gekennzeichnet, besonders aufwendig ist der Umgang damit allerdings nicht.

Die Särge mit den Coronatoten sind gekennzeichnet, besonders aufwendig ist der Umgang damit allerdings nicht.

Keystone

«Nach kurzem Aufenthalt im Kantonsspital Baden verstarb er an den Folgen des Coronavirus»: Das steht in der Todesanzeige eines 73-jährigen Mannes, welche diese Woche in der AZ publiziert wurde. Gleich darunter findet sich die Todesanzeige einer 75-jährigen Frau, die am Weihnachtstag im Altersheim Klostermatte Laufenburg an Covid-19 gestorben ist.

Derzeit werden deutlich mehr Todesanzeigen publiziert als üblich, wobei nicht immer klar ist, ob die Verstorbenen an Covid-19 litten. Oft heisst es, dass die Menschen nach kurzer, schwerer Krankheit verstorben sind – auch dies kann eine Umschreibung für Corona sein. Klar ist: Seit dem Ausbruch der Pandemie sind im Aargau bisher 438 Personen an oder mit dem Virus verstorben.

Anstieg der Kremierungen erst ab Mitte Dezember

Die hohen Todeszahlen der letzten Wochen bringen die Krematorien im Aargau an die Kapazitätsgrenzen. «Wir sind voll ausgelastet und laufen am Limit», sagt Thomas Stirnemann, Betriebsleiter des Krematoriums Baden, auf Anfrage der AZ. Seit dem 17. Dezember wird in Baden mit wenigen Ausnahmen in einem Zweischicht-Betrieb gearbeitet, «dies inklusive Samstag und teilweise Sonntage/Feiertage», wie Stirnemann sagt.

Seit dem Ausbruch der Pandemie werden im Krematorium Baden keine Aufbahrungen mehr durchgeführt. (Archivbild, 2018)

Seit dem Ausbruch der Pandemie werden im Krematorium Baden keine Aufbahrungen mehr durchgeführt. (Archivbild, 2018)

Alex Spichale

Durchschnittlich werden in Baden im Jahr rund 1800 Verstorbene kremiert, in den ersten elf Monaten 2019 waren es 1821, von Anfang Januar bis Ende November dieses Jahres wurden 1855 Kremierungen vorgenommen. Dieser Unterschied lag laut Betriebsleiter Stirnemann noch im üblichen Rahmen, einen coronabedingten Anstieg der Kremierungen habe man erst ab Mitte Dezember festgestellt. «Bis dahin waren es nur wenige, die an Corona verstorben waren, derzeit sind es rund 60 Prozent aller Kremierungen», sagt er.

«Möglichkeiten, Särge unterzubringen, sind ausgeschöpft»

Die Särge mit den Coronatoten sind im Krematorium Baden gekennzeichnet, besonders aufwendig ist der Umgang damit allerdings nicht. «Da unsere Mitarbeitenden keinen direkten Kontakt mit den Verstorbenen haben, sind auch keine speziellen Massnahmen notwendig», sagt Stirnemann. Auswirkungen hat die Coronakrise allerdings für die Angehörigen: Seit dem Ausbruch der Pandemie werden im Krematorium Baden keine Aufbahrungen mehr durchgeführt.

Kurz vor Weihnachten berichtete der «Blick», dass im Krematorium Olten keine Toten mehr angenommen werden könnten. «Alle Möglichkeiten, die Särge unterzubringen, sind ausgeschöpft», sagte Phillip Lack gegenüber der Zeitung. So viele Tote wie noch nie registrierte das Krematorium – die Vermutung von Lack: «Das dürfte hauptsächlich an Corona liegen».

Erhöhung der Kapazität nur durch Sonderschichten möglich

In einem normalen Jahr werden in Aarau rund 2000 Todesopfer kremiert.

In einem normalen Jahr werden in Aarau rund 2000 Todesopfer kremiert.

Daniel Vizentini

Ein paar Kilometer weiter, im Krematorium Aarau, ist die Situation ebenfalls sehr angespannt. «Insbesondere bei den Lagerungsmöglichkeiten gibt es Engpässe», teilt die zuständige Stadträtin Suzanne Marclay mit. Sie geht davon aus, dass die Zahl der Kremationen dieses Jahr rund 15 Prozent höher liegen dürfte als üblich. In einem normalen Jahr werden in Aarau rund 2000 Todesopfer kremiert, «aktuell schätzen wir, dass wir 2020 insgesamt 2300 Kremationen durchgeführt haben werden», sagt Marclay. Um die zusätzlichen Fälle zu bewältigen, würden derzeit und über das Jahresende hinaus auch am Wochenende Kremationen vorgenommen.

Bauarbeiten im Krematorium Aarau

Eine Erhöhung der Kapazität ist kurzfristig nur durch Sonderschichten des Personals möglich. Das Krematorium Aarau wird seit mehreren Jahren mit einer einzigen Einäscherungsanlage betrieben, die zweite Ofenlinie aus den 1970er Jahren ist wegen fehlender Rauchgasreinigung stillgelegt. Doch dies soll sich bald ändern, derzeit laufen Bauarbeiten im Krematorium.

«Der Bau beeinflusst die Kapazität nicht», erläutert Stadträtin Marclay.

«Der Bau beeinflusst die Kapazität nicht», erläutert Stadträtin Marclay.

Chris Iseli

Der Aarauer Einwohnerrat hat im Jahr 2016 einen Baukredit in der Höhe von rund 3,6 Millionen Franken für den Ersatz der zweiten Ofenlinie bewilligt. Im Dezember 2017 wurde ein Zusatzkredit von einer Million für die Ofenlinie 1 genehmigt, damit auch diese die aktuellen Immissions-Auflagen erfüllt. Die Bauarbeiten haben im Januar 2020 begonnen, die Inbetriebnahme der neuen Ofenlinie II ist für Ende März 2021 geplant. «Der Bau beeinflusst die Kapazität nicht, es war auch bisher immer nur ein Ofen in Betrieb», erläutert Stadträtin Marclay.